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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1997


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Lars-Jörgen Geburtig


II. Staatensukzession

       2. Mit der Nachfolge der Bundesrepublik Jugoslawien in das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 befaßte sich das OLG Hamm in seinem Urteil vom 26.6.1997 (1 U 1/96 - RIW 1997, 962). Es ließ dabei offen, ob die Sozialistische Bundesrepublik Jugoslawien, die das Abkommen ratifiziert hatte, durch Dismembration untergegangen ist, oder ob die Bundesrepublik Jugoslawien trotz Abspaltung einiger Teilrepubliken mit der Sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien als identisch anzusehen ist. Liege eine Identität beider Staatsgebilde vor, folge daraus zwangsläufig die weitere Anwendbarkeit des UN-Abkommens. Gehe man von einer Dismembration aus, sei die Bundesrepublik Jugoslawien als ein Nachfolgestaat der Sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien nach dem Völkerrecht grundsätzlich an die Verpflichtungen des Vorgängerstaates gebunden.

       3. Im Rahmen eines Streits um Verlagsrechte an dem Werk eines litauischen Komponisten hatte sich das Hanseatische OLG in seinem Urteil vom 23.10.1997 (3 U 171/94 - GRUR Int. 1998, 431) mit der Frage der Rechtsnachfolge Litauens in das Welturheberrechtsabkommen (WUA) zu befassen. Nach Ansicht des Gerichts folge aus der Mitgliedschaft der früheren UdSSR im WUA nicht die Mitgliedschaft Litauens, da Litauen ein unabhängiger Staat geworden sei und sich selbst nicht als Rechtsnachfolger der UdSSR betrachte. Allgemein anerkannte Regeln für die Nachfolge in völkerrechtliche Verträge im Zusammenhang mit der Staatennachfolge gebe es nicht. Das gelte auch für den Fall, daß sich ein Staat von einem anderen löse und der andere unter Wahrung seiner Identität fortbestehe. Es stünden sich die Prinzipien der Universalsukzession (alle Rechte und Pflichten gehen auch auf den sich abspaltenden Staat über) und des sog. clean slate (alle Bindungen aus völkerrechtlichen Verträgen erlöschen für den sich loslösenden Staat) gegenüber. Die noch nicht in Kraft getretene Wiener Konvention in die Staatennachfolge in Verträge (WKStV)3 gehe zwar vom Prinzip der Kontinuität aus (Art. 34 WKStV), bestimme aber für Staaten, die ihre Unabhängigkeit erlangen ("newly independent states") das clean slate-Prinzip (Art. 16 WKStV). Es liege nahe, für Litauen das clean slate-Prinzip anzuwenden. Litauen und die beiden anderen baltischen Staaten seien in der Folge des sog. Hitler-Stalin-Paktes zwangsweise und unter Gewaltanwendung in die UdSSR eingegliedert worden. Sie hätten ihre Selbständigkeit bereits vor dem Untergang der UdSSR spätestens durch die Anerkennung durch Rußland am 24.8.1991 und durch die UdSSR am 6.9.1991 wiedererlangt. Die historischen Abläufe sprächen dafür, das clean slate-Prinzip für Litauen anzuwenden. Das Bild eines abhängigen Gebietes, dessen internationale Beziehungen vom Vorgängerstaat wahrgenommen wurden, dürfte die Verhältnisse Litauens in der UdSSR treffend beschreiben. Litauen selbst habe ausdrücklich erklärt, nicht Rechtsnachfolger der UdSSR zu sein. Obwohl Litauen danach nicht Mitglied des WUA sei, gehe der Senat vom Fortbestand des Urheberrechtsschutzes nach Maßgabe des WUA aus. Das WUA regele nicht die Folge für das nach seiner Maßgabe zunächst entstandene Urheberrecht, wenn der Urheber Angehöriger eines nach der Sukzession nicht mehr zum WUA gehörenden Staates sei. Litauen befinde sich infolge der Wiedererlangung der staatlichen Souveränität in einer Übergangssituation. Es sei durchaus damit zu rechnen, daß Litauen mit Rückwirkung dem WUA beitrete. Es sprächen verschiedene Anzeichen für einen künftigen Beitritt Litauens zum WUA. Das Fortbestehen dieser Übergangsphase lasse es geboten erscheinen, den Fortbestand des Urheberrechtsschutzes nach Maßgabe des WUA anzunehmen. Dafür spreche auch, daß selbst im Falle einer Kündigung der Urheberrechtsschutz gemäß Art. XIV WUA erst nach zwölf Monaten ende.

       Zur Staatennachfolge von Bosnien-Herzegowina in Verträge der Föderativen Sozialistischen Republik Jugoslawien vgl. unter [12] das Urteil des Bayerischen ObLG. Ähnlich wie das Bayerische ObLG äußerte sich das OLG Düsseldorf zu dieser Frage in seinem Urteil vom 26.9.1997 (IV - 26/96, nicht veröffentlicht) (vgl. S. 156 f. des Urteils).

      



      3 Abgedr. in ZaöRV 39 (1979), 279 ff.