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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1995


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Volker Röben


XIII. Europäische Gemeinschaften

5. Niederlassungsfreiheit

       96. Im Fall des OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4.7.1995 (6 A 12087/94 - DVBl. 1996, 1205) begehrte der Kläger eine Bescheinigung über eine vierjährige Berufserfahrung in der Bundesrepublik gemäß § 9 ArchG Rheinland-Pfalz i.V.m. Richtlinie 85/384/EWG1 - Architektenrichtlinie. Nach Abschluß eines dreijährigen Fachhochschulstudiums in der Bundesrepublik war der Kläger ab März 1973 als Projektleiter in einem Architekturbüro in Luxemburg tätig gewesen. Die Architektenkammer lehnte die Bescheinigung ab. Klage und Rechtsmittel blieben erfolglos. Zur Begründung führte das OVG aus, Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 der Architektenrichtlinie bestimme, daß in den Mitgliedstaaten die dreijährige Ausbildung an den Fachhochschulen der Bundesrepublik anerkannt werde, sofern sie durch eine vierjährige Berufserfahrung in der Bundesrepublik ergänzt werde. Das OVG kommt zu dem Ergebnis, daß die Berufserfahrung in der Bundesrepublik erworben sein muß durch einen Vergleich der verschiedenen sprachlichen Fassungen der Richtlinie. Zwar könnte der Interpretation der französischen Fassung entnommen werden, daß die Berufserfahrung auch in einem anderen Mitgliedstaat erworben sein könne. Doch handele es sich dabei um einen Redaktionsfehler, was sich daraus ergebe, daß die übrigen Fassungen mit der deutschen übereinstimmten. Art. 4 Abs. 1 UAbs. 12 der Architektenrichtlinie stehe mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht auch insoweit in Einklang, als nur die in der Bundesrepublik gesammelte Erfahrung maßgeblich sei. Ein Verstoß gegen die in Art. 52 ff. EGV geregelte Niederlassungsfreiheit als lex specialis zu Art. 6 EGV liege nicht vor. Die beanstandete Vorschrift der Architektenrichtlinie knüpfe nicht an der Staatsangehörigkeit an, sondern an der zeitlichen Dauer des deutschen Fachhochschulstudiums. Die Frage, ob Art. 52 ff. EGV ein generelles Beschränkungsverbot entnommen werden könne, bedürfe keiner Vertiefung. Denn dies könne nicht bedeuten, daß eine allgemeine Anerkennungspflicht bestehe. Vielmehr sei nicht zu beanstanden, daß in einer auf Art. 57 EGV gestützten Richtlinie zusätzliche Anforderungen aufgestellt würden, um die Anerkennungsfähigkeit eines mit den Anforderungen in den übrigen Mitgliedstaaten nicht vergleichbaren Ausbildungsganges zu erreichen.

       97. Das OVG Nordrhein-Westfalen entschied mit Beschluß vom 3.11.1995 (18 B 815/94 - DVBl. 1996, 763), daß der Wille zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AufenthaltsG/EWG) eine ernst zu nehmende Gewinnerzielungsabsicht erfordere, die sich - jedenfalls bei einer langjährigen Verfolgung dieses Ziels - nicht allein in verbalen Äußerungen erschöpfen dürfe, sondern auch in der tatsächlichen Umsetzung des verfolgten Zieles manifestieren müsse. Eine völlig untergeordnete und unwesentliche Betätigung im Wirtschaftsleben reiche dafür nicht aus.



      1 Vom 10.6.1985, ABl. (EG) Nr. L 223, 15.