Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law Logo Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law

You are here: Publications Archive Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1995

Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1995


Inhalt | Zurück | Vor

Volker Röben


IV. Internationale Organisationen

       Im Berichtszeitraum hatten sich deutsche Gerichte mit dem Begriff der internationalen Organisation sowie mit der innerstaatlichen Durchführung von Akten internationaler Organisationen zu befassen.

1. Begriff

       16. Das Urteil des Bayerischen VGH vom 15.3.1995 (7 B 92.2689 - BayVGHE 49 [1996], 35) betraf eine Klage von Eltern, deren Kinder die Europäische Schule München besuchten, gegen die von dem Schulrat festgesetzten Schulgebühren. Der VGH entschied auf die Berufung der Beklagten, daß die Klage unzulässig sei, da die Beklagte der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterliege. Nach § 173 VwGO i.V.m. § 20 Abs. 2 GVG seien Personen von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts hiervon befreit seien. Hierunter fielen auch zwischenstaatliche Organisationen. Eine völkervertragsrechtliche Regelung fehle hier zwar. Doch stehe ihr diese Immunität völkergewohnheitsrechtlich zu. Diese Ansicht werde von gewichtigen Literaturstimmen vertreten. Sie entspreche dem Charakter der Völkerrechtssubjektivität, der Autonomie der internationalen Organisation, dem nahezu identischen Regelungsgehalt der jeweils bestehenden ausdrücklichen Abkommen und der dazu analogen Interessenlage. Die Institution "Europäische Schule" sei eine solche zwischenstaatliche Einrichtung mit Völkerrechtspersönlichkeit. Die Einrichtung "ES" beruhe auf der zwischen der Bundesrepublik und anderen Vertragsstaaten abgeschlossenen Satzung der Europäischen Schule vom 12.4.19571 sowie auf dem Protokoll über die Gründung Europäischer Schulen vom 13.4.19622; dem Protokoll habe auch der bayerische Landtag mit Beschluß vom 23.1.19683 zugestimmt. Es sei für die Stellung der Schule als Völkerrechtssubjekt unschädlich, daß sie nur partielle, funktionelle Rechtspersönlichkeit, bezogen auf die Erfüllung ihrer Aufgaben, besitze. An dieser Völkerrechtssubjektivität nehme auch die Beklagte als unselbständige Untergliederung teil. Ihr stehe daher grundsätzlich Immunität von der deutschen Gerichtsbarkeit zu.



      1 BGBl. 1965 II, 1041.

      2 BGBl. 1969 II, 1301.

      3 Bay. GVBl. 1969, 27.