Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law Logo Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law

You are here: Publications Archive Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993

Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


Home | Inhalt | Zurück | Vor

Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


910. INTERNATIONALES FLÜCHTLINGSRECHT

Nr.92/1

Die Geltendmachung politischer Verfolgung nach Art.1A Nr.2 der Genfer Flüchtlingskonvention setzt voraus, daß der Ausländer zuvor als Asylberechtiger anerkannt wurde oder die Feststellung eines Abschiebungsverbotes wegen drohender politischer Verfolgung erreicht hat.

An alien can only claim to be a victim of political persecution under Art.1A No.2 of the Geneva Convention Relating to the Status of Refugees, if he or she has previously been recognized as having a right of asylum, or has obtained the determination of a prohibition of his or her expulsion because of a threat of political persecution.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.1.1992 (1 C 21.87), BVerwGE 89, 296 (ZaöRV 54 [1994], 516)

Einleitung:

      Der Kläger war mit einem libanesischen Reisedokument für palästinensische Flüchtlinge in die Bundesrepublik eingereist und hatte dort erfolglos Asyl beantragt. Noch während des Rechtsschutzverfahrens gegen den ablehnenden Bescheid beantragte er die Erteilung eines Reiseausweises gemäß Art.28 der Genfer Flüchtlingskonvention. Seine Klage gegen die Ablehnung dieses Antrags blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsauszüge:

      2. b) Die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Art.28 Nr.1 Satz 1 GK bestimmt sich nach dem in Art.1 GK umschriebenen Flüchtlingsbegriff. Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob der Kläger deswegen nach Art.28 Nr.1 GK berechtigter Flüchtling ist, weil ihm im Libanon politische Verfolgung im Sinne des Art.1A Nr.2 GK und/oder des Art.16 Abs.2 Satz 2 GG droht, wie er in seinem Asylverfahren geltend macht. Das ist jedoch unschädlich. Der Kläger kann nicht geltend machen, wegen politischer Verfolgung Flüchtling zu sein, solange er nicht seine Anerkennung als Asylberechtigter (§3 Abs.1 AsylVfG) oder die Feststellung eines Abschiebungsverbots wegen drohender politischer Verfolgung (§51 Abs.2 Satz 2 AuslG 1990) erreicht hat. Das beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge konzentrierte Verfahren rechtfertigt sich aus einem dringenden Interesse der Rechtsordnung an einem den Status feststellenden Formalakt; andernfalls müßte dieser Status in jedem entscheidungserheblichen Fall von neuem festgestellt werden ... Das Gesetz will damit "parallele Prüfungen" anderer Behörden, die im Regelfall der besonderen Sachkunde des Bundesamtes entbehren, vermeiden und zugleich sich widersprechende Entscheidungen verhindern.
      aa) Gegenstand des Anerkennungsverfahrens ist gemäß §1 Abs.1 AsylVfG die Feststellung der Asylberechtigung nach Art.16 Abs.2 Satz 2 GG. Ob damit gleichzeitig in der Regel auch die Flüchtlingseigenschaft nach Art.1A Nr.2 GK festgestellt wird, bedarf hier keiner näheren Behandlung. Jedenfalls mußte und muß die Ausländerbehörde grundsätzlich auch nicht als asylberechtigt anerkannten Flüchtlingen, denen politische Verfolgung droht, (zumindest) Abschiebungsschutz gewähren (§14 AuslG 1965, §51 AuslG 1990, Art.33 GK). Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9.7.1990 hat der Gesetzgeber bestimmt, daß auch die Voraussetzungen des Abschiebungsschutzes (§51 Abs.1 AuslG 1990) vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in einem Asylverfahren zu prüfen sind (§51 Abs.2 Satz 2 AuslG 1990, §7 Abs.1 AsylVfG in der Fassung des Art.3 des Neuregelungsgesetzes vom 9.7.1990) und daß im Falle einer für den Ausländer positiven Feststellung zugleich die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Art.1 GK gegeben ist (§51 Abs.3 AuslG 1990).
      bb) Mit dieser Neuregelung ist einer etwaigen Differenz zwischen der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Art.1A Nr.2 GK und der Asylberechtigung nach Art.16 Abs.2 Satz 2 GG für das Asylverfahren Rechnung getragen worden. Zwar knüpft §51 Abs.1 AuslG 1990 an die hinsichtlich der Verfolgungsgründe inhaltsgleiche Schutzvorschrift des Art.33 Nr.1 GK an. Diese stellt aber im wesentlichen eine verkürzte Wiedergabe des Art.1A Nr.2 GK dar ... Die Vorschrift des §51 Abs.1 AuslG 1990 ist so auszulegen und anzuwenden, daß sie auch mit dem Flüchtlingsbegriff des Art.1A Nr.2 GK übereinstimmt. Dafür spricht der zur Klärung des Rechtsstatus der Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention auf Vorschlag des Bundesrats (BT-Drucks.11/6541 S.4; 11/6960 S.25) im Gesetzgebungsverfahren eingefügte §51 Abs.3 AuslG 1990. Weiter ist zu berücksichtigen, daß §51 Abs.2 AuslG unter dem Personenkreis, bei dem die Voraussetzungen des §51 Abs.1 AuslG erfüllt sind, außer Asylberechtigten ausdrücklich Konventionsflüchtlinge aufführt ... Enthält aber die Entscheidung über die Asylberechtigung und/oder den Abschiebungsschutz eine - auch im Verfahren auf Erteilung eines Reiseausweises nach Art.28 GK für die Ausländerbehörde verbindliche (§§3 Abs.1 AsylVfG, §51 Abs.2 Satz 3 und Abs.3 AuslG 1990) - Entscheidung über die Flüchtlingseigenschaft, so muß entsprechend dem dargelegten Zweck des asylrechtlichen Prüfungsverfahrens ein Ausländer, der wie der Kläger im Bundesgebiet die Rechte eines Flüchtlings unter Berufung auf drohende Verfolgung beansprucht, zunächst eine positive Anerkennungs- bzw. Feststellungsentscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge herbeiführen. Danach darf die Ausländerbehörde einem Antrag auf Erteilung eines Reiseausweises nicht entsprechen, wenn der Antragsteller sein Asylverfahren noch betreibt und folglich ungeklärt ist, ob er zu dem berechtigten Personenkreis gehört.