Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 22.10.1986 (2 BvR 197/83), BVerfGE 73, 339 (ZaöRV 48 [1988], 77) (s. 231 [86/1]; 1700 [86/1]; 1881 [86/2]
Die Beschwerdeführerin hatte eine Lizenz für die Einfuhr von Champignonkonserven aus Taiwan beantragt, die ihr aufgrund von EWG-Verordnungen verweigert wurde. Im Rahmen des Revisionsverfahrens holte das Bundesverwaltungsgericht eine Vorabentscheidung des EuGH ein, die die Gültigkeit der einschlägigen Verordnungen bestätigte. Daraufhin wies das Bundesverwaltungsgericht die Revision der Beschwerdeführerin als unbegründet zurück. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde ein: Das Bundesverwaltungsgericht habe sie in ihren Grundrechten verletzt, indem es seinem Urteil verfassungswidrige und daher in Deutschland unanwendbare EWG-Verordnungen zugrundegelegt habe, ohne ein konkretes Normenkontrollverfahren (Art.100 Abs.1 GG) durchzuführen. Das Bundesverfassungsgericht weist die Verfassungsbeschwerde als unbegründet zurück.
B.II. Es kann nicht festgestellt werden, daß das angegriffene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art.12 Abs.1 und Art.2 Abs.1 i.V.m. Art.20 Abs.3 GG (Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit) verletzt.
1. Die Rügen der Beschwerdeführerin, die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs und die Kommissionsverordnungen Nr.1412/76 und Nr.2284/76 in der Auslegung des Gerichtshofs verstießen gegen die genannten Grundrechte des Grundgesetzes und hätten mithin im fraglichen Zeitraum im Geltungsbereich des Grundgesetzes von deutschen Behörden und Gerichten nicht angewendet werden dürfen, sind unzulässig; eine Vorlage der Verordnungen an das Bundesverfassungsgericht durch das Bundesverwaltungsgericht nach Art.100 Abs.1 GG wäre unzulässig gewesen.
a) Art.24 Abs.1 GG ermöglicht es, die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland derart zu öffnen, daß der ausschließliche Herrschaftsanspruch der Bundesrepublik Deutschland für ihren Hoheitsbereich zurückgenommen und der unmittelbaren Geltung und Anwendbarkeit eines Rechts aus anderer Quelle innerhalb dieses Hoheitsbereichs Raum gelassen wird (vgl. BVerfGE 37, 271 [280]; 58, 1 [28]; 59, 63 [90]). Art.24 Abs.1 GG ordnet zwar nicht schon selbst die unmittelbare Geltung und Anwendbarkeit des von der zwischenstaatlichen Einrichtung gesetzten Rechts an, noch regelt er unmittelbar das Verhältnis zwischen diesem Recht und dem innerstaatlichen Recht, etwa die Frage des Anwendungsvorrangs. Innerstaatliche Geltung und Anwendbarkeit sowie ein möglicher innerstaatlicher Geltungs- oder Anwendungsvorrang völkerrechtlicher Verträge - auch der hier in Rede stehenden Art - folgen nicht schon aus dem allgemeinen Völkerrecht. Das gegenwärtige Völkerrecht enthält keine aus übereinstimmender Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung entspringende allgemeine Regel dahin, daß Staaten verpflichtet wären, ihre Verträge in ihr innerstaatliches Recht zu inkorporieren und ihnen dort Geltungs- oder Anwendungsvorrang vor innerstaatlichem Recht beizumessen. Ein innerstaatlicher Geltungs- oder Anwendungsvorrang ergibt sich allein aus einem dahingehenden innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl, und zwar auch bei Verträgen, die ihrem Inhalt zufolge die Parteien dazu verpflichten, den innerstaatlichen Geltungs- oder Anwendungsvorrang herbeizuführen. Art.24 Abs.1 GG ermöglicht es indessen von Verfassungs wegen, Verträgen, die Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen, und dem von solchen Einrichtungen gesetzten Recht Geltungs- und Anwendungsvorrang vor dem innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland durch einen entsprechenden innerstaatlichen Anwendungsbefehl beizulegen. Dies ist für die europäischen Gemeinschaftsverträge und das auf ihrer Grundlage von den Gemeinschaftsorganen gesetzte Recht durch die Zustimmungsgesetze zu den Verträgen gemäß Art.24 Abs.1, 59 Abs.2 Satz 1 GG geschehen. Aus dem Rechtsanwendungsbefehl des Zustimmungsgesetzes zum EWG-Vertrag, der sich auf Art.189 Abs.2 EWGV erstreckt, ergibt sich die unmittelbare Geltung der Gemeinschaftsverordnungen für die Bundesrepublik Deutschland und ihr Anwendungsvorrang gegenüber innerstaatlichem Recht.
b) Die Ermächtigung auf Grund des Art.24 Abs.1 GG ist indessen nicht ohne verfassungsrechtliche Grenzen. Die Vorschrift ermächtigt nicht dazu, im Wege der Einräumung von Hoheitsrechten für zwischenstaatliche Einrichtungen die Identität der geltenden Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland durch Einbruch in ihr Grundgefüge, in die sie konstituierenden Strukturen, aufzugeben (zu vergleichbaren Grenzen der italienischen Verfassung und der Rechtsprechung des italienischen Verfassungsgerichtshofs vgl. A. La Pergola und P. Del Duca, Community Law, International Law and the Italian Constitution, in The American Journal of International Law, vol. 79 [1985], S.598 ff., S.609 ff.). Dies gilt namentlich für Rechtsetzungsakte der zwischenstaatlichen Einrichtung, die, gegebenenfalls zufolge entsprechender Auslegung oder Fortbildung des zugrundeliegenden Vertragsrechts, wesentliche Strukturen des Grundgesetzes aushöhlten. Ein unverzichtbares, zum Grundgefüge der geltenden Verfassung gehörendes Essentiale sind jedenfalls die Rechtsprinzipien, die dem Grundrechtsteil des Grundgesetzes zugrundeliegen (vgl. BVerfGE 37, 271 [279 f.]; 58, 1 [30 f.]). Art.24 Abs.1 GG gestattet nicht vorbehaltlos, diese Rechtsprin-zipien zu relativieren. Sofern und soweit mithin einer zwischenstaatlichen Einrichtung im Sinne des Art.24 Abs.1 GG Hoheitsgewalt eingeräumt wird, die im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland den Wesensgehalt der vom Grundgesetz anerkannten Grundrechte zu beeinträchtigen in der Lage ist, muß, wenn damit der nach Maßgabe des Grundgesetzes bestehende Rechtsschutz entfallen soll, statt dessen eine Grundrechtsgeltung gewährleistet sein, die nach Inhalt und Wirksamkeit dem Grundrechtsschutz, wie er nach dem Grundgesetz unabdingbar ist, im wesentlichen gleichkommt. Dies wird in aller Regel einen Individualrechtsschutz durch unabhängige Gerichte gebieten, die mit hinlänglicher Gerichtsbarkeit, insbesondere mit einer dem Rechtsschutzbegehren angemessenen Prüfungs- und Entscheidungsmacht über tatsächliche und rechtliche Fragen ausgerüstet sind, auf Grund eines gehörigen Verfahrens entscheiden, das rechtliches Gehör, dem Streitgegenstand angemessene Angriffs- und Verteidigungsmittel und frei gewählten, kundigen Beistand ermöglicht und deren Entscheidungen gegebenenfalls die Verletzung eines Grundrechts sachgerecht und wirksam sanktionieren.
c) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 29. Mai 1974 (BVerfGE 37, 271 [280 ff.]) ausgeführt, daß angesichts des damaligen Standes der Integration der in der Europäischen Gemeinschaft allgemein verbindliche Grundrechtsstandard des Gemeinschaftsrechts noch nicht die Rechtsgewißheit aufweise, dieser Standard werde auf Dauer dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes, unbeschadet möglicher Modifikationen, derart adäquat sein, daß die Grenze, die Art.24 Abs.1 der Anwendung abgeleiteten Gemeinschaftsrechts im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland zieht, nicht überschritten werde. Die Gemeinschaft entbehre noch eines unmittelbar demokratisch legitimierten, aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenen Parlaments, das Gesetzgebungsbefugnisse besitzt und dem die zur Gesetzgebung zuständigen Organe der Gemeinschaft politisch voll verantwortlich sind; sie entbehre insbesondere noch eines kodifizierten Grundrechtskatalogs; die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaft allein gewährleiste die geforderte Rechtsgewißheit nicht. Solange diese Rechtsgewißheit im Zuge der weiteren Integration nicht erreicht sei, gelte der aus Art.24 GG hergeleitete Vorbehalt. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in dem genannten Beschluß entschieden: Solange der Integrationsprozeß der Gemeinschaft nicht so weit fortgeschritten ist, daß das Gemeinschaftsrecht auch einen von einem Parlament beschlossenen und in Geltung stehenden formulierten Katalog von Grundrechten enthält, der dem Grundrechtskatalog des Grundgesetzes adäquat ist, ist nach Einholung der in Art.177 des Vertrages geforderten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs die Vorlage eines Gerichts der Bundesrepublik Deutschland an das Bundesverfassungsgericht im Normenkontrollverfahren zulässig und geboten, wenn das Gericht die für es entscheidungserhebliche Vorschrift in der vom Europäischen Gerichtshof gegebenen Auslegung für unanwendbar hält, weil und soweit sie mit einem der Grundrechte des Grundgesetzes kollidiert (a.a.O., S.285). Es hat im damaligen Fall die Vorlage nach Art.100 Abs.1 GG für zulässig, in der Sache aber für unbegründet erklärt.
In seinem Beschluß vom 25. Juli 1979 (BVerfGE 52, 187 [202 f.]) hat der Senat ausdrücklich offengelassen, ob und gegebenenfalls inwieweit - etwa angesichts mittlerweile eingetretener politischer und rechtlicher Entwicklungen im europäischen Bereich - für künftige Vorlagen von Normen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts die Grundsätze des Beschlusses vom 29. Mai 1974 weiterhin uneingeschränkt Geltung beanspruchen könnten.
d) Nach Auffassung des erkennenden Senats ist mittlerweile im Hoheitsbereich der Europäischen Gemeinschaften ein Maß an Grundrechtsschutz erwachsen, das nach Konzeption, Inhalt und Wirkungsweise dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes im wesentlichen gleichzuachten ist. Alle Hauptorgane der Gemeinschaft haben sich seither in rechtserheblicher Form dazu bekannt, daß sie sich in Ausübung ihrer Befugnisse und im Verfolg der Ziele der Gemeinschaft von der Achtung vor den Grundrechten, wie sie insbesondere aus den Verfassungen der Mitgliedsstaaten und der Europäischen Menschenrechtskonvention hervorgehen, als Rechtspflicht leiten lassen werden. Es bestehen keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, daß der erreichte gemeinschaftsrechtliche Grundrechtsstandard nicht hinreichend gefestigt und lediglich vorübergehender Natur sei.
aa) Dieser Grundrechtsstandard ist mittlerweise insbesondere durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften inhaltlich ausgestaltet worden, gefestigt und zureichend gewährleistet.
Der Gerichtshof hatte es in früheren Jahren abgelehnt, auf Vorwürfe von Parteien einzugehen, die Hohe Behörde habe mit ihrer Entscheidung Grundsätze des deutschen Verfassungsrechts, insbesondere Art.2 und 12 GG, verletzt (Stork ./. Hohe Behörde, Urteil vom 4. Februar 1959, RS 1/58, Slg. 1958-59, S.42 [64]); er hatte sich für nicht befugt erklärt, "für die Beachtung solcher innerstaatlichen Vorschriften Sorge zu tragen, die in dem einen oder anderen Mitgliedsstaat gelten, mag es sich hierbei auch um Verfassungsrechtssätze handeln", und ausgeführt, daß "das Recht der Gemeinschaft, wie es im EGKS-Vertrag niedergelegt ist, weder einen geschriebenen noch einen ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts (enthält), daß ein erworbener Besitzstand nicht angetastet werden darf" (Präsident, Geitling, Mausegatt, Nold ./. Hohe Behörde, Urteil vom 15. Juli 1960, verb. RS 36-38/59 und 40/59, Slg. 1960, S.885 [921]). In der Folgezeit hat der Gerichtshof dann zunächst ausgesprochen, daß in den allgemeinen Grundsätzen der Gemeinschaftsrechtsordnung, deren Wahrung er zu sichern habe, die Grundrechte der Person enthalten sind (vgl. Stauder, Urteil vom 12. November 1969, RS 29/69, Slg. 1969, S.419). Im Falle Internationale Handelsgesellschaft (Urteil vom 17. Dezember 1970, RS 11/70, Slg. 1970, S.1125 [1135]) hat er zwar verneint, daß es die Gültigkeit einer Gemeinschaftshandlung oder deren Geltung in einem Mitgliedsstaat berühre, wenn behauptet wird, die Grundrechte in der ihnen von der mitgliedsstaatlichen Verfassung gegebenen Gestalt oder die Struktur der Prinzipien dieser Verfassung seien verletzt; es sei jedoch zu prüfen, ob nicht eine entsprechende gemeinschaftsrechtliche Gewährleistung verkannt worden sei, denn die Beachtung der Grundrechte gehöre zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung er zu sichern habe. Die Gewährleistung dieser Rechte müsse zwar von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten getragen sein, sich aber auch in die Struktur und die Ziele der Gemeinschaft einfügen.
Den - aus der Sicht des Grundgesetzes - wesentlichen Schritt leitete der Gerichtshof mit der Entscheidung im Falle Nold (Urteil vom 14. Mai 1974, RS 4/73, Slg. 1974, S.491 [507]) ein, in der er ausführte, daß er bei der Gewährleistung der Grundrechte von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten auszugehen habe. "Hiernach kann er keine Maßnahmen als Rechtens anerkennen, die unvereinbar sind mit den von den Verfassungen dieser Staaten anerkannten und geschützten Grundrechten."
Auf der Rechtsgrundlage der in dieser Weise und mit diesem Inhalt qualifizierten allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts hat der Gerichtshof in der Folgezeit Grundrechte, wie sie in den mitgliedsstaatlichen Verfassungen anerkannt sind, mittelbar als bindende Prüfungsmaßstäbe für das hoheitliche Verhalten von Gemeinschaftsorganen herangezogen. Neben den ausdrücklichen Freiheitsverbürgungen der Gemeinschaftsverträge selbst (vgl. z.B. Art.7, 48 ff., 52 ff., 59 ff., 67 ff. EWGV) standen dabei naturgemäß die auf das Wirtschaftsleben bezogenen Grundrechte und Grundfreiheiten, wie Eigentum und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit, im Vordergrund (vgl. Nold, RS 4/73, a.a.O., Hauer, Urteil vom 13. Dezember 1979, RS 44/79, Slg. 1979, S.3727; Agricola Commerciale und SAVMA, Urteile vom 27. November 1984, RS 232/81 und 264/81, Slg. 1984, S.3881, 3915). Er hat darüber hinaus auch andere Grundrechte, wie die Vereinigungsfreiheit, den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und das Willkürverbot, die Religionsfreiheit oder den Schutz der Familie als Prüfungsmaßstäbe herangezogen (vgl. Gewerkschaftsbund Europäischer öffentlicher Dienst, Urteil vom 8. Oktober 1974, RS 175/73, Slg. 1974, S.917; Ruckdeschel u.a., Urteil vom 19. Oktober 1977, RS 117/76 und 16/77, Slg. 1977, S.1753; BIOVILAC, Urteil vom 6. Dezember 1984, RS 59/83, Slg. 1984, S.4057; FINSIDER, Urteil vom 15. Januar 1985, RS 250/83, Slg. 1985, S.142; Kupferberg II, Urteil vom 15. Januar 1985, RS 253/83, Slg. 1985, S.166; Samara, Urteil vom 15. Januar 1985, RS 266/83, Slg. 1985, S.196; Michel, Urteil vom 29. Januar 1985, RS 273/83, Slg. 1985, S.354; Defrenne III, Urteil vom 15. Juni 1978, RS 149/77, Slg. 1978, S.1365; Prais, Urteil vom 27. Oktober 1976, RS 130/75, Slg. 1976, S.1589; Diatta, Urteil vom 13. Februar 1985, RS 267/83 = EuGRZ 1985, S.145).
Der Gerichtshof hat die rechtsstaatlichen Grundsätze des Übermaßverbots und der Verhältnismäßigkeit als allgemeine Rechtsgrundsätze bei der Abwägung zwischen den Gemeinwohlzielen der Gemeinschaftsrechtsordnung und der Wesensgehaltsgarantie der Grundrechte generell anerkannt und in ständiger Rechtsprechung gehandhabt (vgl. aus neuerer Zeit z.B. die Entscheidungen in den Fällen Internationale Handelsgesellschaft, a.a.O., S.1137; Hauer, a.a.O.; Testa u.a., Urteil vom 19. August 1980, RS 41/79, 121/79 und 796/79, Slg. 1980, S.1979 [1997]; National Panasonic, Urteil vom 26. Juni 1980, RS 136/79, Slg. 1980, S.2033 [2059 f.]; Heijn, Urteil vom 19. September 1984, RS 94/83, Slg. 1984, S.3263; Fearon, Urteil vom 6. November 1984, RS 182/83, Slg. 1984, S.3677; Altöle, Urteil vom 7. Februar 1985, RS 240/83; vgl. dazu M. Hilf, EuGRZ 1985, S.647 [649]). Er hat das Rückwirkungsverbot als Ausfluß des Grundsatzes der Rechtssicherheit sowie das Verbot der Doppelbestrafung anerkannt (vgl. Racke, Urteil vom 25. Januar 1979, RS 98/78, Slg. 1979, S.69 [86]; Regina ./. Kent Kirk, Urteil vom 10. Juli 1984, RS 63/83, Slg. 1984, S.2689; Boehringer, Urteil vom 14. Dezember 1972, RS 7/72, Slg. 1972, S.1281 [1290]), desgleichen die rechtsstaatliche Pflicht zur Begründung von Einzelentscheidungen (vgl. Intermills, Urteil vom 14. November 1984, RS 323/82, Slg. 1984, S.3809; Niederlande ./. Kommission, Urteil vom 13. März 1985, RS 296 und 318/82; vgl. dazu M. Hilf, EuGRZ 1985, S.647 [650]). Im Falle Johnston ./. The Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary (Urteil vom 15. Mai 1986, RS 222/84, Rdnr.17 ff.) hat der Gerichtshof unter Rückgriff auf die allen Mitgliedsstaaten gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen und auf Art.13 der Europäischen Menschenrechtskonvention den Anspruch auf wirkungsvollen Gerichtsschutz zur Wahrung von personenbezogenen Rechten als Bestandteil der Grundrechtsverbürgungen des Gemeinschaftsrechts qualifiziert. Das Gebot des rechtlichen Gehörs hat er als wesentliches Erfordernis eines fairen Verfahrens erachtet (vgl. Pecastaing, Urteil vom 5. März 1980, RS 98/79, Slg. 1980, S.691 ff.; National Panasonic, Urteil vom 26. Juni 1980, RS 136/79, Slg. 1980, S.2033 [2058]).
Zur gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung des Inhalts und der Reichweite von Grundrechten hat der Gerichtshof auch auf die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle zurückgegriffen (vgl. Rutili, Urteil vom 28. Oktober 1975, RS 36/75, Slg. 1975, S.1219 [1232]; Johnston ./. The Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary, a.a.O., Rdnr.17 ff.).
bb) Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission der Gemeinschaft haben am 5. April 1977 folgende Gemeinsame Erklärung verabschiedet (EG ABl. Nr.C 103/1 vom 27. April 1977):
Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission - in Erwägung nachstehender Gründe: Die Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften beruhen auf dem Grundsatz der Achtung des Rechts. Dieses Recht umfaßt, wie vom Gerichtshof anerkannt wurde, außer den Vorschriften der Verträge und des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere die Grundrechte, Prinzipien und Rechte, die die Grundlage des Verfassungsrechts der Mitgliedstaaten bilden. Insbesondere sind alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - haben folgende Erklärung verabschiedet: 1. Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission unterstreichen die vorrangige Bedeutung, die sie der Achtung der Grundrechte beimessen, wie sie insbesondere aus den Verfassungen der Mitgliedstaaten sowie aus der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten hervorgehen. 2. Bei der Ausübung ihrer Befugnisse und bei der Verfolgung der Ziele der Europäischen Gemeinschaften beachten sie diese Rechte und werden dies auch in Zukunft tun. |
English translation in: Decision of the Bundesverfassungsgericht - Federal Constitutional Court - Federal Republic of Germany, Volume 1/Part II (1992), pp. 613-633.