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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1994


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Hans-Konrad Ress


IX. Internationaler Menschenrechtsschutz

1. Europäische Menschenrechtskonvention

d) Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 und 3 EMRK)

      73. Das Landgericht Mannheim hatte den damaligen NPD-Bundesvorsitzenden Deckert mit Urteil vom 22.6.1994 wegen dessen Leugnung des Massenmordes an den Juden in Gaskammern während des 2. Weltkrieges wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit Aufstachelung zum Rassenhaß, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr auf Bewährung verurteilt66. Das Urteil sorgte in der in- und ausländischen Öffentlichkeit für großes Aufsehen, da das Landgericht in den Strafzumessungserwägungen gewissermaßen Verständnis für die Beweggründe des Angeklagten geäußert hatte. In dem von der Staatsanwaltschaft angestrengten Revisionsverfahren vor dem BGH machte Deckert unter anderem geltend, nach den außergewöhnlich heftigen und massiven Angriffen, die nach der Veröffentlichung der schriftlichen Gründe des angefochtenen Urteils von Politikern, Journalisten und anderen Vertretern des öffentlichen Lebens gegen die Justiz im allgemeinen und die an der Entscheidung beteiligten Richter im besonderen gerichtet worden seien, könne kein Gericht mehr frei von äußeren Einflüssen entscheiden. Da ein faires Verfahren deshalb nicht gewährleistet sei, regte der Verteidiger Deckerts an, das Verfahren gemäß Art. 6 EMRK einzustellen. Der BGH gab der Anregung keine Folge, da eine Einstellung des Verfahrens nur bei Vorliegen eines Verfahrenshindernisses zwingend geboten sei (§ 206 a StPO). Ein Verfahrenshindernis liege jedoch weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht vor (Urteil vom 15.12.1994 - 1 StR 656/94 - NJW 1995, 340 = JZ 1995, 106 = NStZ 1995, 128 = EuGRZ 1995, 95).



      66 LG Mannheim, NJW 1994, 2494.