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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


1130. SONSTIGE INTERNATIONALE MENSCHENRECHTSNORMEN

Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18.12.1979 (BGBl.1985 II S.648)

Nr.87/1

Vorzugsregelungen zugunsten von Frauen in Verwaltungsrichtlinien finden ihre gesetzliche Grundlage in Art.4 Abs.1 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18.12.1979 in Verbindung mit dem deutschen Zustimmungsgesetz vom 25.4.1985 (BGBl.II S.647).

Provisions in administrative regulations concerning preferential treatment of women have their statutory basis in Art.4 (1) of the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women of 18 December 1979 in conjunction with the German act of assent to this Convention of 25 April 1985 (Bundesgesetzblatt Teil II, p.647).

Verwaltungsgericht Bremen, Urteil vom 26.11.1987 (3 A 392/86); NJW 1988, 3224 (ZaöRV 50 [1990], 82) (rechtskräftig)

Einleitung:

      Der Senat der Freien Hansestadt Bremen beschloß 1984 eine Richtlinie zur Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst Bremens (BremAbl. S.351). Nach Nr.9 dieser Richtlinie sollen Frauen bei Einstellungen und Beförderungen - bei gleicher Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber - bevorzugt werden, wenn in vergleichbaren Funktionen des jeweiligen Ressorts weniger Frauen als Männer beschäftigt sind. Ein Richter im bremischen Landesdienst begehrte die Feststellung, daß die Richtlinie nicht zu seinen Lasten angewendet werden dürfe, u.a. deshalb, weil es an einer aus bundesverfassungsrechtlichen Gründen erforderlichen Regelung durch ein förmliches Gesetz fehle: Der parlamentarische Gesetzgeber habe die für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Entscheidungen zu treffen, hier zwischen einerseits dem Gebot der Gleichberechtigung der Frau (Art.3 Abs.2 GG) und andererseits dem Verbot der Diskriminierung der Männer aus Gründen des Geschlechts (Art.3 Abs.3 GG) abzuwägen. Die Klage wurde abgewiesen.

Entscheidungsauszüge:

      Das Gericht sieht auch keine Bedenken darin, daß die Frauenförderungsrichtlinie nicht als gesetzliche Regelung ergangen ist. ... Denn eine ausreichende gesetzliche Grundlage für bevorzugende Maßnahmen, die auf Art.3 Abs.2 GG beruhen und insoweit notwendigerweise das in der gleichen Vorschrift garantierte Grundrecht modifizieren, liegt vor. Mit dem Gesetz zu dem Übereinkommen vom 18.12.1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 25.4.1985 (BGBl.II S.647) hat der Bundestag dieses Übereinkommen, das am 9.8.1985 in Kraft getreten ist (Bekanntmachung ... vom 13.11.1985; BGBl. II S.1234), ratifiziert. Der Inhalt dieses Übereinkommens ist damit zugleich auch eine Verfassungswerte abwägende gesetzgeberische Entscheidung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. In der Präambel dieses Übereinkommens heißt es: "Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens ... überzeugt, daß die größtmögliche und gleichberechtigte Mitwirkung der Frau in allen Bereichen Voraussetzung für die vollständige Entwicklung eines Landes ... ist; ... in dem Bewußtsein, daß sich die traditionelle Rolle des Mannes und die Rolle der Frau in der Gesellschaft und in der Familie wandeln müssen, wenn die volle Gleichberechtigung von Mann und Frau erreicht werden soll; ... sind wie folgt übereingekommen." Auf dieser Grundüberlegung basiert der Art.4 des Übereinkommens. Er lautet im Abs.1:
      "Zeitweilige Sondermaßnahmen der Vertragsstaaten zur beschleunigten Herbeiführung der De-facto-Gleichberechtigung von Mann und Frau gelten nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Übereinkommens, dürfen aber keinesfalls die Beibehaltung ungleicher oder gesonderter Maßstäbe zur Folge haben; diese Maßnahmen sind aufzuheben, sobald die Ziele der Chancengleichheit und Gleichbehandlung erreicht sind."
      Die Nr.9 Frauenförderungsrichtlinie beinhaltet eine solche Sondermaßnahme zur beschleunigten Herbeiführung der de-facto-Gleichberechtigung von Mann und Frau im Bereich höher bewerteter Stellen des öffentlichen Dienstes der Freien Hansestadt Bremen. Wenn solche Maßnahmen nicht als Diskriminierung im Sinne des Übereinkommens zu gelten haben, ist damit die Diskriminierungsbeschreibung in Art.1 des Übereinkommens gemeint. Dort wird als Diskriminierung eine mit dem Geschlecht begründete Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung [an]gesehen. Dieses entspricht inhaltlich dem geschlechtsbezogenen Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot im Sinne des Art.3 Abs.2, 3 GG. Mit seiner Zustimmung zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau hat der Gesetzgeber zugleich eine die subjektiven Grundrechtspositionen und den objektiven Gehalt des Art.3 Abs.2 GG ausgleichende gesetzgeberische Entscheidung getroffen, die sich im Einklang mit der materiellen Verfassungslage befindet. Sie legitimiert jedenfalls alle staatlichen Organe, die Adressaten des Art.3 Abs.2, 3 GG sind, zu Sondermaßnahmen, die mit Art.4 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und Art.3 Abs.2, 3 GG in dem beschriebenen Umfang vereinbar sind.