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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1996


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Kerrin Schillhorn


IV. Staatsangehörigkeit

1. Erwerb

      17. Das BVerwG entschied in einem Beschluß vom 19.8.1996 (1 B 82/95 = InfAuslR 1996, 399ff.), daß auch ein langer Aufenthalt, der für zeitlich begrenzte und verschiedene vorübergehende Zwecke ermöglicht wurde, keinen Vertrauenstatbestand entstehen lasse, der bei der Einbürgerungsentscheidung zu berücksichtigen sei. Das Gericht führte unter Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung23 aus, daß § 8 RuStAG grundsätzlich ein weites Ermessen eröffne, das unter Beachtung der rechtsstaatlichen Grundsätze und damit auch unter Wahrung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes auszuüben sei. Ein Vertrauensschutz sei aber nur dann anzunehmen, wenn von der Behörde ein Tatbestand geschaffen worden sei, aufgrund dessen der Ausländer erwarten könne, daß er auf Wunsch eingebürgert werde. Diese Voraussetzung sei jedoch dann nicht gegeben, wenn dem Ausländer nur zeitlich begrenzt, jeweils für verschiedene vorübergehende Zwecke Aufenthalte ermöglicht worden seien. Schließlich wurde darauf hingewiesen, daß der Kläger sich nicht aufgrund eines schutzwürdigen Vertrauens auf die Einbürgerung durch Dispositionen auf diese eingerichtet habe.

      18. Das OVG Nordrhein-Westfalen hatte sich mit den Fragen der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung sowie mit der Doppelehe als Einbürgerungshindernis zu befassen (Urteil vom 2.9.1996 - 25 A 2106/94 = InfAuslR 1997, 82ff.). Zunächst stellte das Gericht fest, daß der Regelungsgehalt und Schutzzweck des Art. 16 Abs. 1 GG darin besteht, die grundsätzliche Unentziehbarkeit der wohl erworbenen Staatsangehörigkeit zu gewährleisten. Hieraus lasse sich jedoch kein Verbot zur Rücknahme erschlichener Einbürgerungen ableiten; dies gelte insbesondere, da die erschlichene Staatsangehörigkeit ebensowenig wie der rechtsunwirksame Staatsangehörigkeitserwerb in den Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 GG falle. Weiterhin wies das Gericht darauf hin, daß Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach der Verlust der Staatsangehörigkeit gegen den Willen der Betroffenen nur dann eintreten darf, wenn diese dadurch nicht staatenlos werden, der Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung nicht entgegenstehe. Ebensowenig stehe ihr das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961 entgegen, da auch dessen Regelungen nicht vor einem Verlust der Staatsangehörigkeit schützten, die durch falsche Angaben oder betrügerische Handlungen erworben sei. In dem konkreten Fall entschied das Gericht, in der Eingehung einer Zweitehe liege ein Einbürgerungshindernis im Sinne des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes. Nach § 9 Abs. 1 des RuStAG sollten Ehegatten Deutscher dann eingebürgert werden, wenn sie sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordneten. Das Gericht führte aus, Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei es, der durch eine eheliche Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Staatsangehörigen begründeten Erwartung Rechnung zu tragen, daß sich die Integration des Einbürgerungsbewerbers in die deutschen Lebensverhältnisse schneller als sonst vollziehe. Davon könne jedoch nicht ausgegangen werden, wenn der Bewerber eine Zweitehe eingehe. Eine solche Ehe widerspreche dem in Deutschland geltenden Prinzip der Einehe und stelle eine beachtliche Abweichung von den elementaren Grundsätzen der deutschen Rechts- und Werteordnung dar. Der Schutz der Einehe werde nach der deutschen Rechtsordnung so weit gefaßt, daß diese selbst nach ihrem faktischen Ende noch unter dem besonderen Schutz der Rechtsordnung stehe. Dies führe dazu, daß eine Zweitehe, die nach dem faktischen Ende, jedoch vor förmlicher Auflösung der Erstehe geschlossen werde, diesem Grundprinzip des rechtlichen Schutzes der Einehe widerspreche.

      19. Das BVerwG bestätigte in einem Beschluß vom 20.8.1996 (1 B 128/96 = InfAuslR 1996, 400f.) seine bisherige Rechtsprechung zu der Anrechnung von Aufenthaltszeiten in der früheren DDR bei der Berechnung der für die Einbürgerung erforderlichen Mindestdauer des rechtmäßigen Inlandsaufenthaltes. Unter Bezugnahme der vorhergehenden Rechtsprechung24 wies das BVerwG darauf hin, daß es nicht zweifelhaft sei, daß ein Aufenthalt in der DDR mit einer dort erfolgten Familiengründung die sprachliche Eingliederung und das Einleben in deutsche Lebensverhältnisse gefördert haben könne. Jedoch sei - mit Rücksicht auf die jedenfalls bis zur Wiedervereinigung Deutschlands erheblichen Unterschiede der wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen - eine diesbezügliche Integration im Bundesgebiet regelmäßig nur in geringerem Ausmaß erfolgreich. Die Entscheidung hierüber lasse sich nur nach den Umständen des Einzelfalles vornehmen und sei daher einer rechtsgrundsätzlichen Klärung entzogen.



      23 BVerwG, Beschluß vom 18.9.1981 - 1 B 115/81.

      24 Urteil vom 27.9.1988 - 1 C 52/87 = BVerwGE 80, 233; Beschluß vom 14.9.1990 - 1 B 126/90 = NVwZ 1991, 895.