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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


1600. STATIONIERUNGSSTREITKRÄFTE

Nr.86/1

Wird ein amerikanisches Militärgerichtsverfahrens eingestellt, ohne daß dies eine spätere strafrechtliche Verfolgung durch die Militärjustiz hindert, so besteht für die deutschen Strafverfolgungsorgane kein Verfahrenshindernis nach Art.VII Abs.8 NTS.

The termination of proceedings in the U.S. military justice system, which does not preclude future prosecution by U.S. military authorities, will not bar German criminal proceedings according to Art.VII (8) of the NATO Status of Forces Agreement.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluß vom 10.4.1986 (3 Ws 229/85), Die Justiz 1986, 466 (ZaöRV 48 [1988], 87)

Einleitung:

      Die Staatsanwaltschaft erhob gegen den Angeklagten, ein Mitglied der in der Bundesrepublik stationierten amerikanischen Streitkräfte, Anklage wegen Vergewaltigung einer deutschen Staatsangehörigen. Parallele Untersuchungen der amerikanischen Militärbehörden endeten damit, daß der Brigadekommandeur des Angeklagten die Anklage ohne Bindungswirkung für die Regierung abwies.
      Die Strafkammer lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, weil im Hinblick auf die Einstellungsverfügung des Brigadekommandeurs das Verfahrenshindernis der res judicata i.S.v. Art.VII Abs 8 NTS vorliege; die Einstellungsverfügung komme einem Freispruch i.S.d. Vorschrift gleich. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft war erfolgreich.

Entscheidungsauszüge:

      II. ... 1. Der Angekl. gehört als in der Bundesrepublik Deutschland stationierter US-Soldat zu dem vom NATO-Truppenstatut erfaßten Personenkreis. Die ihm in der Anklage ... zur Last gelegten Taten sind sowohl nach amerikanischem Militärrecht ... als auch nach deutschem Recht ... mit Strafe bedroht und unterliegen somit der konkurrierenden Gerichtsbarkeit nach Art.VII Abs.1 und 3 NTS. ...
      2. Ein Verfahrenshindernis nach Art.VII Abs.8 NTS liegt - entgegen der Auffassung der Strafkammer - nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann ein Angekl., der in einem Strafverfahren, das nach Art.VII NTS von den Behörden einer Vertragspartei gegen ihn durchgeführt wurde, freigesprochen oder verurteilt worden ist und der seine Strafe verbüßt oder verbüßt hat oder begnadigt worden ist, nicht wegen derselben Handlung innerhalb desselben Hoheitsgebietes von den Behörden einer anderen Vertragspartei erneut vor Gericht gestellt werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im vorliegenden Falle nicht gegeben. ...
      [D]ie im vorliegenden Falle ergangene Einstellungsverfügung des Brigadekommandeurs ... ist ... weder in Bestands- noch in Rechtskraft erwachsen ... Bereits aus dem Wortlaut der Verfügung selbst ergibt sich, daß die Abweisung der gegen den Beschuldigten erhobenen Klage ohne Bestandskraft zum Nachteil der Regierung (without prejudice to the government) ergehen sollte. Nach der bei den Akten befindlichen Auskunft der in M. stationierten amerikanischen Militärbehörden gilt der juristische Begriff "without prejudice to the government" als Erklärung dafür, daß keine Rechte oder Privilegien der betroffenen Partei (im vorliegenden Falle der US-Regierung) als aufgegeben oder verloren anzusehen sind. Dies bedeutet mit anderen Worten, daß der Angekl. "nicht der Gefahr eines Strafgerichts ausgesetzt war" und er durch die Milltärbehörden noch immer verfolgt werden könnte, wenn dies "wünschenswert" erscheint und wenn die Gerichtsbarkeit übertragen wird. ... Die Einstellungsverfügung vom 31.10.1984 hat somit lediglich vorläufigen Charakter und steht einer erneuten Strafverfolgung des Beschuldigten durch die amerikanischen Militärbehörden im Falle der Übertragung der Gerichtsbarkeit nicht entgegen. Der Senat vermag daher dieser Verfügung nicht die Bedeutung eines Freispruchs im Sinne von Art.VII Abs.8 NTS beizumessen, so daß sie auch für das vorliegende Verfahren kein Verfahrenshindernis im Sinne dieser Vorschrift bildet.