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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1993


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Christiane E. Philipp


IV. Staatsangehörigkeit

2. Mehrfache Staatsangehörigkeit

       12. In seinem Beschluß vom 8.9.1993 (2 BvR 2124, 2127/92 = NJW 1994, 1402) beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht mit der staatsangehörigkeitsrechtlichen Stellung der deutschen Minderheit in Polen. Die Beschwerdeführer hatten sich mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz zu dem Vertrag vom 17.6.1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 16.12.1991 (BGBl. 1991 II, 1314) in Verbindung mit dem Gesetz zu dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze (BGBl. 1991 II, 1328) [vgl. oben Nr. 4] sowie gegen die Unterlassung der Bundesrepublik Deutschland, ihre den Beschwerdeführern gegenüber bestehende Schutzpflicht zu erfüllen, gewandt. Das Bundesverfassungsgericht nahm keine der Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung an. Der deutsch-polnische Nachbarschafts- und Freundschaftsvertrag enthalte keine Regelungen, die die deutsche Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer oder deren daraus fließenden Rechte, insbesondere deren grundsätzlich bestehenden Ansprüche auf Schutzgewährung, beeinträchtigen könne. Wenn Art. 20 Abs. 1 des Vertrages die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Republik Polen als Personen polnischer Staatsangehörigkeit definiere, so werde damit deren etwa zusätzlich bestehende deutsche Staatsangehörigkeit nicht geschmälert. Grundrechte der Beschwerdeführer seien auch nicht dadurch verletzt worden, daß die Bundesrepublik Deutschland eine bestehende deutsche Staatsangehörigkeit von Angehörigen der deutschen Minderheit in Polen nicht vertraglich habe festschreiben lassen.

       13. Mit der Frage, ob eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit auch außerhalb der in § 87 AuslG genannten Fälle zuzulassen sei, beschäftigte sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluß vom 29.9.1993 (BVerwG 1 B 139.93 = InfAuslR 1993, 104 ff.). Es sei anerkannt, daß im Rahmen der Einbürgerung das Ziel verfolgt werden solle, Mehrstaatigkeit sowohl im Interesse des Staates als auch des einzelnen nach Möglichkeit zu vermeiden. Die Rechtsprechung habe Ausnahmen von diesem Grundsatz insbesondere im Hinblick auf das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG in Betracht gezogen. Das Interesse an der Vermeidung von Mehrstaatigkeit sei danach nicht ohne weiteres vorrangig gegenüber dem Interesse an einer einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit in einer Familie. Eine Vermeidung von Mehrstaatigkeit dürfe aber weiterhin dann verfolgt werden, wenn entsprechend der in § 87 Abs. 1 AuslG getroffenen Regelung der Bewerber seine bisherige Staatsangehörigkeit zumutbar aufgeben könne.