Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law Logo Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law

You are here: Publications Archive Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993

Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


Home | Inhalt | Zurück | Vor

Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


500. ORGANE DES DIPLOMATISCHEN UND KONSULARISCHEN VERKEHRS

Nr.86/2

[a] Die nach Art.43 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen bestehende Immunität steht der förmlichen Zustellung einer Klage und der Anberaumung eines Termins zur abgesonderten Verhandlung über die Frage der Amtsimmunität nicht entgegen.

[b] Es ist zu vermuten, daß Konsularbeamte Verträge, die den außenwirtschaftlichen Belangen eines Landes dienen, in Wahrnehmung ihrer konsularischen Aufgaben eingehen.

[a] The immunity conferred under Art.43 of the Vienna Convention on Consular Relations does not preclude service of a notice of legal action nor the setting of a date for a hearing for the particular purpose of establishing whether or not immunity is rightly claimed.

[b] It will be presumed that consular officers who enter into contracts serving the foreign trade interests of their state do so in the exercise of their consular functions.

Landgericht Hamburg, Urteil vom 10.4.1986 (2 O 189/85), NJW 1986, 3034 (ZaöRV 48 [1988], 51) (rechtskräftig)

Einleitung:

      Der Kläger begehrt von dem Beklagten Zahlung einer Provision für Holzgeschäftsabschlüsse. Der Kläger ist Kaufmann, der Beklagte ist als Generalkonsul und außerdem als Generalagent der staatlichen Holzexportfirma seines Heimatstaats tätig. Das Landgericht wies die Zahlungsklage als unzulässig ab.

Entscheidungsauszüge:

      I. Die Klage ist unzulässig. Nach freier Überzeugungsfindung des Gerichts im abgesonderten Verfahren (1) hat sich ergeben, daß der Bekl. gem. §19 GVG von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit ist (2) und auf diese Befreiung auch nicht verzichtet hat (3).
      1. Im vorliegenden Fall haben sich konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit aus der Generalkonsulfunktion des Bekl. von vornherein ergeben; es ist deshalb in einem von der Hauptsache gesonderten Verfahren von Amts wegen zunächst darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen einer Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit gem. §19 GVG nach Maßgabe des Art.43 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963 - WüK - (BGBl. 1969 II, 1585 ff.) (Immunität) vorliegen.
      Um die Souveränität des Entsendestaates nicht zu tangieren, gleichzeitig aber zu einer begründbaren Entscheidung über die Immunität zu gelangen, ist zwar durch das deutsche Gericht grundsätzlich von jeglichen gerichtlichen Handlungen gegenüber möglichen gerichtsfreien Beklagten abzusehen ... Jedoch ist die Klage diesen Personen zuzustellen und ein Termin zur abgesonderten Verhandlung über die Frage der Immunität anzuberaumen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nach Aktenlage über die Immunität nicht entschieden werden kann ...
      Allerdings wird in der Literatur vielfach angenommen, schon die Klagzustellung und die Terminanberaumung seien unzulässig. Es kann aber im Interesse der nach §19 GVG und Art.43 WüK für die Rechtsfindung erforderlichen Aufklärung sowie wegen der komplexen Voraussetzungen des §19 GVG i.V. mit Art.43 WüK auf diese Maßnahmen nach Auffassung der Kammer nicht verzichtet werden. Erst die Klagzustellung gibt der möglichen gerichtsfreien Person Kenntnis von der Klage und damit die Möglichkeit, auf die Befreiung u.U. zu verzichten. Die Terminsanberaumung, über die die mögliche gerichtsfreie Person mit der Anempfehlung des Erscheinens zu informieren ist, gibt den Parteien die weitere Möglichkeit, in der einen oder anderen Richtung bezüglich der Gerichtsfreiheit vorzutragen und Beweise anzutreten. Ein solches Verfahren befreit wegen seiner Öffentlichkeit das Gericht von vornherein zudem von einem möglichen Vorwurf der Befangenheit (der leicht entstände, wenn das Gericht ohne mündliche Verhandlung bei der eventuell gerichtsfreien Person um Auskünfte bezüglich der möglichen Immunität nachsuchen würde). Die Aufklärung der Voraussetzungen der Gerichtsfreiheit ist dem Freibeweisverfahren auch zugänglich; dies ist zudem geboten, um die eventuell gerichtsfreie Person von prozessualen Lasten möglichst weitgehend freizuhalten. Auch belastet das eingeschlagene Verfahren die Souveränität des Entsendestaates nicht und hält sich in den Grenzen, die auch nach den Anforderungen des Rundschreibens des BMI vom 14.3.1975 (GMBl 1975, 337 ff., 340) durch eine vernünftige Kooperation gesetzt werden.
      2. Nach §19 GVG i.V. mit Art.43 WüK genießen Konsularbeamte Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit für alle Handlungen in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben (Amtsimmunität). Dies gilt nach Art.43 Abs.2a WüK nicht, wenn bei einer zivilrechtlichen Inanspruchnahme aus Vertrag bei Vertragsschluß nicht erkennbar war, daß die gerichtsfreie Person im Auftrage des Entsendestaates handelte. Es kann dahingestellt bleiben, ob der vom Kl. behauptete Vermittlungsvertrag mit Provisionsabrede überhaupt abgeschlossen worden ist, der Bekl. also überhaupt i.S. der Inanspruchnahme gegenüber dem Kl. gehandelt hat (a); jedenfalls wäre der Vertrag im Rahmen der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben i.S. von Art.43 Abs.1 WüK abgeschlossen worden (b); dies wäre auch erkennbar i.S. von Art.43 Abs.2a WüK gewesen (c).
      a) Ein Handeln, das unter Art.43 WüK fallen könnte, wäre nach dem Vorbringen des Kl. der Abschluß eines Vermittlungsvertrages mit Provisionsabrede. Der Abschluß eines solchen Vertrages ist zwischen den Parteien streitig ...
      b) Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob der Vermittlungsvertrag tatsächlich zustande gekommen ist; nach der Beweisaufnahme hat sich bestätigt, daß ein Vermittlungsvertrag jedenfalls durch den Bekl. in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben i.S. von Art.43 Abs.1 WüK abgeschlossen worden wäre.
      Ein Handeln in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben ist geben, wenn ein innerer und äußerer Zusammenhang zwischen dem Handeln und der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben besteht. Das Vorliegen der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben i.S. des Art.43 Abs.1 WüK bestimmt sich nach Art.5 WüK. Art.5 lit.b WüK zählt u.a. auch die Förderung der Entwicklung kommerzieller und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen dem Entsendestaat und dem Empfangsstaat zu den konsularischen Aufgaben. Die kommerziellen Aufgaben sind damit als Kernbereich der Konsulartätigkeit im allgemeinen Rahmen anzusehen ... Die Mitwirkung auf dem Gebiet der außenwirtschaftlichen Beziehungen wird deshalb auch nach §1 Konsulargesetz (BGBl. 1974 I S.2317 ff.) zu den konsularischen Aufgaben gezählt. Etwaige auftretende Kollisionen mit den Aufgaben anderer Mitglieder des jeweiligen diplomatischen Korps sind für die Bestimmung der Aufgaben der Konsuln unschädlich ... Wegen Art.5 WüK ist daher für den Fall des Abschlusses von Vermittlungsverträgen mit kommerziellem Inhalt, die den außenwirtschaftlichen Belangen dienen sollen, nach allem zu vermuten, daß der Abschluß solcher Verträge in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben erfolgt ist. Denn bei dem Abschluß eines Vermittlungsvertrages, der die Akquisition neuer Kunden für staatliche Exportfirmen zum Inhalt hat, werden unstreitig die kommerziellen und wirtschaftlichen Beziehungen des Entsendestaates unmittelbar entsprechend Art.5 lit.b WüK gefördert.
      Selbst nach dem Vortrag des Kl. besteht ein Zusammenhang zwischen dem in Deutschland angeblich abgeschlossenen Vermittlungsvertrag und der wirtschaftlichen Förderung des Entsendestaates, dem der Bekl. angehört. Der Vertrag soll sich auf die Akquisition für Gesamteuropa, also einschließlich der Bundesrepublik, erstreckt haben. Wenn die Wahrnehmung dieser konsularischen Aufgaben nicht rein hoheitlich gewesen, sondern privatwirtschaftlich gestaltet worden sein sollte, wie der Kl. behauptet, wäre das in diesem Zusammenhang irrelevant.
      Die Form der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben ist auch unter Berücksichtigung eines gewissen politischen Ermessens des jeweiligen Entsendestaates, den Umfang der konsularischen Aufgaben im Rahmen des Art.5 lit.b WüK selbst zu definieren, zu beurteilen. Dies folgt aus der Konkretisierung des Art.43 Abs.1 WüK in Art.43 Abs.2a WüK, durch die die "Wahrnehmung konsularischer Aufgaben" sinnbezogen mit "dem Handeln im Auftrage des Entsendestaates" in Zusammenhang gebracht wird. Von einem Handeln in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben kann deshalb immer dann gesprochen werden, wenn überhaupt ein grundsätzliches die Belange und Interessen eines Staates förderndes Moment dem inneren und äußeren Zusammenhang einer Handlung entnommen werden kann. Auf die Ausgestaltung der Handlung ihrer Rechtsform nach kommt es insoweit nicht an, solange der Rahmen des Art.5 WüK gewahrt bleibt. Schon jede Vermittlungstätigkeit ist daher nach Auffassung der Kammer im außenwirtschaftlichen Bereich eine Wahrnehmung konsularischer Aufgaben. Besonders gilt dies für die Vermittlung von Geschäften an staatliche Unternehmen des Entsendestaates. Das Abschließen von weiteren Vermittlungsverträgen dient diesem Zweck ebenso, wie die Aufgabe als Generalagent selbst. Dieser Sinnzusammenhang ist nach dem Beweisergebnis gegeben; es ist daher zu vermuten, daß der vom Kl. behauptete Vermittlungsauftrag im Zusammenhang mit der konsularischen Tätigkeit des Bekl. steht.
      Insbesondere aus der von der staatlichen Stelle ausgestellten und vom Bekl. vorgelegten Bescheinigung, nach der konsularische Aufgabe auch die Vertretung staatlicher Firmen im Ausland ist, ergibt sich dieser Zusammenhang. Insoweit hat der Staat von seinem Ermessen der konkreten Ausgestaltung konsularischer Aufgaben offensichtlich Gebrauch gemacht.
      c) Der behauptete Vermittlungsvertrag mit Provisionsabrede wäre zudem auch für den Kl. zumindest erkennbar im Rahmen einer konsularischen Tätigkeit abgeschlossen worden (Art.43 Abs.2a WüK). Die Wendung dieser Norm, im Auftrage des Entsendestaates zu handeln, meint nur die Wahrnehmung konsularischer Aufgaben gem. Art.43 Abs.1 WüK. Für die Erkennbarkeit kommt es dabei nur auf das mögliche, nicht auf das aktuelle Erkennen an. Alle Zeugenaussagen unterstellen konkludent, daß die Firma, für die der Bekl. arbeitet, den Charakter eines staatlichen Unternehmens hat. Auch die Zeugen des Kl. verweisen auf den Charakter der Firma als "staatliche Ausfuhrbehörde" und als "Holzexportorganisation seines (des Bekl.) Landes". Schließlich wurden die Akquisitionsschreiben ... unstreitig auf Konsulatsbögen fotokopiert; das hat dem Vertrag den privaten Anschein jedenfalls im nachhinein genommen. Der Kl. hat dies auch offensichtlich in keiner Weise moniert und für selbstverständlich gehalten. Wäre er tatsächlich von einer Privatverpflichtung des Bekl. ausgegangen, hätte er sich spätestens zu diesem Zeitpunkt darüber Klarheit verschafft, wer der wahre Schuldner seiner behaupteten Provisionsforderungen ist. Insgesamt mußte der Kl. - unterstellt, der von ihm behauptete Vertrag sei abgeschlossen worden - davon ausgehen, daß dieser in Ausübung konsularischer Tätigkeit zustande gekommen ist.
      3. Schließlich hat der Bekl. unstreitig auch nicht auf die Immunität verzichtet. Weder ist generell auf die Immunität durch den Staat verzichtet worden, noch ergibt sich ein Verzicht aus dem Einlassen in diesem Verfahren.