Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law Logo Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law

You are here: Publications Archive Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1999

Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1999


Inhalt | Zurück | Vor

Ludger Radermacher


XI. Deutschlands Rechtslage nach 1945 und deutsche Wiedervereinigung

       In vier Urteilen äußerte sich der erste Senat des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung des wiedervereinigten Deutschlands. Hier sollen nur die wesentlichen Leitsätze wiedergegeben werden:

       44. In einem ersten Urteil (1 BvL 32/95; 1 BvR 2105/95 (Leiturteil) - NJ 2000, 356 ff.) erkannte das Gericht, daß Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR nach den Maßgaben des Einigungsvertrages als Rechtspositionen der gesamtdeutschen Rechtsordnung anerkannt sind. Sie genössen seitdem und insoweit den Schutz des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Die Überführung dieser Ansprüche und Anwartschaften ausschließlich in die gesetzliche Rentenversicherung der Bundesrepublik sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Einigungsvertrag enthalte für Bestandsrentner (Rentenzugang vor dem 3.10.1990) aus den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR und Angehörige rentennaher Jahrgänge eine Zahlbetragsgarantie (= Betrag, der noch zu DDR-Zeiten für Juli 1990 aus der Rentenversicherung und den Versorgungssystemen zu erbringen war oder zu erbringen gewesen wäre). Diese Garantie sei für Bestandsrentner verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß der garantierte Zahlbetrag ab dem 1.1.1992 an die Lohn- und Einkommensentwicklung anzupassen sei. Die im AAÜG75 in Abänderung des Einigungsvertrages rückwirkend ab dem 1.8.1991 geregelte Zahlbetragsbegrenzung verstoße gegen die Eigentumsgarantie und sei nichtig. Bereits bestandskräftige Rentenbescheide blieben für den Rentenbezugszeitraum bis zur Bekanntgabe des Urteils des BVerfG von dieser Entscheidung unberührt.

       45. Das zweite Urteil des BVerfG (1 BvL 22/95; 1 BvL 34/95 - NJ 2000, 373 ff.) betraf die Absenkung des rentenwirksamen Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens im Falle der Zugehörigkeit zu staats- oder systemnahen Versorgungssystemen (§ 6 Abs. 2 AAÜG76; z.B. Zusatzversorgungsprogramm für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates oder Sonderversorgungssystem der Deutschen Volkspolizei) sowie im Falle der Ausübung systemnaher Funktionen (§ 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG; Richter oder Staatsanwalt). Die genannten Vorschriften hätten seit dem 1.7.1993 (Erlaß des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes) bis zum 31.12.1996 (Inkrafttreten einer neuen Regelung) gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) verstoßen und seien deshalb mit dem Grundgesetz unvereinbar gewesen. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, bis zum 30.6.2001 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Bereits bestandskräftige Rentenbescheide blieben von dieser Entscheidung unberührt.

       46. Das dritte Urteil des BVerfG (1 BvR 1926/96; 1 BvR 485/97 - NJ 2000, 367 ff.) betraf u.a. § 307b Abs. 1 SGB VI (in Kraft getreten am 1.1.1992). Nach dieser Vorschrift werde für die Neuberechnung von Bestandsrenten aus Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem der DDR für die Ermittlung der Entgeltpunkte (Ost) die während der gesamten Versicherungszeit bezogenen tatsächlichen Arbeitsentgelte oder Arbeitnehmereinkommen zugrunde gelegt. Hingegen erfolge für die übrigen Bestandsrentner (solche aus der Sozialpflichtversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung) die Neuberechnung ihrer Renten auf der Grundlage eines - für den Versicherten regelmäßig günstigeren - 20 Jahre-Zeitraums. Für diese Unterscheidung gebe es keinen rechtfertigenden Grund. Insoweit verstoße § 307 b Abs. 1 SGB VI gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und sei mit dem Grundgesetz unvereinbar. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, bis zum 30.6.2000 eine verfassungsgemäße Regelung zu erlassen. Bereits bestandskräftige Rentenbescheide blieben von dieser Entscheidung für den Rentenbezugszeitraum bis zur Bekanntgabe des Urteils des BVerfG unberührt.

       47. Im letzten Urteil in diesem Zusammenhang entschied das BVerfG (1 BvL 33/95; 1 BvL 11/94; 1 BvR 1560/97 - NJ 2000, 380 ff.), daß die durch § 7 Abs. 1 S. 1 AAÜG77 für Angehörige des Sonderversorgungssystems des MfS/AfNS vorgenommene Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen auf 70 v.H. des jeweiligen Durchschnittsentgelts im Beitrittsgebiet nicht mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG vereinbar und nichtig ist, soweit für die Rentenberechnung das zugrunde zu legende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen unter das jeweilige Durchschnittsentgelt im Beitrittsgebiet abgesenkt wird. Nichtig wegen Verstoßes gegen Art. 14 GG sei auch die Vorschrift des § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AAÜG über die Begrenzung von Zahlbeträgen der Leistungen des Sonderversorgungssystems des MfS/AfNS auf 802 DM monatlich bei Versichertenrenten. Bereits bestandskräftige Rentenbescheide würden von dieser Entscheidung für den Rentenbezugszeitraum bis zur Bekanntgabe des Urteils des BVerfG unberührt bleiben. Die bereits vom Gesetzgeber der DDR (§ 2 a Aufhebungsgesetz) vorgenommene, ab dem 3.10.1990 als Bundesrecht fortgeltende pauschale Kürzung von Versicherungsleistungen auf 990 DM monatlich sei mit dem Grundgesetz vereinbar.

       48. Mit Urteil vom 8.11.1999 (5 StR 632/98 - BGHSt 45, 270) bestätigte der BGH die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Mitgliedern des Zentralkomitees der SED für vorsätzliche Tötungen von Flüchtlingen durch Grenzsoldaten der DDR. In dem gegen die Angeklagten Schabowski, Kleiber und Krenz geführten Prozeß verwies der BGH zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen des LG, die sich u.a. auf die Grenze und deren Sicherung, die Bewachung der Grenzen durch die Grenztruppen der DDR, den Widerspruch zwischen einer offiziellen und einer tatsächlichen Befehlslage wie auch auf die eingeschränkte Souveränität der DDR durch die Einbindung in den Warschauer Pakt mit der dominierenden Rolle der UDSSR bezogen hätten. Auch wurde verwiesen auf Erklärungen des LG zum Politbüro und zum Nationalen Verteidigungsrat als den dominierenden politischen Machtzentren, die in enger wechselseitiger Verknüpfung durch eine Vielzahl von Beschlüssen das Grenzregime an der innerdeutschen Grenze bestimmt hätten. Der BGH erkannte, daß die Verurteilungen wegen (z.T. mehrfachen) Totschlags aufgrund der Beteiligung der Angeklagten an Beschlüssen des Politbüros bzw. des nationalen Sicherheitsrates zu Recht erfolgt sind. Kausalität liege vor, da die Beschlüsse des Politbüros und des Nationalen Verteidigungsrates Befehlsketten ausgelöst hätten, die letztlich Bedingungen für die tödlichen Schüsse gewesen seien. Darauf, wie das weitere Geschehen sich entwickelt hätte, wenn die Angeklagten jeweils ihre Zustimmung zu den Gremienbeschlüssen verweigert hätten, komme es nicht an. Eine Handlung könne auch dann nicht hinweggedacht werden, ohne daß der konkrete Erfolg entfiele, wenn die Möglichkeit oder die Wahrscheinlichkeit bestehe, daß ohne die Handlung des Täters ein anderer eine - in Wirklichkeit jedoch nicht geschehene - Handlung vorgenommen hätte, die ebenfalls den selben Erfolg herbeigeführt hätte. Die Beteiligungsform der mittelbaren Täterschaft liege vor, da durch staatliche Organisationsstrukturen, die durch Politbüro und nationalen Verteidigungsrat geschaffen worden seien, bestimmte Rahmenbedingungen ausgenutzt worden seien, innerhalb derer ein Tatbeitrag regelhafte Abläufe auslöse. Auch sei hier durch die Hintermänner in Kenntnis dieser Umstände gehandelt und der Erfolg gewollt gewesen. Unschädlich für die Annahme von Tatherrschaft sei der allgemeinkundige historische Umstand der unter dem dominierenden Einfluß der UdSSR nur eingeschränkten Souveränität der DDR in bezug auf das Grenzregime. Zum einen habe das Politbüro ein im wesentlichen gleichgerichtetes ureigenes Interesse an der Aufrechterhaltung des Grenzregimes gehabt, zum anderen sei der DDR die Aufrechterhaltung und Ausgestaltung des Grenzregimes weitgehend überlassen worden. Auch das Rückwirkungsverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG stehe der Verurteilung nicht entgegen. Die besondere Vertrauensgrundlage der Strafgesetze, die durch einen an die Grundrechte gebundenen demokratischen Gesetzgeber erlassen werden, entfalle in Fällen extremen staatlichen Unrechts. Hier seien zwar Straftatbestände für den Bereich schwersten kriminellen Unrechts normiert, die Strafbarkeit gleichwohl jedoch durch Rechtfertigungsgründe für Teilbereiche ausgeschlossen worden. Das Gebot materieller Gerechtigkeit, das auch die Achtung der völkerrechtlich anerkannten Rechtfertigungsgründe einschließe, erlaube in einem solchen Fall keine Rechtfertigung. Hinsichtlich des Strafmaßes seien im übrigen Grundsätze der Spezialprävention auch in Fällen eines Systemwechsels anwendbar. Dies gelte gerade angesichts der jüngeren Entwicklung des Völkerrechts, die durch eine erhöhte Sensibilisierung für eine Ahndung von solchen Gewaltverbrechen gekennzeichnet sei, die in Ausübung von Staatsgewalt begangen worden seien.

       49. Mit Urteil vom 21.1.1999 äußerte sich der BGH (5 StR 565/98 - NStZ 1999, 245) zur Frage, unter welchen Umständen Richtern und Staatsanwälten der ehemaligen DDR die Anwendung des Vertrauens- und Zweifelsgrundsatzes zugute kommen könne. Die angeklagten Richter und Staatsanwälte waren an einem 1981 durchgeführten Ausgangsverfahren beteiligt, das sich mit dem Vorwurf der Vorbereitung eines ungesetzlichen Grenzübertritts in einem schweren Fall (§ 213 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1, 2, 3 und 5 StGB-DDR) gegen die einzelnen Mitglieder einer Familie richtete, die mit einem selbstgebauten Leichtflugzeug die DDR verlassen wollten. Der BGH führte aus, daß zwar die Rechtsstaatswidrigkeit des Ausgangsverfahrens bei einer durch die Wertmaßstäbe des Grundgesetzes geprägten und auf die Achtung anerkannter Menschenrechte ausgerichteten Betrachtungsweise nicht in Frage stehen kann, da in solchen Strafverfahren eine grundlegende Mißachtung des Menschenrechts der Ausreisefreiheit und der persönlichen Freiheit zum Ausdruck kommt. Allerdings müßten mit Blick auf den rechtsstaatlich gleichfalls gebotenen Vertrauensschutz sowie auf Art. 103 Abs. 2 GG die Tatzeitanschauungen der verantwortlichen DDR-Justizangehörigen unter Berücksichtigung von DDR-Recht und DDR-Justizpraxis weitgehend Beachtung finden.78 Hiernach könne den Angeklagten nicht vorgeworfen werden, daß sie die von ihnen zu beurteilende Tat als besonders schwerwiegend bewertet haben. Die durch den BGH entwickelten Maßstäbe, nach denen Rechtsbeugung jedenfalls ab Verhängung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren gegeben sei, könnten hier deshalb keine Anwendung finden, weil sie lediglich für nicht besonders schwerwiegende Fälle entwickelt worden seien. Allerdings stehe der Fall wegen der im Vergleich dazu beträchtlich höheren Freiheitsstrafe (6 Jahre), die gegen den Haupttäter verhängt worden sei, sowie wegen der Wirkung des Strafverfahrens auf die zuvor sozial eingeordnet lebende Familie, an der Schwelle zur Rechtsbeugung. Die Annahme eines offensichtlichen Übermaßverstoßes liege auch nach den Maßstäben des DDR-Rechts keinesfalls fern. Aus subjektiver Sicht könne Rechtsbeugung daher lediglich wegen des beträchtlichen Gewichts der Tat aus der Sicht der DDR-Justizpraxis sowie mit Rücksicht auf eine immerhin erfolgte differenzierte Abstufung der gegen die einzelnen Verfolgten verhängten Sanktionen scheitern. Auch für die hier betroffenen Angeklagten streite mit nicht minderem Gewicht als in anderen Fällen der Zweifelsgrundsatz.79

       50. Ebenfalls zu den Voraussetzungen der Rechtsbeugung durch einen DDR-Richter bei der Anwendung des politischen Strafrechts der DDR äußerte sich der BGH mit Urteil vom 31.3.1999 (5StR 596/98 - NStZ 1999, 455 f.).80 Der Angeklagte hatte als Richter einen damals 25-jährigen und in Berlin West wohnenden Studenten zu einer Zuchthausstrafe von acht Jahren und zur Einziehung des Vermögens wegen des Vorwurfs eines Verbrechens des Staatsverrats nach § 13 Nr. 1 Alt. 2 (planmäßige Untergrabung der Gesellschaftsordnung) des Gesetzes zur Ergänzung des Strafgesetzbuches vom 11.12.195781 - im folgenden StEG - verurteilt. S hatte heftige Kritik am Funktionärswesen in der DDR geübt. Die angedrohte Mindeststrafe von fünf Jahren wurde dabei wegen der außerordentlichen Gemeinschaftsgefährlichkeit um drei Jahre überschritten. Der BGH sah hier den Rechtsbeugevorsatz als gegeben an: Die festgestellten Aktivitäten der Verbreitung systemkritischer Ideen durch einen jungen, überzeugten Kommunisten ließen sich kaum unter den Wortlaut des mehrfach offen gestalteten § 13 StEG subsumieren. Die Strafe sei offensichtlich rechtsstaatswidrig. Der vorliegende Fall sei auch für einen DDR-Richter offensichtlich im Grenzbereich der Anwendbarkeit der Strafnorm gelegen, womit ihm mindestens auf der Sanktionsseite eine ganz besondere Zurückhaltung auferlegt gewesen sei.82 Jedenfalls die deutliche Überschreitung der bereits überaus massiven Mindeststrafe des § 13 StEG um drei Jahre sei als rechtsbeugerisch zu werten. Eine Bestrafung in der hier erkannten Höhe dürfte -auch nach den maßgeblichen Vorstellungen eines DDR-Juristen zur Tatzeit - ersichtlich nur für Fälle schwerer Kriminalität verhängt werden.

       51. Nach der Entscheidung des BVerfG vom 7.12.1999 (2 BvR 1533/94 - EuGRZ 2000, 86 ff.) verletzt die Vorschrift des § 1 Abs. 1 des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (StrRehaG)83 den Verurteilten nicht in seinen Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Das Rehabilitierungsgericht habe jedoch den Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip des GG) durch die schlichte Übernahme der Tatsachenfeststellungen des DDR-Gerichts verletzt, obwohl der Vortrag politischer Verfolgung Anlaß zur Prüfung gegeben habe. Der Beschwerdeführer war von einem Militärgericht der DDR wegen Fahnenflucht zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Er wandte sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Ablehnung seiner Rehabilitierung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz durch das OLG. Das BVerfG hielt die Verfassungsbeschwerde für begründet. § 1 Abs. 1 StrRehaG verstoße nicht gegen Art. 1 Abs. 1 des GG (Menschenwürde), obwohl Verurteilungen wegen Fahnenflucht - anders als Verurteilungen wegen Wehrdienstentziehung und Wehrdienstverweigerung - nicht in den Regelkatalog des § 1 Abs. 1 StrRehaG aufgenommen worden seien. Gegenstand der Rehabilitierung sei im Gegensatz zur strafrechtlichen Verurteilung, die ein sozial-ethisches Unwerturteil enthalte und den in der Menschenwürde wurzelnden Wert- und Achtungsanspruch des Verurteilten berühre, gerade die Beseitigung eines solchen Unwerturteils. Die grundsätzliche Anordnung der Wirksamkeit der Entscheidungen der DDR-Gerichte durch Art. 18 des Einigungsvertrages (EV)84 sowie die in Art. 17 EV enthaltene Aufforderung zu einer Rehabilitierung aller Personen, die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme geworden seien, habe vom Gesetzgeber verlangt, aus der Vielzahl fortgeltender gerichtlicher Entscheidungen unter Beachtung des Rechtsstaatsprinzips diejenigen herauszufiltern, die rechtsstaats- und verfassungswidrig gewesen seien. Hierbei sei ihm von Verfassungs wegen ein weiter Gestaltungsspielraum einzuräumen. Mit der Generalklausel habe er der Norm einen weiten Anwendungsbereich gegeben, der durch exemplarisch aufgeführte Straftatbestände strukturiert worden sei. Der DDR-Straftatbestand der Fahnenflucht habe nicht in den Regelkatalog des § 1 Abs. 1 StrRehaG aufgenommen werden müssen, da solche Verurteilungen nicht die in der Völkerrechtsgemeinschaft anerkannten Menschenrechte in schwerwiegender Weise verletzten. Die DDR sei ein Staat im Sinne des Völkerrechts gewesen und habe die Möglichkeit gehabt, eine Armee zu bilden und diese auch strafrechtlich abzusichern. Das Militärstrafrecht der DDR habe sich im Rahmen militärstrafrechtlichen Herkommens gehalten und - wie für derartige Vorschriften üblich - darauf abgezielt, die ständige Einsatzbereitschaft und Kampffähigkeit der Streitkräfte sicherzustellen. Die konkreten Aufgaben der einzelnen Soldaten seien nicht notwendig oder auch nur etwa regelmäßig menschenrechtswidrig gewesen. Allerdings sei der Beschwerdeführer in seinem Grundrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip durch die vermutete Bindung des Rehabilitierungsgerichts an die Tatsachenfeststellung des DDR-Gerichts verletzt worden. Dies gelte namentlich deshalb, weil auch bei Nichterwähnung der Fahnenflucht im Regelkatalog des § 1 Abs. 1 StrRehaG eine rehabilitierungsfähige Entscheidung dann vorliegen könne, wenn im Einzelfall - was hier geltend gemacht worden sei - die Verurteilung auf politischer Verfolgung beruhen würde und somit die in der Völkerrechtsgemeinschaft allgemein anerkannten Menschenrechte in schwerwiegender Weise mißachtet worden wären.

       52. Nach dem Urteil des OVG Frankfurt vom 24.3.1999 (3 A 60/97 - NuR 1999, 587 ff.) kann sich die Bundesrepublik Deutschland zur Rechtfertigung einer in die Planungshoheit einer Gemeinde eingreifenden Nutzung eines ehemals von den sowjetischen Streitkräften als Schieß- und Bombenabwurfplatz genutzten Geländes durch die Bundeswehr als Truppenübungsplatz und Luft-Boden-Schießplatz weder auf Art. 21 Einigungsvertrag (EV)85 oder das Protokoll zum EV noch auf Vorschriften des Zustimmungsgesetzes zum Deutsch-Sowjetischen Truppen(abzugs)vertrag berufen. Die klagende Gemeinde wandte sich im zugrundeliegenden Fall gegen die Nutzung eines ehemals von den sowjetischen Streitkräften als Schieß- und Bombenabwurfplatz genutzten Geländes durch die Bundeswehr. Das OVG erklärte, daß die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung der Nutzungen hat, da nachhaltig und ohne die dafür erforderliche gesetzliche Grundlage in ihre Planungshoheit eingegriffen wird. Eine Rechtfertigung der Nutzung des Geländes könne auch nicht mit Erfolg auf Art. 21 EV gestützt werden. Art. 21 Abs. 1 S. 1 EV sei eine bloße Vorschrift über die Verteilung des Verwaltungsvermögens. Das Vermögen des Zentralstaats habe den Ebenen Bund, Land und Kommune sachgerecht zugeordnet werden sollen, ohne daß der jeweils begünstigte Träger öffentlicher Verwaltung dazu habe ermächtigt werden sollen, den Gegenstand zu Lasten privater oder sonstiger Dritter wie einer Gemeinde zu nutzen. Auch Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 12.10.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 21.12.199086, wonach die den sowjetischen Truppen nach diesem Vertrag zur Verfügung stehenden Grundstücke als rechtlich in Anspruch genommen gälten, soweit sie für die im Vertrag genannten Ziele weiter benötigt würden, komme als Rechtsgrundlage der militärischen Nutzung durch die Beklagte nicht in Betracht. Diese Vorschrift sei im Zusammenhang zu sehen mit der in Art. 4 Abs. 1 des genannten Vertrages statuierten Pflicht der sowjetischen Truppen zum Abzug aus Deutschland und des bis zu diesem Abzug durch Art. 8 Abs. 1 des Vertrages garantierten Rechts zur weiteren Nutzung der Grundstücke auch insoweit, als diese nicht im Bundeseigentum ständen. Zur Sicherung genau dieses Rechts - und zu keinem weiteren Zweck - habe die genannte Rechtsfiktion des Art. 2 Abs. 1 des Vertrages greifen sollen. Über eine weitere anschließende Nutzung dieser Flächen durch die Bundeswehr sage der Vertrag hingegen nichts. Der Gesetzgeber sei bei der Regelung der Nutzung von Flächen durch die sowjetischen Truppen nicht von einer Kontinuität ausgegangen. Auch auf eine Widmung der Flächen als Truppenübungsplatz könne sich die Beklagte nicht berufen. Eine konkrete, einzelfallbezogene Verwaltungsentscheidung der DDR über die Widmung des Geländes zur militärischen Nutzung, die nach Art. 19 EV wirksam geblieben wäre, habe es nicht gegeben. Eine solche einzelfallbezogene Widmung sei auch nicht durch Art. 15 Abs. 1 des Regierungsabkommens zu den mit der zeitweiligen Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der DDR verbundenen Fragen vom 12.3.195787 begründet worden, wonach den sowjetischen Truppen weiterhin das Recht zur Nutzung des kraft Besatzungsrechts in Anspruch genommenen Geländes gewährt worden sei. Im übrigen hätte eine solche Widmung ohnehin nur die Nutzung durch die Sowjettruppen erfaßt.

       53. Nach dem Urteil des BVerwG vom 27.4.1999 (BVerwG 2 C 26.98 - BVG 109, 59 ff.) ist § 15 Abs. 1 Nr. 3 SächsBG a.F. mit den rahmenrechtlichen Bestimmungen des Bundes unvereinbar. Es unterliege in vollem Umfang verwaltungsgerichtlicher Kontrolle, ob das Festhalten am Beamtenverhältnis wegen Tätigkeit für das frühere Ministerium für Staatssicherheit unzumutbar sei. Es ging in diesem Fall um einen seit Oktober 1991 beim Landeskriminalamt Sachsen tätigen, ehemaligen Oberstleutnant der Deutschen Volkspolizei der früheren DDR, der bei der Einstellung die Frage nach einer Arbeit für das Ministerium für Staatsicherheit (MfS) bzw. das Amt für nationale Sicherheit (AfnS) verneint hatte und später in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen wurde. Nach Bekanntwerden seiner Mitarbeit für das MfS nahm die Beklagte die Ernennung zum Beamten auf Probe nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 SächsBG zurück. Die Revision des Beklagten führte zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das BVerwG erkannte, daß die als Rechtsgrundlage für die mit der früheren Tätigkeit für das MfS begründete Rücknahmeverfügung allein in Betracht kommende Regelung des § 15 Abs. 1 Nr. 3 SächsBG a.F. vom 17.12.199288 mit Bundesrecht nicht vereinbar ist. Die Regelung weiche hinsichtlich der Rechtsfolge, der zeitlichen und persönlichen Geltung wie auch partiell hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen von den rahmenrechtlichen Vorgaben der Anlage I, Kapitel XIX, Sachgebiet A, Abschnitt III (im folgenden: EV Anlage) Nr. 3 zum Einigungsvertrag (EV)89 ab, an die die neuen Länder nach EV Anlage Nr. 2 Buchst. b und c zum EV bei Erlaß des in eigener Gesetzgebungskompetenz geschaffenen Beamtenrechts gebunden gewesen seien. Die Vorschriften des EV seien nach den für die Interpretation von Gesetzen allgemein geltenden Regeln auszulegen, da sie als Modifikationen des Beamtenrahmenrechtsgesetzes (BRRG) deren normativen Charakter teilten und die Begriffswahl dem Sprachgebrauch des Beamtenrechts folge. Eine Abweichung von der EV Anlage Nr. 3 d liege u.a darin, daß diese nur die Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Probe zulasse, die landesrechtliche Rücknahmeregelung sich aber auf jegliche Ernennung beziehe. Auch mit den Rahmenregelung der §§ 9, 10 BRRG stehe § 15 Abs. 1 Nr. 3 SächsBG nicht in Einklang: Der rahmenrechtliche Katalog der Tatbestände, die die Rücknahme einer Ernennung rechtfertigten, sehe eine solche Maßnahme wegen Tätigkeit für das frühere MfS nicht vor. § 9 BRRG regele erschöpfend die Voraussetzungen, unter denen der Landesgesetzgeber die Zurücknahme einer Ernennung obligatorisch zu normieren hat, während § 10 BRRG - ebenfalls abschließend, jedoch fakultativ - weitere landesgesetzliche Rücknahmeregelungen zulasse. Diese Normen seien Ausdruck des hergebrachten Grundsatzes der Ämterstabilität mit einer grundsätzlichen Rechtsbeständigkeit der Ernennung. Eine Aussetzung des Revisionsverfahrens und eine Vorlage an das BVerfG seien gleichwohl deshalb ausgeschlossen, weil nicht abschließend festgestellt werden könne, daß es auf die Gültigkeit des § 15 Abs. 1 Nr. 3 SächsBG a.F. ankomme. Die Gründe, aus denen das OVG der Klage stattgegeben hat, seien ungeachtet der Gültigkeit des § 15 Abs. 1 Nr. 3 SächsBG a.F. mit revisiblem Recht nicht vereinbar, so daß die Sache an das OVG zurückzuweisen sei. Die in § 15 Abs. 1 Nr. 3 SächsBG a.F. enthaltenen Verweisung auf § 6 Abs. 2 Nr. 2 SächsBG knüpfe materiellrechtlich an ein Einstellungshindernis an, das inhaltsgleich bereits vor Inkrafttreten des SächsBG aufgrund der Geltung der EV Anlage Nr. 3 Buchst. d i.V.m. Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2 auch als Landesrecht (EV Anlage Nr. 2 Buchst. a) normiert und damit bei Ernennung des Klägers am 1.9.1992 zu beachten gewesen sei. § 6 Abs. 2 Nr. 2 SächsBG und EV Anlage Nr. 3 Buchst. d i.V.m. Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2 hätten trotz unterschiedlicher Formulierungen die gleichen tatbestandlichen Voraussetzungen. Bei einer den Einigungsvertrag berücksichtigenden bundesrechtskonformen Auslegung dieser Voraussetzungen schließe nicht schon allein die Tätigkeit für das frühere MfS die Eignung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 zwingend aus, lasse jedoch eine Schlußfolgerung auf mangelnde Eignung zu. Die Zusammenarbeit mit dem MfS stelle die Vertrauenswürdigkeit des Bediensteten sowie seine innere Bereitschaft, Bürgerrechte zu respektieren und rechtsstaatliche Regeln als verbindlich einzuhalten, nachhaltig in Frage. Berechtigte Zweifel an der rechtsstaatlichen und demokratischen Integrität würden geweckt. Bei der Frage der Unzumutbarkeit/Untragbarkeit sei eine einzelfallbezogene Würdigung verlangt, in der der Grad der persönlichen Verstrickung sich vor allem aus Art, Dauer und Intensität sowie aus dem Grund der Aufnahme und Beendigung der Tätigkeit für das MfS ergebe. Des weiteren sei von Bedeutung, zu welcher Zeit und in welchem Ausmaß der Beamte für das MfS tätig gewesen und für welche Laufbahn er vorgesehen gewesen sei. Der Begriff der Unzumutbarkeit/Untragbarkeit unterliege dabei im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts der vollen gerichtlichen Kontrolle. Für das MfS sei jemand tätig gewesen, wenn er dieses bewußt und final unterstützt habe. In subjektiver Hinsicht sei erforderlich, daß der spätere Beamte wissentlich und willentlich für das MfS tätig geworden sei.

       54. In einem Urteil vom gleichen Tag erkannte das BVerwG (2 C 34.98 - BVG 109, 68), daß es für die Entlassung eines Beamten auf Probe im Dienst des Freistaates Sachsen wegen Tätigkeit für das frühere MfS nach Inkrafttreten des SächsBG an einer Rechtsgrundlage fehlt. Vorschriften über die Entlassung von Bundesbeamten könnten jedenfalls dann nicht auf Landesbeamte entsprechend angewandt werden, wenn das Rahmenrecht nicht zwingend eine solche Rechtsgrundlage vorsehe. Wieder ging es um einen 1992 in das Beamtenverhältnis auf Probe berufenen Kläger, der 1995 nach Aufdeckung seiner Verstrickung in das MfS entlassen wurde. Seine Sprungrevision gegen das klageabweisende Urteil war erfolgreich. Das BVerwG führte aus, daß es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage für die Entlassung fehlt. Die Regelung in Anlage I, Kapitel XIX, Sachgebiet A, Abschnitt III - im folgenden EV Anlage - Nr. 3 Buchst. d i.V.m. Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2 zum Einigungsvertag (EV)90 habe als eine gemäß EV Anlage Nr. 2 Buchst. a S. 2 unmittelbar bis zum Inkrafttreten des jeweiligen Landesbeamtengesetzes für Landesbeamte geltende Vorschrift nach Inkrafttreten des Beamtengesetzes für den Freistaat Sachsen nicht mehr angewandt werden können und sodann den Charakter einer den § 23 BRRG ergänzenden Rahmenregelung angenommen. Die Regelungen des Einigungsvertrages über die Entlassung eines Beamten wegen Tätigkeit für das frühere MfS seien nicht in das Sächsische Beamtenrecht übernommen worden. Auch über die auf den Einigungsvertrag verweisende Regelung des Art. 119 S. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen habe der Verfassungsgeber nicht den Vorschriftenbestand des Einigungsvertrages für die Zukunft des Landes festschreiben wollen. Die fehlende Rechtsgrundlage stelle keine planwidrige Gesetzeslücke dar, die durch Anwendung der Vorschriften des Einigungsvertrages geschlossen werden könne. Die Kodifikation des Beamtenrechts durch die Länder im Rahmen ihrer Gesetzgebungszuständigkeit bestimme ausdrücklich, abschließend und vollständig die Tatbestände, die die Auflösung des Beamtenverhältnisses rechtfertigten.

       55. Der BFH erklärte mit Urteil vom 19.1.1999 (VII R 24/98 - DStRE 9/99), daß die rechtlichen Regelungen über den innerdeutschen Handel in dem Zeitraum zwischen dem Abschluß des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18.5.1990 und der Wiedervereinigung am 3.10.1990 ungeachtet dessen in Kraft geblieben sind, ob sie von den Behörden noch stets in vollem Umfang tatsächlich angewandt worden sind. Die Klägerin und Revisionsklägerin begehrte Ausfuhrerstattungen für Fleisch, das von in der ehemaligen DDR aufgezogenen, im Mai und Juni 1990 in das damalige Bundesgebiet verbrachten Rindern stammte und Anfang 1991 in die UdSSR ausgeführt wurde. Gegen die den Antrag abweisende Entscheidung des FG blieb die Revision erfolglos (§ 126 Abs. 2 FGO). Der BFH erkannte, daß der nach der Verordnung (EWG) Nr. 885/68 des Rates vom 28.6.1968 über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Rindfleisch und über die Kriterien für die Festsetzung dieser Erstattungen zu erbringende Nachweis, daß es sich um Erzeugnisse mit Ursprung in der Gemeinschaft handelt, nicht erfüllt ist. Es handele sich weder um aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft stammende Ware noch um Ware dritter Länder, die in den Mitgliedstaaten in den freien Verkehr gelangt seien. Zwar hätten Waren, die sich am Tag der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands im freien Verkehr der DDR befunden hätten, nach der für den Senat bindenden Vorabentscheidung des EuGH auf die Vorlagefrage des erstinstanzlich mit diesem Fall befaßten FG91 mit rechtlicher Wirkung für die Zukunft Gemeinschaftsursprung. Dies gelte jedoch nicht bei vorheriger Verbringung der Waren in die Bundesrepublik nach den Bestimmungen des innerdeutschen Handels. Durch das Protokoll über den innerdeutschen Handel und die damit zusammenhängenden Fragen vom 25.3.195792, das i.S. des Art. 239 EGV Bestandteil des Vertrages geworden sei, sei zur Vermeidung eines ansonsten mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaften auftretenden Konflikt festgelegt worden, daß die Anwendung des EGV in Deutschland keinerlei Änderungen des bestehenden Systems erfordere, die Bundesrepublik also berechtigt gewesen sei, die Vorschriften über den innerdeutschen Handel auch nach dem Beitritt zur EWG anzuwenden. An der Gültigkeit dieser rechtlichen Bestimmungen habe sich bis zum Mai/Juni 1990 nichts geändert Durch eine mögliche Beendigung des Interzonenhandels mit Abschluß des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR vom 18.5.199093 sei die DDR nicht in das Zollgebiet der Gemeinschaft per 18.5.1990 einbezogen worden. Rechtsnormen blieben ungeachtet ihrer tatsächlichen Anwendung im allgemeinen in Kraft, bis sie aufgehoben würden. Die Regelungen des Transithandelsverfahrens seien auch durch den Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland nicht rückwirkend aufgehoben worden. Auch die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften böten keinen Anhaltspunkt dafür, daß die infolge des Einigungsvertrages erfolgte Ausdehnung des Gemeinschaftsrechts auch Waren erfaßt habe, die sich am 3.10.1990 nicht mehr in einem zollrechtlich unbeschränkten freien Verkehr befunden hätten.

       56. Mit Urteil vom 27.1.1999 entschied das BSG (B 4 RA 29/98 R - ZfS 1999, 117), daß das Abkommen zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der Tschechoslowakischen Republik über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sozialpolitik (DDRTschSozPAbk) vom 11.9.195694 mit dem Untergang der DDR mit Ablauf des 2.10.1990 völkerrechtlich erloschen ist. Art. 12 des Einigungsvertrages (EV)95 beschränke sich auf eine völkerrechtliche (Selbst-)Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, vor einer abschließenden Meinungsbildung zum Schicksal der Verträge der ehemaligen DDR deren Vertragspartner zu konsultieren. Eine den Anforderungen von Art. 59 GG genügende Transformation des DDRTschSozPAbk in Bundesrecht sei nicht erfolgt. Folgender Sachverhalt lag dem Fall zugrunde: Die 1950 in der DDR geborene Klägerin lebte zwischen 1971 und 1988 mit ihrer Familie in der Tschechoslowakei und legte dort nach tschechischem Recht rentenversicherungsrechtlich relevante Beschäftigungs- und Erziehungszeiten zurück. 1988 siedelte die Klägerin in die Bundesrepublik über, wo sie seitdem lebt. Nach dem DDRTschSozPAbk und der dazu erlassenen Verordnung v. 27.6.195796 hätte die Klägerin bei Wiederbegründung eines Wohnsitzes in der DDR dort einen Anspruch auf Berücksichtigung der in der Tschechoslowakei zurückgelegten Rentenzeiten in der Sozialpflichtversicherung gehabt. Ein von der Klägerin im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens bei der BFA gestellter Antrag auf Anerkennung der zwischen 1971 und 1988 zurückgelegten Zeiten blieb erfolglos. Die Klage hatte auch in der Revision keinen Erfolg. Das BSG führte aus, daß sich ein Anspruch auf Berücksichtigung der streitigen Zeiten auch nicht aus einem die Bundesrepublik Deutschland bindenden Sozialversicherungsabkommen herleiten läßt. Ein solches existiere mit der Tschechoslowakei bzw. deren Nachfolgestaaten nicht. Das zwischen der DDR und der Tschechoslowakei abgeschlossene DDRTschSozPAbk scheide als Grundlage für einen Vormerkungsanspruch der Klägerin aus. Die DDR sei als Staats- und Völkerrechtssubjekt mit Ablauf des 2.10.1990 untergegangen. Damit sei jeder Geltungsgrund für ihre innerstaatliche Rechtsordnung entfallen. Auch für das DDRTschSozPAbk und die dazu erlassene Verordnung fehle der Geltungsgrund. Regelungen des Völkerrechts oder allgemeine völkerrechtliche Rechtsgrundsätze, aus denen sich im konkreten Fall im Verhältnis zu anderen Staaten eine Rechtsnachfolge der Bundesrepublik Deutschland ergeben könnte, fehlten. Art. 12 EV beschränke sich auf eine völkerrechtliche (Selbst-)verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, vor einer abschließenden Meinungsbildung zum Schicksal der Verträge der ehemaligen DDR deren Vertragspartner zu konsultieren. Eine den Anforderungen des Art. 59 GG genügende Transformation des DDRTschSozPAbk in Bundesrecht durch ein Bundesgesetz sei nicht erfolgt. Die auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 1 EVtrG ergangene Abk-AnwendungsVO vom 3.4.199197 i.d.F. der AnwendungsÄnderungsVO98 erfasse die Klägerin schon deshalb nicht, weil sie am 2.10.1990 in der DDR keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe; damit habe ihr hinsichtlich der streitigen Auslandszeiten gegenüber der DDR aus deren völkerrechtlichen Verträgen keine Berechtigung zugestanden, welche im Wege des bundesrechtlichen Vertrauensschutzes ab dem 3.10.1990 im Beitrittsgebiet hätte aufrechterhalten werden müssen. Ohnehin wären die DDR und die Tschechoslowakei nicht in der Lage gewesen, im Wege von Abkommensregelungen die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten.

       Zu diesem Komplex mit im wesentlichen gleicher Argumentation ist auch das am gleichen Tag ergangene Urteil des BSG (B 4 RA 44/98 R) zu beachten, in dem es um rentenversicherungsrechtliche Ansprüche aus einem Abkommen zwischen der DDR und der ungarischen Volksrepublik ging.

       57. In einem Fall, in dem es um Ansprüche einer Gemeinde auf Rückübertragung von Grundstücken aus sog. Rückfallvermögen des Bundes i.S. des § 5 Reichsvermögensgesetzes (RVG)99 ging, entschied der Hessische VGH mit Urteil vom 26.10.1999 (11 UE 661/99 - DVBl. 2000, 357 ff.), daß für die gerichtliche Beurteilung der prognostischen Einschätzung eines geltend gemachten Bundesbedarfs i.S. des § 5 Abs. 2 und Abs. 3 RVG die während des in § 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 RVG vorgesehenen Verfahrens - hier Ende des Jahres 1963 - bekannten und vorhersehbaren Tatsachen maßgebend gewesen sind. Ein zu diesem Zeitpunkt gegebener, durch Art. 48 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut gedeckter Stationierungsbedarf ausländischer Streitkräfte sei aufgrund der damaligen Rechtslage vorübergehender Natur gewesen, sofern nicht ein konkreter Anschlussbedarf, insbesondere der Bundeswehr, absehbar gewesen sei. Dem Anspruch der Klägerin auf Rückübertragung der von ihr unentgeltlich für militärische Zwecke überlassenen Grundstücke habe nicht Art. 134 Abs. 3 und Abs. 4 GG i.V.m. § 5 Abs. 2 und 3 RVG entgegengestanden, da der Bund im maßgeblichen Zeitpunkt des Anmeldeverfahrens nach § 5 Abs. 1 S. 2 und 3, Abs. 2 S. 2 RVG die Grundstücke weder unmittelbar für eigene Verwaltungsaufgaben benötigt habe noch sein Bedarf ein nicht nur lediglich vorübergehender i.S. des § 5 Abs. 3 RVG gewesen sei. Aufgrund der damaligen völkerrechtlichen Situation sei die Verpflichtung der Beklagten, die weitere Überlassung der streitgegenständlichen Liegenschaften an die US-Streitkräfte zur militärischen Nutzung zu gewährleisten, auf einen zeitlich nicht bestimmbaren, aber von der Anlage vorübergehenden Zeitraum begrenzt gewesen. Dies ergebe sich aus den Regelungen der Art. 48 Abs. 2 und Abs. 5 der am 1.7.1963 in Kraft getretenen Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut vom 3.8.1959100, aus denen hervorgehe, daß die Vereinbarungen nicht auf eine Dauerstationierung ausländischer NATO-Truppen in der Bundesrepublik Deutschland angelegt gewesen seien. Die Teilung Deutschlands und der sich daraus ergebende erhöhte Stationierungsbedarf sei sowohl nach dem innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland wie auch völkerrechtlich als vorübergehendes Provisorium anzusehen gewesen. Dies habe sich sowohl aus der damaligen Fassung der Präambel des Grundgesetzes wie auch insbesondere aus Art. 23 GG ergeben, nach dem das GG in den anderen Teilen Deutschlands nach deren Beitritt in Kraft zu setzen sei. Auch die damals maßgebenden völkerrechtlichen Vereinbarungen seien von dem Grundsatz ausgegangen, daß es sich bei der Teilung Deutschlands und dem daraus resultierenden Stationierungsbedarf um ein Provisorium gehandelt habe. Hierfür spräche neben Art. 2 des Deutschlandvertrags101, wonach die Drei Mächte die bisher von ihnen ausgeübten Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und auf Deutschland als Ganzes nur im Hinblick auf die nationale Lage, die bisher die Wiedervereinigung Deutschlands und den Abschluß eines Friedensvertrages verhindert hat, hätten beibehalten sollen, auch der Art. 10 dieses Vertrages, der eine Überprüfung der Bestimmungen des Vertrages u.a. bei einer Wiedervereinigung Deutschlands vorgesehen habe.




      75 Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittgebietes vom 25.7.1991, BGBl. I 1606, 1677.

      76 Ibid.

      77 Ibid.

      78 BGHSt 41, 247, 253 ff.

      79 BGH, Urteil vom 24.11.1998 - 5 StR 253/98.

      80 NStZ 1999, 455 f.

      81 DDR-GBR I Nr. 78, 643.

      82 BGHSt 41, 247, 275.

      83 Gesetz über die Rehabilitierungsmaßnahmen von Opfern rechtsstaatswidriger Verfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet in der Neufassung vom 1.7.1997, BGBl. 1997 I 1613.

      84 Vertrag vom 31.8.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands, BGBl. 1990 II 889.

      85 Ibid.

      86 BGBl. 1991 II 256.

      87 GBl. I. 237.

      88 GVBl. 615.

      89 Vertrag vom 31.8.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands, BGBl. 1990 II 889.

      90 Ibid.

      91 Urteil des EuGH vom 7.5.1997, Rs. C. 223/95 - EuGHE 1997, I-2379, ZfZ 1997.

      92 BGBl. 1957 II 984.

      93 BGBl. 1990 II 537.

      94 GBl. I 1957 393.

      95 Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990, BGBl. 1990 II 889.

      96 GBl. I 393.

      97 BGBl. 1991 II 614.

      98 BGBl. 1992 II 1231.

      99 Reichsvermögensgesetz vom 16.5.1961, BGBl. 1961 I 597.

      100 BGBl. 1961 II 1183, 1212.

      101 Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Mächten vom 26.5.1952, BGBl. 1954 II 59 ff.