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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1998


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Kai Peter Ziegler


V. Staatsangehörigkeit

2. Verlust

       23. Der hessische VGH hielt in seinem Urteil vom 18.5.1998 (12 UE 1542/98 - InfAuslR 1998, 505) die allgemeinen Rücknahmevorschriften des § 48 hess. VwVfG zur Rücknahme einer Einbürgerung wegen Verschweigens einer Doppelehe für grundsätzlich anwendbar. Die Rücknahme einer durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Einbürgerung sei aber rechtswidrig, wenn die Einbürgerungsbehörde kein Ermessen ausübe. Der in Pakistan geborene Kläger hatte sich zeitweilig als Asylbewerber in Deutschland aufgehalten und die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen geschlossen. Bei Beantragung seiner Einbürgerung beantwortete er die Fragen nach früheren Ehen und Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Personen, die nicht zur Haushaltsgemeinschaft gehörten, mit "Nein," woraufhin er eingebürgert wurde. Nach Scheidung seiner deutschen Ehe wurde bekannt, daß der Kläger noch vor seinem Antrag auf Einbürgerung die Ehe mit einer Pakistanerin geschlossen hatte. Die Einbürgerung wurde daraufhin zurückgenommen, obwohl der Kläger geltend machte, daß die Ehe in Pakistan nach islamischen Recht vollzogen worden und nach deutscher Rechtsprechung deshalb nicht mehr als eine Art freundschaftliche Beziehung sei. Widerspruch und Klage wurden abgewiesen. Die Berufung hatte jedoch Erfolg, da nach Auffassung des Senates die Einbürgerungsbehörde das ihr obliegende Ermessen nicht ausgeübt hatte. Die Anwendung des § 48 hess. VwVfG auf rechtswidrige Einbürgerungsentscheidungen nach §§ 8 und 9 RuStAG, die der Eingebürgerte durch falsche Angaben erschlichen habe, sei zwar zulässig. Auch das uneingeschränkte Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit in Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG stehe dem nicht entgegen, da diese Vorschrift Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit vor zwangsweiser Ausbürgerung schützen solle, nicht aber die Privilegierung krimineller Ausländer bezwecke: Sie verbiete nur Ausbürgerungen, wolle aber nicht rechtswidrige Einbürgerungen aufrecht erhalten. Eine erschlichene Staatsangehörigkeit werde daher nicht durch Art. 16 Abs. 1 GG geschützt. Wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sei die Rücknahme einer Einbürgerung daher selbst dann für zulässig zu erachten, wenn der Betroffene infolge der Rücknahme staatenlos werde. Im Ergebnis könne jedoch offenbleiben, ob die Voraussetzungen einer Rücknahme vorlagen, da die Rücknahme der Einbürgerung sich jedenfalls deshalb als rechtswidrig erweise, weil die Einbürgerungsbehörde das ihr obliegende Rücknahmeermessen nicht ausgeübt habe.