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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


490. TERRITORIALITÄTSGRUNDSATZ BEI AUSÜBUNG DER STAATSGEWALT

Nr.87/2

Es gibt keine allgemeine Regel des Völkerrechts, die der Bundesrepublik Deutschland verbietet, für Anschaffungsgeschäfte von Wertpapieren durch einen Inländer im Ausland Börsenumsatzsteuer zu erheben.

There is no general rule of public international law barring the Federal Republic of Germany from imposing a stock exchange turnover tax on the overseas purchase of securities by a resident.

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 14.8.1987 (II 306/85), EFG 1988, 39 (ZaöRV 48 [1988], 724)

Einleitung:

      Der Kläger unterhielt Wertdepots bei schweizerischen und nordamerikanischen Banken. Er kaufte für diese Depots Wertpapiere und verkaufte sie wieder. Gegen die Heranziehung zur Börsenumsatzsteuer für diese Geschäfte richtet sich seine auf Art.25 GG gestützte Klage, die erfolglos blieb.

Entscheidungsauszüge:

      Gemäß Art.25 GG sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts; sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets. Der Kl. hat nun nicht näher dargelegt, welche allgemeine Regel des Völkerrechts die Besteuerung seiner in der Schweiz und in den USA abgeschlossenen Anschaffungsgeschäfte verbietet. Das "völkerrechtliche Territorialitätsprinzip" ... ist als solches keine allgemeine Regel des Völkerrechts. Es bedarf der Ausprägung, um im Einzelfall daraufhin überprüft werden zu können, ob eine allgemeine Regel des Völkerrechts vorliegt. Wenn der Senat den Kl. richtig versteht, so meint er wohl, daß das Völkerrecht in einer allgemeinen Regel besagt, daß ein Staat ein An- oder Verkaufsgeschäft über Wertpapiere, das ein in diesem Staat Ansässiger außerhalb des Hoheitsgebiets dieses Staates abschließt, nicht einer (Verkehr-)Steuer unterwerfen darf, oder daß sich dieses zumindest aus einer allgemeinen Regel des Völkerrechts herleiten ließe. Der Senat kann das Bestehen einer solchen allgemeinen Regel des Völkerrechts oder einer anderen allgemeinen Regel, aus der sich die vorstehende Regel ableiten ließe, nicht feststellen.
      Es geht hier nicht um die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland durch die vom Kl. beanstandete Besteuerung der Auslandsgeschäfte ... in die territoriale Souveränität und/oder Gebietshoheit anderer Staaten eingreift. Durch die die Auslandsgeschäfte betreffende Regelung des § 17 Abs.1 KVStG nimmt die Bundesrepublik keine Hoheitsakte in einem anderen Staatsgebiet vor. Hier geht es vielmehr um die Frage, ob ein Staat durch seine Rechtsordnung nur inländische Sachverhalte oder auch Sachverhalte mit Auslandsberührung regeln darf und wo ggf. die Schranken seiner Regelungsbefugnis liegen. Insoweit ist nun anerkannt, daß die sachliche Regelungsbefugnis der Staaten sich keineswegs auf den Bereich ihrer Gebietshoheit beschränkt. Allerdings setzt die Freiheit der Staaten, Sachverhalte zu regeln, die sich außerhalb der eigenen Gebietshoheit ereignen, voraus, daß zwischen dem normierenden Staat und dem normierten Sachverhalt eine sinnvolle Anknüpfung besteht [Lotus-Fall des Ständigen IGH] ... Dies gilt auch für die Auferlegung von Abgaben, die an einen Sachverhalt anknüpfen, der ganz oder teilweise im Ausland verwirklicht worden ist. Es müssen hinreichende sachgerechte Anknüpfungsmomente vorliegen, wenn die Regelung nicht als eine völkerrechtswidrige Einmischung in den Hoheitsbereich eines anderen Staates angesehen werden soll (... BVerfGE 63, 343). Die Anknüpfungsmomente und ihre Sachnähe müssen einem Mindestmaß an Einsichtigkeit genügen. So sind der rechtlichen Möglichkeit, Ausländer zu Abgaben heranzuziehen, durch das Erfordernis der Anknüpfung etwa an die Staatsangehörigkeit, Niederlassung oder Wohnsitz im Inland oder Herbeiführung eines abgabenrechtlich erheblichen Erfolgs im Inland vom Völkerrecht her Grenzen gesetzt (BVerfGE 63, 369...). Diesen völkerrechtlichen Anforderungen genügt § 17 Abs.1 KVStG, indem er für die Besteuerung von im Ausland abgeschlossenen Anschaffungsgeschäften - wenigstens - die Beteiligung eines Inländers, also einer Person, die im Inland ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt, eine gewerbliche Niederlassung oder eine ständige Vertretung hat, vorsieht. Dadurch wird eine hinreichende, sachgerechte Anknüpfung hergestellt, die den derzeitigen völkerrechtlichen Anforderungen genügt. Daß eine besonders enge Verknüpfung des Auslandssachverhalts zu dem Gebiet des Staates bestehen muß, der den Sachverhalt einer abgabenrechtlichen Regelung unterwirft, ist nicht erforderlich. Dadurch, daß die Steuerschuld einem Inländer, also einem im Staatsgebiet Ansässigen auferlegt wird, besteht aber schon eine recht enge Verknüpfung an dieses Gebiet.
      ... Es gibt keine allgemeine Regel des Völkerrechts, die eine Doppelbesteuerung verbieten würde ... Daher bedarf es keiner Prüfung, ob die Anschaffungsgeschäfte in der Schweiz oder in den USA einer der BUSt vergleichbaren Steuer unterworfen waren.
      Es bestehen somit keine ernstzunehmenden Zweifel (... BVerfGE 23, 289) daran, daß es keine allgemeine Regel des Völkerrechts gibt, aus der abzuleiten wäre, daß die Bundesrepublik Deutschland für An- und Verkäufe von Wertpapieren durch einen Inländer im Ausland BUSt nicht erheben dürfte. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art.100 Abs.2 GG ist somit entbehrlich.

Hinweis:

      Der BFH hat die Revision durch einstimmigen Beschluß vom 31.7.1990 (I R 153/87) ohne Begründung als unbegründet zurückgewiesen.