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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1993


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Christiane E. Philipp


IX. Europäische Gemeinschaften

5. Landwirtschaft

       72. Hintergrund für den Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichtes Frankfurt vom 5.8.1993 (1 G 2469/93 (1) = EuZW 1993, 774) ist die seit dem 1.7.1993 gültige neue Marktordnung für Bananen (Verordnung (EWG) Nr. 404/93), die das Ziel hat, den innergemeinschaftlichen Bananenhandel zu stärken. Sie kontingentiert daher die Einfuhr aus Drittländern und belastet sie ab einer bestimmten Menge mit hohen Zöllen. Im vorliegenden Verfahren hatte die Antragstellerin, eine Importeurin von Südfrüchten, sich gegen die vom Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft (Antragsgegnerin) vorgenommene Verteilung von Zollkontingenten für den Import von Bananen gegenüber Marktbeteiligten der Gruppe C im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 1442/93 gewandt. Sie hatte erreichen wollen, daß Einfuhrlizenzen nur an solche Marktbeteiligten vergeben werden, die bereits in der Vergangenheit Bananen importiert hatten. Sie hatte deshalb Widerspruch gegen alle Zuteilungsbescheide der Antragsgegnerin eingelegt. Die Antragsgegnerin hatte daraufhin die sofortige Vollziehung der Zuteilungsbescheide angeordnet. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes hatte die Antragstellerin begehrt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches wiederherzustellen. Das Verwaltungsgericht setzte das Verfahren aus und ersuchte den EuGH um Vorabentscheidung. Das Verfahren ist bei dem EuGH unter dem Aktenzeichen RsC-389/93 anhängig.

       Mit Beschluß vom 1.12.1993 (1 E 2949/93 (2) = EuZW 1994, 157 ff.) setzte das Verwaltungsgericht Frankfurt im Verfahren mehrerer Bananenimporteure auf Zuteilung von Lizenzen zur Einfuhr von Drittlandsbananen, die über die in der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 festgelegten Mengen hinausgehen, ebenfalls das Verfahren aus und ersuchte den EuGH um Vorabentscheidung über die Wirksamkeit der Verordnung. Das Verwaltungsgericht vertrat die Ansicht, daß die Verordnung nicht formell rechtmäßig zustande gekommen und auch materiell unter dem Gesichtspunkt des freien Wettbewerbes, des Diskriminierungsverbotes, des Vertrauens- und Eigentumsschutzes sowie der Verhältnismäßigkeit der Regelungen rechtswidrig sei. In einem weiteren Beschluß stellte das VG im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dem EuGH die Frage nach der Zulässigkeit einer einstweiligen Anordnung durch das nationale Gericht bei Zweifeln an der Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechtes (vgl. hierzu 1 G 3439/93 (V) = EuZW 1994, 160)54.

       73. Mit Beschluß vom 11.3.1993 (III ZR 44/92 = DVBl. 1993, 717 ff. = RIW 1993, 683 ff.) entschied der BGH: Ist einem Milcherzeuger (nur) deswegen keine Milchreferenzmenge zugeteilt worden, weil er im maßgeblichen "Referenzjahr" infolge einer eingegangenen Nichtvermarktungsverpflichtung keine Milch geliefert hatte, so ist diese Nichtberücksichtigung rechtswidrig. Diese Rechtswidrigkeit und ihre haftungsrechtlichen Folgen fielen unmittelbar in die Verantwortung des Europäischen Gemeinschafts-Gesetzgebers. Für den Vollzug dieser gemeinschaftsrechtlichen Regelungen hafte die Bundesrepublik Deutschland weder nach Amtshaftungsgrundsätzen noch wegen enteignungsgleichen Eingriffs. Eine Ausnahmeregelung für Nichtvermarkter sei nämlich weder in der Milchgarantieverordnung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 25.5.1984 (MGVO, BGBl. I, 720) noch in der dieser zugrundeliegenden Verordnung (EWG) Nr. 857/84 vom 31.3.1984 des Rates der EG (Abl. EG Nr. L 90, 13) vorgesehen gewesen. Daß die Verordnung später vom EuGH insoweit für ungültig erklärt worden sei als sie die Zuteilung von Referenzmengen an Nichtvermarkter nicht vorgesehen habe, sei für den mit der Anwendung dieser Regelung befaßten Amtsträger nicht erkennbar gewesen55.



      54 Über die Klage der Bundesrepublik Deutschland gegen die Gemeinsame Marktorganisation für Bananen hat der EuGH zwischenzeitlich mit Urteil vom 5.10.1994 – Rs.C – 280/93 (Bundesrepublik Deutschland/Rat) entschieden. Das Urteil ist abgedruckt in EuZW 1994, 688 ff.

      55 Vgl. im Hinblick auf die Ungültigkeit der MGVO die Urteile vom 28.4.1988 (Rs. 120/86, Slg. 1988, 2321, Rdnr. 28, und Rs. 170/86, Slg. 1988, 2355, Rdnr. 17).