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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1993


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Christiane E. Philipp


VI. Asylrecht

3. Inländische Fluchtalternative

       38. In dem bereits unter laufender Nummer [34] besprochenen Urteil entschied das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die inländische Fluchtalternative, daß lediglich die Nord- und Ostprovinz Sri Lankas hinreichenden Schutz vor politischer Verfolgung biete. Dem Kläger sei es aber nicht möglich, sich der drohenden politischen Verfolgung durch die srilankischen Sicherheitskräfte dadurch zu entziehen, daß er sich in diesen von der LTTE beherrschten Gebieten niederlasse. Diese Zonen seien vielmehr für ihn unerreichbar, weil nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichtes die Zugangswege, die aus den übrigen Teilen Sri Lankas dorthin führten, durch Regierungstruppen gesperrt seien. Eine im Heimatstaat vorhandene verfolgungsfreie Zone sei aber für den von regionaler Verfolgung Betroffenen nur dann eine inländische Fluchtalternative im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn sie auch tatsächlich erreichbar sei. Das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative verhindere, daß der von regionaler politischer Verfolgung Bedrohte landesweit in eine ausweglose Lage gerate, ermögliche es ihm vielmehr, im eigenen Land verfolgungsfrei zu leben, so daß er ausländischen Schutzes nicht bedürfe. Sei der Ort der inländischen Fluchtalternative aber für den regional Verfolgten tatsächlich unerreichbar, bestehe die Möglichkeit, durch ein Ausweichen in verfolgungsfreie Zonen der regionalen Verfolgung zu entgehen, gerade nicht. Der Bedrohte sei, trotz des nur regionalen Charakters der Verfolgung, auf ausländischen Schutz angewiesen.

       39. In seinem Urteil vom 14.12.1993 (9C 45.92 = DVBl. 1994, 524 ff.) führte das Bundesverwaltungsgericht aus, daß trotz grundsätzlich gebotener generalisierender Betrachtungsweise im Rahmen der inländischen Fluchtalternative auch individuelle Umstände Berücksichtigung finden können. So könne eine inländische Fluchtalternative beispielsweise zu verneinen sein, wenn für den Vorverfolgten dort wegen in seiner Person liegender Merkmale, wie etwa einer Behinderung oder eines hohen Alters, das wirtschaftliche Existenzminimum nicht gewährleistet sei. Eine inländische Fluchtalternative könne aber auch dann zu verneinen sein, wenn der Vorverfolgte am Ort der Fluchtalternative keine Verwandten oder Freunde habe, bei denen er Obdach oder Unterstützung finden könnte, und ohne solche Unterstützung dort kein Leben über dem Existenzminimum möglich sei. Schließlich könnten unterschiedliche Gefahren am Herkunftsort des Vorverfolgten und am Ort einer möglichen Fluchtalternative nicht gegeneinander aufgerechnet werden.

       40. In dem bereits unter laufender Nummer [31] besprochenen Urteil führte der 8. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes im Hinblick auf die inländische Fluchtalternative für Albaner aus dem Kosovo aus, daß für diese nur die Republik Serbien selbst (mit Montenegro) in Betracht komme. Im Hinblick auf diese Lage habe schon das Auswärtige Amt in mehreren Lageberichten ausgeführt, daß keine inländische Fluchtalternative bestehe. Jedenfalls Albaner aus dem Kosovo seien auch in den übrigen Gebieten der serbischen Republik einschließlich Montenegro vor Verfolgung nicht sicher.