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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1995


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Volker Röben


XII. Internationaler Menschenrechtsschutz

4. Konvention über die Rechte des Kindes

       81. VG Arnsberg, Beschluß vom 7.5.1996 (5 L 1598/95.A - InfAuslR 1996, 285) wendete die Kinderkonvention auf das Ausweisungsverfahren an. Es ergäben sich ernstliche Zweifel an der der Antragstellerin gegenüber erlassenen Abschiebungsandrohung vornehmlich aus dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20.11.19891. Die Antragstellerin sei, da sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, ein Kind i.S.d. Art. 1 UN-Kinderkonvention. Im Hinblick auf die Kinderkonvention bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebung einer Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, in einer Notsituation, in der sie mit Fürsorge nicht rechnen könne.

       82. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.2.1995 (1 C 11.94 - InfAuslR 1996, 265) betraf die Klage und Rechtsmittel der Tochter eines türkischen Wanderarbeitnehmers auf eine Aufenthaltsgenehmigung; sie blieben erfolglos. Die 21-jährige Klägerin machte geltend, ihr stehe ungeachtet der Überschreitung der Altersgrenze der geltend gemachte Anspruch zu, weil sich aus Art. 10 Abs. 1 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes sowie aus Art. 19 Abs. 6 der Europäischen Sozialcharta vom 18.10.19612 ergebe, daß Kindern bis zum Erreichen des 21. Lebensjahres die Familienzusammenführung zu ermöglichen sei. Dem kann sich der Senat nicht anschließen. Art. 10 Abs. 1 Kinderkonvention fordere, daß von einem Kind oder seinen Eltern zwecks Familienzusammenführung gestellte Anträge auf Einreise in einen Vertragsstaat wohlwollend, human und beschleunigt bearbeitet würden und daß die Stellung eines solchen Antrags keine nachteiligen Folgen für den Antragsteller und seine Familienangehörigen habe. Nach Art. 1 sei Kind i.S.d. Übereinkommens jeder Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Hieraus folge, daß das Übereinkommen keine Pflicht begründen könne, der bei Inkrafttreten des Übereinkommens am 5.4.1992 bereits 21-jährigen und bei Antragstellung zwanzig Jahre alten Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Es bedürfe daher keiner Erörterung, ob es sich bei Art. 10 um eine reine Staatenverpflichtung oder um innerstaatlich unmittelbar anwendbares Recht handele und ob Art. 10 für einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung überhaupt etwas hergebe. Durch Art. 19 Nr.6 ESC verpflichteten sich die Vertragsstaaten, "soweit möglich" die Zusammenführung eines zur Niederlassung im Hoheitsgebiet berechtigten Wanderarbeitnehmers mit seiner Familie zu erleichtern, wobei im Anhang der Charta zu dieser Bestimmung ausgeführt werde, der Ausdruck Wanderarbeitnehmer mit seiner Familie sei dahin zu verstehen, daß er zumindest seine Ehefrau und seine Kinder unter 21 Jahren, für die er unterhaltspflichtig sei, umfasse. Ein unmittelbarer Anspruch auf Familienzusammenführung folge aus Art. 19 Nr. 6 ESC nicht. Es komme deswegen auch nicht darauf an, daß die Klägerin, die bei Antragstellung noch nicht 21 Jahre alt gewesen sei, inzwischen die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. Ebensowenig sei von Bedeutung, ob eine Unterhaltspflicht bestehe. Wie im Anhang der Charta zu Teil III klargestellt sei, handele es sich bei den rechtlichen Verpflichtungen der Charta um solche internationalen Charakters, deren Erfüllung ausschließlich in dem in der Charta geregelten Verfahren überwacht werde. Die Vorschriften des Abkommens seien daher innerstaatlich nicht unmittelbar anwendbar.



      1 BGBl. 1992 II, 122.

      2 BGBl. 1964 II, 1263.