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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


481. ANERKENNUNG AUSLÄNDISCHER GERICHTSENTSCHEIDUNGEN

Nr.87/2

[a] Die lex fori des ausländischen Gerichts entscheidet über den Eintritt der Rechtshängigkeit im dortigen Jurisdiktionsbereich.

[b] Das autonome Anerkennungsrecht der Bundesrepublik Deutschland in bezug auf ausländische Gerichtsurteile gilt im Verhältnis zu einem völkerrechtlichen Anerkennungsabkommen subsidiär, wenn es anerkennungsfreudiger ist.

[a] The lex fori of the foreign court regulates the occurrence of litispendence within the foreign jurisdiction.

[b] The autonomous German legal rules of recognition of foreign court decisions take precedence over the rules of an international treaty concerning recognition, if they make recognition more easily possible.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.3.1987 (IVb ZR 24/86), MDR 1987, 747 (ZaöRV 48 [1988], 725)

Entscheidungsauszüge:

      Die Rechtshängigkeit vor einem ausländischen Gericht steht nach der ständigen Rechtsprechung des BGH der Rechtshängigkeit vor einem inländischen Gericht gleich, wenn das ausländische Urteil hier anzuerkennen sein wird ... Ob und wann Rechtshängigkeit im Ausland eingetreten ist, ist nach der lex fori des ausländischen Gerichts zu beurteilen ... Zum einen wird auf diese Weise am ehesten erreicht, daß die Frage, bei welchem Gericht die Sache zuerst rechtshängig geworden ist, von beiden Gerichten gleich beantwortet wird, wie es im Interesse des internationalen Entscheidungsgleichklangs wünschenswert ist. Zum anderen ist die Beurteilung nach dem Recht des jeweiligen Auslandsgerichts nach dem Zweck der sog. Rechtshängigkeitseinrede geboten. Sie dient dem Ziel, die Partei vor der Belästigung durch einen zweiten Prozeß zu bewahren und widersprechende Gerichtsentscheidungen zu vermeiden. Unter beiden Gesichtspunkten verbietet sich das Ingangkommen einer gerichtlichen Sachprüfung, wenn in der nämlichen Angelegenheit vor einem anderen Gericht nach dem für dieses geltenden Prozeßrecht bereits das Stadium der Rechtshängigkeit erreicht ist. ...
      Die Entscheidung des Schweizer Gerichts wird, wie die Beachtlichkeit der dortigen Rechtshängigkeit letztlich voraussetzt, in der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen sein. Dies ist in erster Linie nach den Bestimmungen des deutsch-schweizerischen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 2.11.1929 (RGBl. 1930 II S.1066) zu beurteilen. Das autonome Anerkennungsrecht greift aber auffangweise ein, wenn es sich im Vergleich zu dem Abkommensrecht nach Lage des Falles als anerkennungsfreudiger erweist. Der Staat wird durch ein völkerrechtliches Abkommen nicht daran gehindert, die Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen innerstaatlich über das Abkommen hinaus zuzulassen. Ob dies so sein soll, ist eine Frage der Auslegung des Vertrages bzw. des Zustimmungsgesetzes sowie des autonomen - etwa späteren - Anerkennungsrechts. Sie ist im Zweifel dahin zu beantworten, daß das autonome Anerkennungsrecht, sofern es im Einzelfall die Anerkennung über den Staatsvertrag hinaus zuläßt, anwendbar bleibt; denn Sinn und Zweck der entsprechenden Staatsverträge ist durchweg die Erleichterung, nicht aber, gemessen an der Rechtslage ohne den Vertrag, die Erschwerung der Anerkennung und Vollstreckung der Gerichtsentscheidungen des jeweils anderen Staates. So liegt es auch im Verhältnis zur Schweiz. Soweit das deutsch-schweizerische Abkommen etwa in Art.4 Einschränkungen von dem Grundsatz der wechselseitigen Anerkennung von Urteilen des anderen Staates enthält, sollte damit sichergestellt werden, daß die Anerkennung in dieser Hinsicht unter den nämlichen Bedingungen wie nach dem autonomen Anerkennungsrecht erfolgen sollte. An eine Verdrängung des autonomen Anerkennungsrechts auch für den Fall, daß es die Anerkennung über das Abkommen hinaus ermöglichen würde, war ersichtlich nicht gedacht.