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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1998


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Kai Peter Ziegler


VIII. Asylrecht

4. Familienangehörige von Asylberechtigten

       52. Für das BVerfG ergibt sich laut Beschluß vom 24.7.1998 (2 BvR 99/97 - FamRZ 1998, 1497) aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 GG während des Asylverfahrens kein Anspruch auf Zusammenleben eines Asylbewerbers mit seinen Familienangehörigen, wenn aufgrund des SDÜ67 verschiedene Länder für die Durchführung der Asylverfahren der einzelnen Familienmitglieder zuständig seien und der Asylbewerber selbst eine Aufspaltung der Zuständigkeiten herbeigeführt habe. Der Beschwerdeführer hatte in Spanien um politisches Asyl nachgesucht, während seine Familienangehörigen bereits zuvor in Deutschland ihre Anerkennung als Asylberechtigte erfolglos beantragt hatten. Der Beschwerdeführer war dann über die Türkei nach Deutschland eingereist und beantragte hier ebenfalls seine Anerkennung als Asylberechtigter, die als unbeachtlich abgelehnt wurde. Eilantrag und Klage des Beschwerdeführers wurden ebenso abgelehnt wie die Berufung an das OVG, so daß er nach Spanien überstellt wurde, wo sein Asylbegehren ebenfalls erfolglos blieb. Er kehrte dann illegal nach Deutschland zurück. Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil aus Art. 6 GG i.d.R. kein Anspruch darauf erwachse, daß Asylverfahren in Abweichung von zwischenstaatlichen Zuständigkeitsregeln im Bundesgebiet zusammen mit anhängigen Asylverfahren von Familienangehörigen durchgeführt würden. Die Trennung der Familie sei nur vorübergehend und dem Asylbewerber zumutbar, zumal der Beschwerdeführer durch eine autonom getroffene Entscheidung die Familieneinheit zunächst selbst aufgegeben und damit die Aufspaltung der Zuständigkeiten herbeigeführt habe.

       53. Das BVerwG urteilte am 29.9.1998 (9 C 31.97 - BVerwGE 107, 231), daß auch Kinder Familienasyl nach § 26 AsylVfG n.F. erst erhalten könnten, wenn der stammberechtigte Elternteil unanfechtbar als Asylbewerber anerkannt sei. Ein albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo reiste 1992 in die Bundesrepublik ein und beantragte erfolglos Asyl. Ihm wurde die Abschiebung nach Serbien angedroht. Das VG verpflichtete das Bundesamt jedoch dazu, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorlägen. Das OVG hielt die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht für gegeben, wies im übrigen aber die Berufung ab, weil dem Kläger gem. § 26 Abs. 2 AsylVfG Familienasyl zu gewähren sei, wogegen die Beklagte erfolgreich Revision einlegte. Das BVerwG führte aus, daß der Kläger mangels eigener politischer Verfolgung bzw. einer staatlichen Gruppenverfolgung der ethnischen Albaner im Kosovo keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG habe. Auch Familienasyl könne ihm nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG n.F. nicht gewährt werden, weil dies die unanfechtbare Anerkennung der Asylberechtigung des Ehegatten voraussetze und dies für minderjährige ledige Kinder entsprechend gelten müsse. Das Gesetz enthalte insoweit eine Regelungslücke, doch habe der Gesetzgeber nach den Gesetzesmaterialien nicht zwischen Ehegatten und minderjährigen ledigen Kindern differenzieren, sondern Familienasyl grundsätzlich nur bei unanfechtbarer Anerkennung des "Stammberechtigten" gewähren wollen.

       54. Nach der Ansicht des BVerwG in dem Beschluß vom 30.9.1998 (1 B 92.98 - InfAuslR 1999, 73) können Fälle außergewöhnlicher Härte i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; Abs. 1 S. 2 AuslG insbesondere gegeben sein, wenn der ausländische Ehegatte wegen physischer oder psychischer Mißhandlung die eheliche Lebensgemeinschaft aufgegeben hat. Das BVerwG führte dazu weiter aus, daß nach § 23 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AuslG die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges Aufenthaltsrecht grundsätzlich nur verlängert werde, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens vier Jahren in Form einer häuslichen Gemeinschaft im Bundesgebiet bestanden habe. Eine Lebensgemeinschaft bestehe nicht mehr, wenn die Ehegatten auf Dauer getrennt leben würden. Ob aber physische oder psychische Mißhandlungen nur dann als außergewöhnliche Härte i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AuslG angesehen werden könnten, wenn sie zur Auflösung der ehelichen Gemeinschaft geführt hätten, ziele auf die Würdigung der tatsächlichen Umstände des konkreten Falles und könne nicht zu einer Grundsatzrevision führen. Der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung des § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. S. 2 AuslG beabsichtigt, Härten zu begegnen, die sich für einen Ausländer und besonders für Frauen bei einer Rückkehr in das Heimatland gerade wegen der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft ergeben könnten. Der Fall müsse dabei so gravierend sein, daß eine andere Entscheidung als die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unvertretbar erscheine. Vorliegend habe das Berufungsgericht unter Berücksichtigung aller Umstände eine solche Härte aus den Körperverletzungen und den seelischen Belastungen einer sog. "Ehe zu Dritt" u.a. wegen der zeitlichen Zusammenhänge vertretbar verneint.



      67 Schengener Durchführungsübereinkommen vom 19.7.1990, BGBl. 1993 II 1013.