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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1994


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Hans-Konrad Ress


IV. Staatsangehörigkeit

1. Erwerb

      19. In dem bereits oben [14] erwähnten Urteil vom 15.3.1994 entschied das Bundesverwaltungsgericht, daß sich die Rechtswirksamkeit eines Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch Eintragung in Abteilung 2 der Deutschen Volksliste ausschließlich nach den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Buchst. d 1. StARegG richte. Es sei nicht erforderlich, daß der Betroffene nach dem 8.5.1945 ständig den Willen bekundet habe, als deutscher Staatsangehöriger behandelt zu werden.

      20. Nach Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG sind Abkömmlinge früherer deutscher Staatsangehöriger, denen zwischen dem 30.1.1933 und dem 8.5.1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, auf Antrag wieder einzubürgern. In Bestätigung seiner früheren Rechtsprechung33 entschied das Bundesverwaltungsgericht, daß der Anspruch auf Einbürgerung allen Nachkommen des Ausgebürgerten zustehe, ohne Beschränkung auf eine bestimmte Generation. Der Einbürgerungsanspruch des Abkömmlings setze lediglich ein rechtliches Verhältnis zum Ausgebürgerten voraus, an welches das Staatsangehörigkeitsrecht den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit knüpfe. Es müsse also eine hypothetische Prüfung erfolgen, ob der Abkömmling ohne die Ausbürgerung des Vorfahren die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hätte. Diese Voraussetzungen bejahte das Bundesverwaltungsgericht für den seinem Urteil vom 11.1.1994 (1 C 35/93 - BVerwGE 95, 36 = DÖV 94, 1047 = DVBl. 1994, 529 = NJW 1994, 2164 = NVwZ 1994, 1015 [Ls.]) zugrundeliegenden Fall, in dem den Großeltern der Antragsteller durch die 11. VO zum Reichsbürger G vom 25.11.1941 (RGBl. I, 722) die deutsche Staatsangehörigkeit aus rassischen Gründen entzogen worden war.

      21. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 RuStAG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30.6.199334 erwirbt ein Kind durch die Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und, sofern im Falle eines nichtehelichen Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger ist, eine nach den deutschen Gesetzen wirksame Feststellung der Vaterschaft erfolgt ist. Diese Regelung ist nach Art. 6 des Gesetzes zum 1.7.1993 in Kraft getreten. Das VG Bremen lehnte es mit Beschluß vom 8.2.1994 (4 V 604/93 - NVwZ-RR 1994, 545 = InfAuslR 1994, 260) ab, diese Regelung auch auf ein vor Inkrafttreten des Gesetzes geborenes Kind anzuwenden. Mangels einer Übergangsvorschrift im Gesetz sei die Frage der Staatsangehörigkeit eines im Jahre 1992 geborenen nichtehelichen Kindes nach § 4 Abs. 1 RuStAG a.F.35 zu beurteilen, wonach ein nichteheliches Kind die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erwirbt, wenn seine Mutter Deutsche ist. Die frühere Regelung in § 4 Abs. 1 RuStAG sei auch nicht unvereinbar mit Art. 6 Abs. 5 GG, da die grundgesetzliche Zielsetzung, nichtehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern, keine schematische Gleichstellung von nichtehelichen und ehelichen Kindern erfordere36.



      33 BVerwGE 68, 220; 85, 108.
      34 BGBl. 1993 II, 1062, 1072, 1073.
      35 BGBl. 1974 I, 3714.
      36 Die Beschwerde der Antragstellerin hat das OVG Bremen mit Beschluß vom 10.3.1994 (2 B 43/94) zurückgewiesen.