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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


1841. FREIER WARENVERKEHR

Nr.93/1

[a] Aus dem deutsch-italienischen Abkommen über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen vom 23.7.1963 (BGBl.1965 II S.157) kann ein Verbot der Verwendung der Bezeichnung "Mozzarella" für nicht in Italien hergestellten Weichkäse nur in den Grenzen des Art.36 EWG-Vertrag abgeleitet werden.

[b] Genießt die Bezeichnung "Mozzarella" in Italien keinen Schutz als gewerbliches Eigentum im Sinne von Art.36 EWG-Vertrag, sondern wird als bloße Gattungsbezeichnung angesehen, verstößt ein Verwendungsverbot in Deutschland gegen Art.30 EWG-Vertrag.

[a] A prohibition of the use of the designation "Mozzarella" for soft cheese not produced in Italy can be derived from the German-Italian Agreement on the Protection of Indications of Provenance, Designations of Origin and other Geographical Designations of 23 July 1963 (Federal Law Gazette 1965 Part II p.157) only within the limits of Art.36 of the EEC Treaty.

[b] If in Italy the designation "Mozzarella" does not enjoy protec-tion as industrial property in the sense of Art.36 of the EEC Treaty but is only considered as a generic label, a prohibition to use the designation in Germany violates Art.30 of the EEC Treaty.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.12.1993 (I ZR 277/91), NJW-RR 1994, 619ff. (ZaöRV 55 [1995], 881)

Einleitung:

      Die Beklagte, ein deutsches Unternehmen, wurde darauf in Anspruch genommen, den Vertrieb eines Käseprodukts unter der Bezeichnung "Typ Mozzarella" zu unterlassen, das - wie sich aus dem Verpackungsaufdruck ergab - in Deutschland hergestellt worden war. Der klagende Verband sah in dieser Bezeichnung einen Verstoß gegen das deutsch-italienische Abkommen über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen vom 23.7.1963 (BGBl.1965 II S.157).

Entscheidungsauszüge:

      III.1. Der von der Klägerin in Anspruch genommene und vom Berufungsgericht gewährte Bezeichnungsschutz für die in Anlage B zum deutsch-italienischen Abkommen aufgeführte Käsebezeichnung "Mozzarella" wird durch die zwischenzeitlich (24.7.1993) in Kraft getretene Verordnung (EWG) Nr.2081/92 des Rates vom 14.7.1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABIEG Nr.L 208 ..., S.1 ...) nicht in Frage gestellt. Nach Art.17 Abs.1 Verordnung (EWG) Nr.2081/92 ist es den Mitgliedstaaten freigestellt, ob sie die bestehenden Bezeichnungen für den Schutz auf Gemeinschaftsebene melden wollen. Wird der gemeinschaftsrechtlichen Schutz nach der Verordnung ... nicht beansprucht, bleibt der nationale und damit auch der über bilaterale Abkommen zu geographischen Herkunftsangaben gewährte Schutz bestehen ... Für die Beurteilung des Streitfalls ist es deshalb unerheblich, ob ... die Italienische Republik davon abgesehen hat, die Bezeichnung "Mozzarella" als Ursprungsangabe oder als geographische Angabe im Sinne des Art.2 Abs.2 lit.a, b Verordnung (EWG) Nr.2081/92 gemäß deren Art.5 Abs.5 zur Eintragung zu übermitteln.
      2. Die Revision stellt nicht in Abrede, daß bei der Anwendung des deutsch-italienischen Abkommens gemäß dessen Art.3 i.V. mit Anlage B die beanstandete Bezeichnung "Mozzarella" ausschließlich zur Bezeichnung italienischer Käseerzeugnisse geschützt ist und deren Verwendung für in Deutschland hergestellten Weichkäse auch mit dem von der Beklagten verwendeten Zusatz "Typ" verboten ist (Art.4 Abs.2 des Abkommens). ...
      IV. Die Zubilligung des Schutzes des deutsch-italienischen Abkommens für die Bezeichnung "Mozzarella" scheitert im Streitfalle jedoch an höherrangigem EG-Gemeinschaftsrecht, wenn die Käsebezeichnung "Mozzarella" ... in Italien als Gattungsbezeichnung ohne rechtlichen Schutz, beispielsweise gegenüber ihrer Verwendung für aus anderen Ländern importierten Weichkäse, mit denen kein entsprechendes bilaterales Abkommen besteht, benutzt wird.
      Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Streitfall weise keinen EG-rechtlichen Bezug auf, weshalb die Anwendung des Art.30 EWGV auf das aus dem bilateralen Abkommen abzuleitende Verbot der Verwendung der Bezeichnung "Mozzarella" für im Inland hergestellten Käse ausscheide.
      1. Der Anwendung des EWG-Vertragsrechts steht nicht entgegen, daß im Streitfall das mit der Klage erstrebte Verbot seine Grundlage in einer völkerrechtlichen Vereinbarung der Bundesrepublik Deutschland mit der Italienischen Republik hat. Nach Art.234 EWGV sind nur solche Rechte und Pflichten aus internationalen Übereinkommen den Normen des EWG-Vertrags nicht unterworfen, welche vor seinem Inkrafttreten mit Drittstaaten geschlossen worden sind. Diese Ausnahmeregelung erfaßt das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Italien am 23.7.1963 geschlossene Abkommen nicht. Art.30 EWGV kann sonach der Anwendung eines zweiseitigen Abkommens zwischen Mitgliedstaaten entgegenstehen, wenn von diesem handelsbeschränkende Wirkungen ausgehen (EuGH, EuZW 1993, 66 ...).
      2. Entgegen der Beurteilung durch das Berufungsgericht berührt ein auf der Grundlage des deutsch-italienischen Abkommens ausgesprochenes Verbot der Verwendung der Bezeichnung "Mozzarella" für einen außerhalb der Italienischen Republik hergestellten Weichkäse den EG-zwischenstaatlichen Handel.
      a) Die Frage, ob das erstrebte Verkehrsverbot im Inland von Weichkäse unter der Bezeichnung "Mozzarella", der nicht in Italien hergestellt ist, den EG-zwischenstaatlichen Handel berührt, ist ... nicht allein danach zu beantworten, ob die von dem Verbot betroffene Partei EG-zwischenstaatlichen Handel betreibt. Das in Art.30 EWGV ausgesprochene Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen, zu welchen auch das Verbot der Verwendung von Bezeichnungen für Waren rechnet, erfaßt jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die nicht nur unmittelbar und tatsächlich, sondern auch mittelbar und potentiell den innergemeinschaftlichen Warenverkehr behindert ..., soweit es sich nicht lediglich um eine Verkaufsmodalität hinsichtlich der Handelsware handelt, zu welcher das Verbot ihrer Benennung nicht rechnet ...
      b) Für die Feststellung der handelsbeschränkenden Wirkung des angewandten Verbots genügt die nicht fernliegende Möglichkeit, daß dieses Verbot es einem Unternehmen aus einem dritten Mitgliedstaat verwehrt, das Erzeugnis unter der von dem Abkommen geschützten Bezeichnung in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen ... Die Beklagte hat ... unwidersprochen vorgetragen, daß in Belgien und Dänemark dort hergestellter Weichkäse unbeanstandet unter der Bezeichnung "Mozzarella" vertrieben und teilweise in die Bundesrepublik Deutschland importiert wird. Bei Anwendung des deutsch-italienischen Abkommens stünde der Einfuhr dieser Ware in die Bundesrepublik Deutschland das Verbot der Verwendung der Bezeichnung "Mozzarella" entgegen, woraus sich die Beeinträchtigung des EG-zwischenstaatlichen Handels im Sinne des Art.30 EWGV ergibt.
      3. Das aus dem deutsch-italienischen Abkommen folgende Verbot der Verwendung der Bezeichnung "Mozzarella" für nicht in Italien hergestellten Weichkäse kann sonach als eine den EG-zwischenstaatlichen Handel beschränkende Maßnahme nur ausgesprochen werden, wenn es hierfür rechtfertigende Gründe im Sinne des Art.36 EWGV gibt. Ein solcher rechtfertigender Grund des gewerblichen Eigentums im Sinne des Art.36 EWGV ist dann anzunehmen, wenn es sich bei der angegriffenen Bezeichnung "Mozzarella" um eine in Italien geschützte geographische Herkunftsangabe handelt, ohne daß es hierbei des zusätzlichen Erfordernisses bedürfte, daß der so bezeichnete Käse seinem Herkunftsgebiet eine besondere geschmackliche Eigenschaft verdankte. Schon solche Bezeichnungen, die sich bei den Verbrauchern einer hohen Wertschätzung erfreuen und für die Erzeuger, die in dem jeweiligen Gebiet ansässig sind, ein wesentliches Mittel zur Schaffung und Erhaltung des Kundenstammes darstellen, unterfallen dem Schutz des gewerblichen Eigentums im Sinne des Art.36 EWGV (EuGH, EuZW 1993, 66 ...).
      4. Erweist es sich aber, daß die Bezeichnung "Mozzarella" im Ursprungsland Italien keinen Schutz genießt, sondern eine Gattungsbezeichnung ist oder sich dazu entwickelt hat, fehlt es an einem rechtfertigenden Grund im Sinne des Art.36 EWGV ... Da das Berufungsgericht zu der von der Beklagten behaupteten Eigenschaft der Bezeichnung "Mozzarella" als Gattungsbezeichnung in Italien keine Feststellungen getroffen hat, ist der Rechtsstreit zur Aufklärung dieser Frage an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.