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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1997


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Lars-Jörgen Geburtig


XIV. Europäische Gemeinschaften

4. Freier Warenverkehr

       120. Der Bundesgerichtshof entschied in seinem Urteil vom 17.7.1997 (I ZR 58/95 - NJW 1998, 1792), daß es mit der in Art. 30 EGV gewährten Warenverkehrsfreiheit nicht zu vereinbaren ist, wenn der Parallelimporteur eines Arzneimittels, das mit einem im Inland fiktiv zugelassenen Präparat stoffidentisch ist, auf das Vollzulassungsverfahren nach § 21 Arzneimittelgesetz (AMG) verwiesen wird. Dies gelte auch, wenn die beiden Mittel unterschiedliche Bezeichnungen tragen. Die Einfuhr eines in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassenen Arzneimittels dürfe nur dann von einer Vollzulassung abhängig gemacht werden, wenn dies zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen erforderlich ist (Art. 36 EGV). Zwar bleibe es in Ermangelung einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung über die Behandlung von Parallelimporten den Mitgliedstaaten überlassen, nationale Regelungen zur Kontrolle des Arzneimittelimports mit dem Zweck des Gesundheitsschutzes aufrecht zu erhalten oder zu schaffen. Nationale Importbeschränkungen müßten dabei aber mit Art. 30 EGV in Einklang stehen. Das Erfordernis einer Zulassung oder Genehmigung für parallelimportierte Arzneimittel stelle grundsätzlich eine Maßnahme gleicher Wirkung i.S.d. Art. 30 EGV dar. Diese Beschränkungen des Warenverkehrs seien gemeinschaftsrechtlich nur dann zulässig, wenn sie zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen notwendig sind (Art. 36 EGV). Ein Zulassungsverfahren sei daher unzulässig, wenn das parallelimportierte Präparat keine therapeutisch relevanten Unterschiede zu einem im Inland bereits zugelassenen Mittel aufweist. Diese Erwägungen gelten nach Ansicht des Gerichts auch für Parallelimporte, die eine stoffliche Identität mit einem aufgrund der Übergangsregelung des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts fiktiv zugelassenen Präparat aufweisen. Zwar lägen der Zulassungsbehörde in diesem Fall keine geprüften Zulassungsunterlagen vor. Die fiktive Zulassung spreche aber dafür, daß ohne Gefahr für Leben und Gesundheit für Menschen auf diese Unterlagen verzichtet werden kann. Dies müsse dann auch für den Fall des Parallel- oder Reimports stofflich identischer Präparate gelten. Zwar wäre es mit Art. 30 EGV vereinbar, wenn das deutsche Arzneimittelrecht für Fälle wie den vorliegenden ein vereinfachtes, auf reine Identitätsprüfung beschränktes, Zulassungsverfahren vorsähe. Das deutsche Arzneimittelrecht kenne jedoch für Fälle der Bezugnahme auf ein fiktiv zugelassenes Präparat kein solches präventives Kontrollverfahren. Daher sei das von der Beklagten eingeführte Präparat allein aufgrund der Bezugnahme auf das fiktiv zugelassene stoffidentische Mittel der Klägerin in Deutschland verkehrsfähig.

       121. Das KG Berlin untersuchte in seinem Urteil vom 29.5.1997 (25 U 9273/96 - EWS 1997, 323) die Vereinbarkeit des Verbots der Telefaxwerbung in Deutschland mit Art. 30 und Art. 59 EGV. In bezug auf Art. 30 EGV stellte das Gericht fest, daß es sich hier nur um eine Regelung von Verkaufsmodalitäten handelt. Methoden der Absatzförderung, die den Absatz der inländischen und EG-ausländischen Erzeugnisse rechtlich und tatsächlich in der gleichen Weise berühren, fielen nach der Rechtsprechung des EuGH (Keck und Mithouard) nicht in den Anwendungsbereich des Art. 30 EGV. Auch der Anwendungsbereich des Art. 59 EGV sei nicht eröffnet, da es sich um eine Modalität der Dienstleistungserbringung handelt, die sich für alle Handelsvertreter im EG-In- und -Ausland rechtlich und tatsächlich gleich auswirke. Denkbar sei es zwar, daß bei einer Spezialisierung eines Dienstleistungsunternehmens auf Telefax-Werbung der Kern der Dienstleistung betroffen sein kann. Derartiges sei aber nicht vorgetragen. Zudem gebe es auch im EG-Ausland kein eigenständiges Berufsbild des Telefax-Werbers. Im übrigen wäre die Sicherung der freien Telekommunikation auch ein hinreichender zwingender Grund des Allgemeininteresses, der eine Beschränkung rechtfertigen würde.