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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1995


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Volker Röben


VIII. Fremdenrecht

1. Allgemeine Fragen der Einreise und des Aufenthaltes

       40. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.2.1995 (1 C 11.94 - DVBl. 1995, 852) betraf das Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers. Die Kläger könnten sich schließlich auch nicht mit Erfolg auf Bestimmungen des Europäischen Niederlassungsabkommens vom 13.12.1955 (ENA)1 und des deutsch-türkischen Niederlassungsabkommens vom 12.1.1927 (NAK)2 berufen. Beide Abkommen begründeten keine Rechtsansprüche auf Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis, sondern könnten allenfalls insoweit Wirkungen entfalten, als über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Ermessen zu entscheiden sei. Nach Art. 2 ENA werde jeder Vertragsstaat in dem Umfang, in dem seine wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse es gestatteten - was jeder Staat nach seinen innerstaatlichen Grundsätzen zu beurteilen habe - dem Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten einen längeren oder dauernden Aufenthalt erleichtern, und zwar unter der in Art. 1 genannten Voraussetzung, daß nicht - ebenfalls von jedem Vertragsstaat nach seinen Grundsätzen zu beurteilenden - Gründe der öffentlichen Ordnung, der Sicherheit, der Volksgesundheit oder der Sittlichkeit entgegenstünden3. Die Vorschriften, die Einreise, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit der Ausländer regelten, würden von den Abkommen nicht berührt, soweit sie nicht zu seinen Bestimmungen im Widerspruch stünden. Die Bestimmungen des Abkommens über die Ausübung einer Erwerbstätigkeit wie z.B. Art. 10 ENA fänden nur unter den Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt, Abschnitt Va des Protokolls, Anwendung. Das NAK gewähre türkischen Staatsangehörigen die Freiheit zur Einreise und Niederlassung vorbehaltlich der Einwanderungsbestimmungen, Art. 2 Satz 3 NAK. Die Ausländerbehörden seien danach befugt, durch Versagung oder Nichtverlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung Einwanderungen entgegenzutreten. Zu den Vorschriften, durch die einer Einwanderung vorgebeugt werden könne, gehörten die maßgeblichen Vorschriften des AusländerG. Der von der Klägerin angestrebte Aufenthalt sei von einer gewissen Dauerhaftigkeit, also nicht auf absehbare Zeit angelegt. Er sei nicht lediglich vorübergehender Art und nicht einem bloß begrenzten Zwecke gewidmet. Damit handele es sich um eine Einwanderung, der die Ausländerbehörde habe entgegenwirken können.



      1 BGBl. 1959 II, 997.

      2 RGBl. 1927 II, 76; BGBl. 1952 II, 608.

      3 Vgl. Abschn. Ia Nr. 1 und 2 des Protokolls zum Abkommen, BGBl. 1964 II, 958.