Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law Logo Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law

You are here: Publications Archive Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2001

2001


Inhalt | Zurück | Vor

J. Christina Gille


XIII. Deutschlands Rechtslage nach 1945 und deutsche Wiedervereinigung

2. Wiedervereinigung

a) Rechtsnachfolge

      88. Mit Urteil vom 11.1.2001 (7 U 2763/00 - VIZ 2001, 575) unterstrich das OLG Dresden, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht generelle Rechtsnachfolgerin der früheren DDR ist und für Verbindlichkeiten der DDR nur partiell haftet, so daß insbesondere in den sog. Staatserbrechtsfällen gegen die Bundesrepublik Deutschland kein Anspruch auf Herausgabe eines vereinnahmten Geldbetrags besteht. Mit dem Wirksamwerden des Beitritts zur Bundesrepublik Deutschland sei die DDR als Rechtssubjekt ersatzlos untergegangen. Weder die Bundesrepublik Deutschland noch die Neuen Bundesländer seien als deren Gesamtrechtsnachfolger anzusehen, so daß eine pauschale Haftungsübernahme nicht in Betracht komme. Nach dem Einigungsvertrag246 habe die Bundesrepublik die Schulden der früheren DDR nur selektiv übernommen und nur eine partielle gegenständliche Rechtsnachfolge für bestimmte Bereiche angetreten. Art. 23 EinigungsV regele lediglich die Übernahme der bis zum Zeitpunkt des Beitritts aufgelaufenen Gesamtverschuldung des Republikhaushaltes der früheren DDR durch ein Sondervermögen des Bundes, ohne sich auf Verbindlichkeiten der DDR insgesamt zu beziehen. Allerdings schließe das vom Einigungsvertrag festgelegte Konzept der selektiven Schuldenübernahme nicht aus, im konkreten Fall die Haftungsnachfolge der Bundesrepublik Deutschland aus einer anderen Rechtsnorm zu begründen. Eine solche haftungsbegründende Rechtsnorm sei vorliegend aber nicht ersichtlich. Ein Anspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland ergebe sich insbesondere auch nicht nach der Rechtsfigur der Funktionsnachfolge, für die als Hilfskonstruktion kein Raum bleibe neben der abschließenden Regelung in den Art. 21 ff. EinigungsV. Gleichermaßen komme eine Haftung der Bundesrepublik Deutschland unter analoger Anwendung völkerrechtlicher Haftungsgrundsätze i.S.e. völkerrechtlichen Staatensukzession nicht in Betracht. Privatrechtliche Ansprüche seien ohnehin aus völkerrechtlichen Grundsätzen nicht unmittelbar herzuleiten.




      246 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990, BGBl. 1990 II, 885, 1239.