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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1993


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Christiane E. Philipp


XI. Deutschlands Rechtslage nach 1945 und Deutsche Wiedervereinigung

2. Deutsche Wiedervereinigung

       94. Mit Beschluß vom 12.1.1993 (VerfGH 55/92 = EuGRZ 1993, 48 ff. = MDR 1993, 154 ff. = JZ 1993, 259 ff. = JR 1993, 99 ff.) entschied der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, daß das Strafverfahren gegen den ehemaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden Honecker wegen Verantwortung für Todesschüsse an der Mauer wegen schwerer Krankheit des Angeklagten aus Gründen der Menschenwürde nicht fortgesetzt werden dürfe.

       Es sei davon auszugehen, daß das gegen den Beschwerdeführer anhängige Strafverfahren seinen gesetzlichen Zweck nicht mehr erreichen könne. Dieser bestehe darin, den legitimen Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der dem Beschwerdeführer in der Anklage zur Last gelegten Taten und gegebenenfalls auf Verurteilung und Bestrafung zu erfüllen. Das Strafverfahren werde somit zum Selbstzweck. Für eine weitere Durchführung eines solchen Strafverfahrens gebe es keinen rechtfertigenden Grund. Auch der eine Untersuchungshaft anordnende Haftbefehl sei nicht Selbstzweck, sondern habe die ausschließliche Funktion, die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und die spätere Strafvollstreckung sicherzustellen. Es verstehe sich von selbst, daß dem nicht entgegengehalten werden könne, daß die DDR den Angeklagten und Untersuchungsgefangenen keinen auch nur annähernd gleichen Schutz der Menschenwürde gewährt habe.

       Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Beschluß des Kammergerichtes Berlin vom 13.1.1993 – 4 Ws 7 und 8/93 (= NJW 1993, 673 ff.).

       95. In seinem Urteil vom 18.3.1993 (8 AZR 356/92 = DtZ 1994, 42 ff.) nahm das Bundesarbeitsgericht zu dem Begriff der "persönlichen Eignung" gem. Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Absatz 4 Nr. 1 zum Einigungsvertrag (fortan Absatz 4 Nr. 1) Stellung.

       Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Nr. 1 des Einigungsvertrages sei eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft. Sie sei getrennt von seiner Qualifikation zu prüfen.

       Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordere, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur

       freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekenne (§ 8 Abs. 1 Satz 2 BAT).

       Die hiernach zu stellenden Anforderungen hätten sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten.

       Ein Lehrer müsse den ihm anvertrauten Schülern und Jugendlichen glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Dafür sei ein Lehrer der ehemaligen DDR nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitgewirkt habe. Dies gelte auch für solche Personen, die leitende Positionen im Schulwesen – und nicht in der Partei – innegehabt hätten, soweit sie ihr Amt sachbezogen und nicht überwiegend im Sinne der SED ausgeübt hätten. Eine mangelnde persönliche Eignung liege bei einem Lehrer nur dann vor, wenn er den staatlichen Vorgaben der ehemaligen DDR nicht nur gefolgt sei, sondern wenn er sie in seine persönliche Überzeugung durch aktives Tun übernommen habe. Auf jeden Fall sei eine Einzelfallprüfung erforderlich, ob die Nichteignung noch zum Zeitpunkt der Kündigung des jeweiligen Arbeitnehmers bestanden habe.

       Vgl. zu diesem Themenkomplex ebenfalls Beschluß des OVG Bautzen vom 14.10.1993 (2 S 196/93 = LKV 1994, Heft 9, 339 ff.).