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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1995


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Volker Röben


IV. Internationale Organisationen

2. Durchführung von Rechtsakten internationaler Organisationen

a) Vereinte Nationen

       Mehrfach hatten sich ordentliche Gerichte im Berichtszeitraum mit der innerstaatlichen Umsetzung des von den Vereinten Nationen gegen Serbien und Montenegro verhängten Embargos zu befassen.

       17. Die Revisionsführer in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.9.1995 (4 StR 68/95 - NJW 1996, 602), Inhaber einer Transportfirma mit Sitz in Luxemburg, rügten Rechtsfehler bei der Anwendung des § 34 Abs. 4 AWG. Die von ihnen aus Serbien ausgeführten Waren seien dort nicht hergestellt worden. Der Bundesgerichtshof verwarf das Rechtsmittel. Im Rahmen seiner Entscheidung klärte das Gericht zunächst die Funktion des § 34 Abs. 4 AWG. Im Hinblick darauf, daß eine nach Kapitel VII der UN-Charta vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossene wirtschaftliche Sanktionsmaßnahme für die Bürger der Mitgliedstaaten keine unmittelbare Rechtswirkungen entfalte, sondern nur die Mitgliedstaaten binde, eröffne § 34 Abs. 4 AWG als Blankettstrafvorschrift der Bundesrepublik Deutschland eine rechtliche Handhabe, um vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossene, für sie verbindliche wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen innerstaatlich mit Strafbewehrung durchzusetzen. Nach § 34 Abs. 4 AWG idF. des am 7.3.1992 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des AWG, des StGB und anderer Gesetze1 mache sich strafbar, wer einer Vorschrift des AWG oder einer aufgrund des Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung oder einem im Bundesgesetzblatt oder im Bundesanzeiger veröffentlichten Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft zur Beschränkung des Außenwirtschaftsverkehrs, der der Durchführung einer vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme diene, zuwiderhandele. Die am 11.6.1992 erlassene, am 13.6.1992 veröffentlichte, am selben Tag in Kraft getretene und folglich zur Tatzeit geltende 23. Verordnung zur Änderung des AWG sei in diesem Sinne zur Gewährleistung der Strafbewehrung der Beschränkungen der Europäischen Gemeinschaften aufgrund der Resolution 757 (1992) des Sicherheitsrates rechtswirksam in die AWV eingefügt worden. § 69h Abs. 1 Nr. 1 und 3 AWV verböten das Verbringen aller Erzeugnisse aus oder mit Ursprung in den Republiken Serbien und Montenegro. Für die Strafbarkeit nach § 34 Abs. 4 AWG i.V.m. § 69h Abs. 1 Nr. 1 AWV komme es nicht darauf an, ob aus den Republiken Serbien und Montenegro verbrachte Waren auch dort erzeugt oder hergestellt worden seien. Die Verordnung habe die Durchführung der vom Sicherheitsrat in der Resolution 757 beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen zu gewährleisten. Allerdings ergebe sich aus dem Wortlaut der Resolution nicht eindeutig, ob es für die verbotene Ausfuhr aus der Bundesrepublik Jugoslawien darauf ankomme, ob die aus Serbien und Montenegro hergebrachten Waren auch dort erzeugt oder hergestellt sein müßten. Doch habe der Sicherheitsrat die Resolution später selbst dahin gehend ausgelegt, daß es auf die Erzeugung in Serbien und Montenegro nicht ankomme. Da die AWV der Durchführung der Sicherheitsratsresolutionen diene, habe das Instanzgericht aus dem Wortlaut "aus oder mit Ursprung" fehlerhaft geschlossen, daß es auf den Ursprung ankomme. Eine nicht zur Strafbarkeit führende Durchfuhr durch das Embargogebiet (§69h Abs. 2 Nr. 4 AWV) liege nicht vor, wenn Gebietsansässigen des Embargostaates die Möglichkeit eigener Verfügung über die Waren eingeräumt worden sei.

       18. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.4.1995 (1 StR 700/94 - BGHSt 41, 129=NJW 1995, 2174) war die Beförderung von Privatpersonen im Landverkehr aus der Bundesrepublik Deutschland in das Gebiet der Republiken Serbien und Montenegro durch die 23. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 11.6.1992 über Besondere Beschränkungen gegen Serbien und Montenegro2 auf der Grundlage von § 34 Abs. 4 AWG i.V.m. der UN Resolution Nr. 757 (1992) vom 30.5.1992 nicht wirksam unter Strafe gestellt. Das mit der genannten Resolution verhängte Wirtschaftsembargo betreffe die private Personenbeförderung im Landverkehr nicht. Diese Resolution enthalte weder wörtlich noch sinngemäß ein allgemeines Dienstleistungsverbot, unter das der vorliegende Sachverhalt subsumiert werden könne. Eine Zusammenschau der dort getroffenen Regelungen ergebe, daß das verhängte Embargo keine vollständige verkehrsmäßige Abschottung von Serbien und Montenegro enthalte oder enthalten sollte. Ein entsprechendes Verbot finde sich in Nr. 7 allein für den Luftverkehr. Der Land- und Seeverkehr werde durch Nr. 4 lit. a) und b) nur insoweit verboten, als er sich auf die Beförderung von Waren beziehe. In die Personenbeförderung von und nach Serbien und Montenegro im Landverkehr habe das Wirtschaftsembargo der Resolution 757 (1992) nicht eingegriffen. Dieses Auslegungsergebnis werde dadurch bestätigt, daß auch die Verschärfung des Wirtschaftsembargos durch die Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Nr. 820 (1993)3 den Bereich der privaten Personenbeförderung auf dem Straßenwege - sei es mit Pkw, sei es mit Omnibussen - unberührt gelassen und lediglich unter Nr. 27 die Bereitstellung von finanziellen und nichtfinanziellen Dienstleistungen an jede natürliche Person zur Durchführung einer geschäftlichen Tätigkeit in Serbien und Montenegro mit bestimmten, hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen verboten habe. Daraus ergebe sich, daß die Bereitstellung von Dienstleistungen nicht finanzieller Art an natürliche Personen selbst noch nach der Verschärfung des Embargos möglich sein sollte. Vor diesem Hintergrund könne die Zuführung von Passagieren an serbische Busunternehmen, wie es die Angeklagten hier im "gebrochenen Verkehr" praktiziert hätten, für sich allein auch nicht etwa dahin gewertet werden, daß damit ökonomische Mittel - "economic resources" im Sinne der UN-Resolution 757 (1992) - an gewerbliche Unternehmen in Serbien zur Verfügung gestellt worden seien. Auch insoweit war nach Ansicht des Senats daher das Verhalten der Angeklagten nicht mit wirksamer Strafbewehrung verboten. Allerdings kommt der Bundesgerichtshof zur Strafbarkeit der Angeklagten wegen der an serbische Unternehmen geleisteten Zahlungen für die Weiterbeförderung der Reisenden. Nach den Feststellungen sei die Strafkammer davon ausgegangen, daß die Angeklagten den Fahrpreis für die gesamte Strecke Pforzheim-Belgrad einheitlich kassiert und sodann den mit der Weiterbeförderung in Serbien beauftragten bosnischen oder serbischen Busunternehmen den anteiligen Fahrpreis bezahlt hätten. Hierdurch seien durch Gebietsansässige Zahlungen zugunsten von Empfängern in Serbien i.S.d. § 69k AWV in der zur Tatzeit geltenden Fassung geleistet worden. Derlei Zahlungen bedurften der Genehmigung. Die Verordnung stehe ohne weiteres in Einklang mit Nr. 45 der UN-Resolution Nr. 757 (1992)4, zu deren Durchsetzung sie von der Bundesregierung erlassen worden sei.



      1 BGBl. 1992 I, 372.

      2 BAnz Nr. 109 vom 13.6.1992, 4645; dieser Rechtsakt diente der Umsetzung der Verordnung 1432/92/EWG vom 1.6.1992, ABl. (EG) Nr. L 151, 4, 21.

      3 Vom 17.4.1993.

      4 Vom 30.5.1992.