Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law Logo Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law

You are here: Publications Archive Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2001

2001


Inhalt | Zurück | Vor

J. Christina Gille


IX. Internationaler Menschenrechtsschutz

2. Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen

       63. Das BPatG stellte in einer Entscheidung vom 28.2.2001 (5 W (pat) 12/00 - BlPMZ 2002, 265) fest, daß die Europäische Minderheitensprachen-Charta139 der Bewertung des Plattdeutschen als einer "fremden" Sprache i.S.d. � 4a GebrMG nicht entgegensteht und daß dem Antrag, ein Gebrauchsmuster mit der plattdeutschen Bezeichnung "Läägeünnerloage" und mit in Plattdeutsch formulierten Unterlagen allein oder zusammen mit der (hoch-)deutschen Fassung einzutragen, mangels rechtlicher Grundlage nicht stattgegeben werden kann.

      Die Antragsteller hatten sich darauf berufen, Plattdeutsch sei deutsch i.S.d. � 126 Satz 1 PatG, da aufgrund der Zuständigkeit des Deutschen Patent- und Markenamtes wie auch des BPatG für das gesamte Bundesgebiet und damit auch für Regionen, in denen Plattdeutsch gesprochen werde, seien die Gewährleistungen für das Plattdeutsche aus den Art. 7, 9 und 10 der Charta anzuwenden.

      Das BPatG beurteilte die plattdeutschen Unterlagen jedoch als "fremdsprachige" Unterlagen i.S.d. � 4a GebrMG, auf deren Grundlage zwar bei Nachreichung einer deutschen Übersetzung eine Eintragung vorgenommen werden könne, aber nicht die vorliegend beantragte Eintragung der plattdeutschen und damit fremdsprachigen Fassung, für die es keine gesetzliche Grundlage gebe.

      Dieser Beurteilung stünden auch nicht die Regelungen der Charta entgegen, nach denen es sich bei Plattdeutsch (Niederdeutsch) nicht um eine Mundart des (Hoch-)Deutschen handele, sondern um eine eigene Sprache. Niederdeutsch sei in den Erklärungen der Bundesrepublik Deutschland140 zu der Charta als Regionalsprache bezeichnet. Die Charta gebe dennoch keine Veranlassung, von der Bewertung des Plattdeutschen als "fremde" Sprache i.S.d. � 4a GebrMG ausnahmsweise abzuweichen. Sie verpflichte die Bundesrepublik Deutschland, Teil II der Charta auf alle im deutschen Hoheitsgebiet gebrauchten Regional- oder Minderheitensprachen i.S.v. Art. 1 der Charta anzuwenden und ferner aus Teil III der Charta für jede von Deutschland als Regional- oder Minderheitensprache bezeichnete Sprache eine Mindestzahl von Regelungen anzuwenden.141 Die anzuwendenden Schutzbestimmungen seien aber vorliegend nicht einschlägig. Geltungsbereich eines Gebrauchsmusters und Zuständigkeit von Deutschem Patent- und Markenamt und BPatG erstreckten sich auf das gesamte Bundesgebiet und nicht nur auf die in den Erklärungen genannten Regionen. Keine Vorschrift der Charta oder der Erklärungen gebiete eine Zulassung von Eintragungen und Bekanntmachungen von Gebrauchsmustern in plattdeutscher (niederdeutscher) Sprache. Die Verweisungen in Art. 9 und 10 der Charta auf Gerichts- bzw. Verwaltungsbezirke sowie Gebiete, in denen die Regionalsprache gebraucht werde, seien nicht in dem erweiternden Sinn zu verstehen, daß in den Fällen, in denen in Deutschland ein Regionalsprachengebiet ausgewiesen sei, Bundesbehörden bzw. Bundesgerichte die in den Erklärungen genannten Handlungen in der betreffenden Sprache mit jedem, der sie gebrauche, zuzulassen hätten. Andernfalls sei es unnötig, daß die Erklärungen zur Charta für Regionalsprachen entsprechende Regionen angeben würden, in denen die jeweilige Sprache als Regionalsprache anerkannt sei. Es sei vielmehr von einer Anwendung auszugehen wie bezüglich der sorbischen Sprache, die in Deutschland im angestammten Gebiet der Sorben auch vor Gericht gesprochen werden dürfe, während auch für Sorben in anderen Gerichtsbezirken die Gerichtssprache hochdeutsch sei.142 Die Charta wolle nach Art. 7 Abs. 1 lit. d den Gebrauch des Plattdeutschen als eine Regionalsprache in Wort und Schrift im öffentlichen Leben erleichtern und zu einem solchen Gebrauch ermutigen, allerdings solle sich dies nach Abs. 6 der Präambel der Charta nicht nachteilig auf das Hochdeutsche als Amtssprache auswirken. Mit der Zulassung der Einreichung von Anmeldungsunterlagen in Plattdeutsch werde dem genannten Ziel der Charta Rechnung getragen. Dem Schutzzweck der Charta werde hinreichend entsprochen, wenn für das Gebrauchsmuster die Unterlagen in Plattdeutsch Aktenbestandteil seien und damit Grundlage für die Durchsetzung des Schutzrechts und seine Abwehr auf plattdeutsch in dem Gebiet der Regionalsprache sein könnten.




      139 Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vom 5.11.1992, ETS 148, BGBl. 1998 II, 1314.

      140 Erklärungen vom 23. und 26.1.1998, BGBl. 1998 II, 1334, 1336.

      141 Siehe hierzu ebenfalls die o.g. Erklärungen (Anm. 140).

      142 Zum fehlenden Recht auf Einrichtung einer Klassenstufe fünf an einer sorbischen Mittelschule trotz Art. 8 Abs. 1 lit. c der Charta siehe OVG Bautzen, Beschluß vom 22.8.2001 (2 BS 183/01 - Neue Justiz 2002, 332).