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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


700. DIPLOMATISCHER SCHUTZ

Nr.88/1

Die deutschen Staatsorgane sind zwar grundsätzlich verpflichtet, deutschen Staatsangehörigen gegenüber anderen Staaten diplomatischen Schutz zu gewähren, genießen bei der Erfüllung dieser Pflicht jedoch ein weites politisches Ermessen.

Although as a rule German authorities are obliged to give diplomatic protection to Germans as against foreign states, they enjoy a wide margin of political discretion when fulfilling this obligation.

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.12.1988 (17 A 2618/85), NJW 1989, 2209 (ZaöRV 50 [1990], 88)

Einleitung:

      Die Bundesrepublik ersuchte die Türkei, die dort inhaftierten Kläger an sie auszuliefern. Diese erhoben daraufhin in Deutschland Klage auf Feststellung, daß dieses Einlieferungsersuchen rechtswidrig sei.

Entscheidungsauszüge:

      II. ... 2. Eine andere Bewertung der Einlieferungsersuchen ist nicht mit Blick auf den Anspruch auf Gewährung von Auslandsschutz veranlaßt. Dieser Anspruch betrifft die Schutzpflicht des Staates gegenüber eigenen Staatsangehörigen, sofern sie Objekt belastender Maßnahmen fremder Staaten sind. Dieser dem Grunde nach bestehenden Pflicht korrespondiert allerdings kein Anspruch auf ein jeweils konkretes Tun oder Unterlassen... Insoweit steht den deutschen Staatsorganen vielmehr ein weites (politisches) Ermessen zu, das wegen dessen Bezugspunkten - die Gestaltung der Beziehungen zu anderen Staaten - einen bis zur Willkürgrenze reichenden weiten Spielraum in der Einschätzung der Sachverhalte und der Zweckmäßigkeit der möglichen Verhaltensalternativen enthält ... Dabei kann vor allem in unterschiedlichster Weise dem evtl. Interessenwiderstreit zwischen der Wahrung der Belange der Allgemeinheit - hier betreffend das Interesse an der Ergreifung der Kl. bzw. das Interesse an der Fortführung der Übung, sich in die inneren Angelegenheiten des auswärtigen Staates nicht einzumischen - und den Interessen des einzelnen Rechnung getragen werden ... Diesen Anspruch im Rahmen der Überprüfung der hier in Rede stehenden Einlieferungs- und Inhaftierungsersuchen zu erwägen, ist deswegen veranlaßt, weil die Bundesregierung an deren Anbringung rechtlich gehindert gewesen wäre, wenn sie dazu hätten führen können, daß der genannte Schutzanspruch ihre unverzügliche Rücknahme erfordert hätte. Dies wäre etwa für den Fall in Betracht zu ziehen gewesen, in dem die Ersuchen und ihre Stattgabe zu einer Behandlung der Betroffenen geführt hätte, die dem völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard und den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen des deutschen ordre public widersprochen hätte, mit der Stellung und Aufrechterhaltung der Ersuchen etwa gegen das Übermaßverbot verstoßen worden wäre ... Da eine derartige Situation für die Kl. nicht zu erwarten war und tatsächlich nicht eingetreten ist, war hier unter dem Gesichtspunkt, ob die Bediensteten der Bekl. in Ankara von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen sind, die Grenzen des ihnen eingeräumten Ermessens erkannt oder vom Ermessen einen zweckgerechten Gebrauch gemacht haben, nichts dagegen zu erinnern, daß es den Bediensteten der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Ankara in Abwägung des öffentlichen Interesses an einer möglichst wirksamen Strafrechtspflege mit den Interessen der Kl. als sachgerecht erschien, die Kl. der türkischen Staatsgewalt - ohne vorausgehende Unterrichtung - zu überantworten und dort zu belassen, um auf dem hierfür vorgesehenen Weg ihre Überstellung zur Strafverfolgung zu erreichen.

Hinweis:

      Siehe noch unten Nr.1600 [88/1].