Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law Logo Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law

You are here: Publications Archive Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1998

Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1998


Inhalt | Zurück | Vor

Kai Peter Ziegler


VIII. Asylrecht

6. Verfahrensfragen

       59. Laut Urteil des BVerwG vom 24.11.1998 (9 C 53/97 - BVerwGE 108, 30) kann die Asylanerkennung eines Ausländers durch rechtskräftiges Verpflichtungsurteil nur aufgehoben werden, wenn die Rechtskraft nicht entgegensteht. Bei einer Rücknahme zu Unrecht habe das Gericht jedoch zu prüfen, ob sich der Aufhebungsbescheid wegen einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nach der Anerkennung als Widerruf aufrecht erhalten lasse. Ein albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo gab bei Stellung seines Asylantrags an, einem Einberufungsbefehl zur jugoslawischen Volksarmee nicht Folge geleistet zu haben, von der Polizei verhaftet und in eine kroatische Kaserne verbracht worden zu sein, von wo er habe fliehen können. Der Antrag wurde abgelehnt, das VG verpflichtete das Bundesamt aber mit rechtskräftigem Urteil zur Anerkennung. Als dem Bundesamt bekannt wurde, daß der Kläger zuvor bereits mit anderer Schreibweise seines Vornamens in Graz einen erfolglosen Asylantrag gestellt hatte, nahm es die Anerkennung zurück und drohte die Abschiebung an. Der Kläger erhob erfolgreich Klage, unterlag jedoch in der Berufung der Beklagten. In der Revision hatte er Erfolg. Das BVerwG führte dazu u.a. aus, daß die Rechtskraft des Verpflichtungsurteils aus § 121 VwGO zur Asylanerkennung und zur Feststellung, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorlägen, der Rücknahme der Asylanerkennung entgegenstünden. Die Rücknahme sowohl der Asylanerkennung gem. § 73 Abs. 2 AsylVfG als auch der Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG setze nämlich das Fehlen derartiger Ansprüche voraus, was die Beklagte aber wegen der Rechtskraft des Verpflichtungsurteils nicht mehr geltend machen könne. Die Rechtskraftwirkung bestehe unabhängig davon, ob die Sach- und Rechtslage erschöpfend und zutreffend gewürdigt worden sei. Bei der Zuerkennung und Aberkennung desselben Anspruchs sei auch zumindest von einer teilweisen Identität der Streitgegenstände auszugehen, so daß die Zweckbestimmung des § 121 VwGO, bei unveränderter Sach- und Rechtslage ein erneutes Verfahren zu vermeiden, greifen müsse. Die Aufhebung einer gerichtlich angeordneten Asylanerkennung könne erst nach Beseitigung der rechtskräftigen Entscheidung gem. § 153 VwGO erfolgen. Allerdings habe die Bundesrepublik Jugoslawien 1996 ein Amnestiegesetz in Kraft gesetzt, so daß im Falle der Rückkehr des Antragstellers nicht mehr mit einer Strafverfolgung wegen seiner Wehrdienstentziehung zu rechnen sei. Danach sei möglicherweise eine Rücknahme der Asylanerkennung nach § 73 Abs. 2 AsylVfG wegen Änderung der Sach- und Rechtslage denkbar, für die das Berufungsgericht aber noch weitere tatsächliche Feststellungen treffen müsse.

       60. Das BayObLG entschied mit Beschluß vom 19.2.1998 (3Z BR 42/98 - BayObLGZ 1998, 47), daß unabhängig davon, aus welcher Haft der Asylantrag gestellt werde, die in § 14 Abs. 4 S. 3 AsylVfG genannte Frist von 4 Wochen erst mit dem Eingang des Asylantrags beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge beginne. Das AG hatte gegen den Betroffenen Abschiebungshaft im Anschluß an eine Untersuchungshaft angeordnet, wogegen er sofortige Beschwerde zum LG einlegte, das die Haftanordnung aufhob. Die Ausländerbehörde legte sofortige weitere Beschwerde zum BayObLG ein, das den Antrag abwies. Es führte dazu aus, daß Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG grundsätzlich nicht angeordnet oder aufrecht erhalten werden dürfe, wenn der Ausländer bei oder nach seiner Einreise erstmals um Asyl nachsuche, weil ihm dann gem. § 55 Abs. 1 AsylVfG zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet sei. Dies gelte nicht nur für den Fall der unerlaubten Einreise, sondern für alle Haftgründe des § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-5 AuslG, weil mit der Aufenthaltsgestattung die Ausreisepflicht des Ausländers entfalle, die allen Haftgründen zugrunde liege. Etwas andere gelte nur unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 AsylVfG, wonach die Asylantragstellung aus der Haft der Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft nicht entgegenstehe. Auch in diesen Fällen führe die Gestattung des Aufenthalts nach § 55 Abs. 1 AsylVfG aber mit der Zustellung der Entscheidung des Bundesamtes zur Beendigung der Abschiebungshaft, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Wochen nach Eingang des Asylantrages beim Bundesamt, soweit der Asylantrag nicht als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sei. Dem Sinn und Zweck der Gesetzesänderung nach sei der Asylbewerber mit Ablauf der Frist aus der Sicherungshaft zu entlassen, weil das Bundesamt über den Asylantrag innerhalb von vier Wochen entscheiden solle und der Umstand, daß die Bearbeitung des Asylantrages längere Zeit in Anspruch nehme, dem Asylbewerber nicht angelastet werden könne. Die Frist sei hier bereits abgelaufen gewesen, so daß der Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft inzwischen § 55 Abs. 1 AsylVfG entgegengestanden habe.