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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1999


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Ludger Radermacher


X. Schutz geistigen Eigentums

       43. Aus völkerrechtlicher Sicht von Interesse war die Feststellung des 1. Zivilsenates des BGH vom 29.4.1999 (I-ZR 65/96 - NJW 2000, 2202 ff.), daß die Erstveröffentlichung eines Werkes in einem Verbandsland i.S. des Art. 6 Abs. 1 der Revidierten Berner Übereinkunft in der Rom-Fassung74 (RBÜ) auch bei einer erstmaligen Veröffentlichung des Werkes in einer Übersetzung gegeben ist. Klägerin war ein italienisches Verlagsunternehmen, das im November 1957 den Roman "Dr. Shiwago" von Boris Pasternak in Italien erstmals in italienischer Fassung veröffentlichte. Das in russischer Sprache geschriebene Originalwerk erschien mit Genehmigung der Klägerin 1958 in den USA. Ein englischer Rechtsanwalt schrieb unter dem Pseudonym Alexander Mollin als Fortsetzung von "Dr. Shiwago" einen Roman mit dem Titel "Lara's Child". Der in Moskau lebende Sohn von Pasternak stimmte dem Vorhaben nicht zu. Der englische Verlag T, von dem wiederum die deutsche Beklagte die Nutzungsrechte an dem Roman für Deutschland erworben hatte, erwarb von Mollin die Rechte für die weltweite Nutzung des Werkes. Der Kläger beantragte u.a. die Verurteilung der Beklagten, es zu unterlassen, das Werk von Mollin zu vervielfältigen und zu verbreiten. Die Revision bestätigte die der Klage stattgebende Entscheidung des Berufungsgerichts. Der Roman "Dr. Shiwago" sei in Deutschland nach § 121 Abs. 4 UrhG aufgrund staatsvertraglicher Regelung urheberrechtlich geschützt. Der Schutz sei nach Art. 6 Abs. 1 RBÜ durch die erstmalige Veröffentlichung des Werkes in Italien als einem Verbandsland der RBÜ begründet worden. Irrelevant sei, daß der Roman im Jahr 1957 nicht in seiner russischen Originalfassung, sondern in italienischer Übersetzung erschienen sei. Dies folge aus Sinn und Zweck des Art. 6 Abs. 1 RBÜ. Eine Übersetzung enthalte mit Ausnahme des Wortlautes alle wesentlichen Elemente des Originalwerkes und ermögliche insoweit der Öffentlichkeit ein Kennenlernen des Werkes. Mit der Schutzgewährung bei einer Erstveröffentlichung in einem Verbandsland verfolge Art. 6 Abs. 1 RBÜ das Ziel, einen Anreiz für verbandsfremde Urheber zu schaffen, ihre Werke in einem Verbandsland der Berner Übereinkunft erscheinen zu lassen. Dies werde in aller Regel nur in einer Übersetzung in die Sprache des betreffenden Verbandslandes geschehen können. Dementsprechend könne das Ziel nur dann in der angestrebten Weise erreicht werden, wenn das Originalwerk durch die Erstveröffentlichung in einer Übersetzung Schutz nicht nur in dieser Form, sondern auch in seiner Originalgestalt erlange.




      74 Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 9.9.1886, revidiert in Rom am 2.6.1928, zuletzt revidiert in Paris am 24.7.1971, BGBl. 1973 II 1071, geändert durch Beschluß vom 2.10.1979, BGBl. 1985 II 81.