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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1999


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Ludger Radermacher


XIII. Europäisches Gemeinschaftsrecht

2. Allgemeines Diskriminierungsverbot

       63. Das BVerwG unterstrich in seinem Beschluß vom 20.7.1999 (6 B 51/99 - NJW 1999, 3572 f.), daß es nicht gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 48 EGV verstößt, wenn die Zulassung zur deutschen Rechtsanwaltseignungsprüfung einem österreichischen Staatsangehörigen versagt wird, der in seinem Heimatland zwar ein rechtswissenschaftliches Studium, nicht aber die dort für den Zugang zum Anwaltsberuf ebenfalls erforderliche berufspraktische Zeit mit anschließender Rechtsanwaltsprüfung absolviert hat. Der rechtserhebliche Unterschied zu Personen etwa aus Portugal und Griechenland liege darin, daß diese allein durch das Hochschulstudium in ihrem Land eine unmittelbar den Zugang zum Anwaltsberuf eröffnende Qualifikation erworben hätten. Nur unter der Voraussetzung des Erwerbs dieser Qualifikation könne mit Blick auf die aus Art. 48 Abs. 2 und 52 Abs. 2 EGV herzuleitenden Diskriminierungsverbote der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der Gleichwertigkeit der Diplome gelten.113 Nur hier sei die objektive Feststellung möglich, daß ein ausländisches Diplom seinem Inhaber die gleichen oder zumindest gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie das innerstaatliche Diplom bescheinige.114 Dieser Grundsatz konkretisiere sich in Art. 3 lit. a der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21.12.1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung von Hochschuldiplomen, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen.115. Hiernach könne, wenn der Zugang zu einem reglementierten Beruf (Art. 1 lit. c und d Richtlinie 89/48/EWG) oder dessen Ausübung im Aufnahmestaat von dem Besitz eines Diploms abhängig gemacht werde, die zuständige Stelle einem Angehörigen eines Mitgliedstaates den Zugang zu diesem Beruf nicht wegen mangelnder Qualifikation verweigern, wenn der Antragsteller ein Diplom besitzt, das in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich ist, um Zugang zu diesem Beruf zu erhalten oder ihn dort auszuüben. Auf diese sonach vorausgesetzte Qualifikation beziehe sich auch die Regelung in Art. 4 lit. b der Richtlinie, wonach die Ablegung einer Eignungsprüfung verlangt werden könne. Diese diene also nicht dem Ausgleich von Defiziten, aufgrund derer der Betreffende bereits schon im Herkunftsmitgliedstaat nicht zur Ausübung des fraglichen Berufes berechtigt gewesen sei. Auch aus Art. 1 lit. a Unterabs. 1 Alt. 2 Richtlinie 89/48/EWG, wonach eine Berufsaufnahme nach dreijähriger Berufserfahrung möglich sei, ergebe sich nichts anderes, da unter Berufserfahrung nach Art. 1 lit. e dieser Richtlinie die tatsächliche und rechtmäßige Ausübung des betreffenden Berufes in einem Mitgliedstaat zu verstehen sei. Hiermit werde der vorherige Erwerb einer den Berufszugang eröffnenden Qualifikation also vorausgesetzt.

       64. Mit Urteil vom 7.7.1999 entschied das BAG (10 AZR 571/98 - NZA 2000, 51 ff.), daß eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften erworbene oder anerkannte Befähigung für einen Lehrberuf hinsichtlich der vergütungsrechtlichen Gleichbehandlung mit einer deutschen Lehrkraft nach innerstaatlichem Recht von einem verwaltungsrechtlichen Gleichstellungsverfahren abhängig gemacht werden darf. Es ging in diesem Fall um einen britischen Staatsangehörigen, der über eine insgesamt fünfjährige Lehramtsausbildung nach britischem Recht verfügte und der unter Hinweis auf die Richtlinie 89/48/EWG116 die Gleichstellung dieser in Großbritannien erworbenen Lehrbefähigung mit der Lehrbefähigung für ein Lehramt im Land Berlin erstrebte. Das beklagte Land Berlin lehnte die Gleichstellung mit Bescheid vom 24.4.1995 ab. Nach Rechtskraft des Bescheides schloß der Kläger einen Arbeitsvertrag mit dem beklagten Land. Die vergütungsrechtliche Eingruppierung in VergGr. IVa BAT wollte der Kläger nicht hinnehmen. Seine Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Der Kläger erfülle nicht die beamtenrechtlichen Voraussetzungen, da er weder einen Vorbereitungsdienst absolviert noch die Zweite Staatsprüfung abgelegt habe. An die Ablehnung des Antrags auf Anerkennung bzw. Gleichstellung gemäß § 16 LBiG i.V.m. § 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 89/48/EWG (EG-RL-LehrG) vom 9.6.1993117 seien die Arbeitsgerichte nach innerstaatlichem Recht gebunden. Die an die Lehrbefähigung anknüpfende unterschiedliche vergütungsrechtliche Regelung verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, da in- und ausländische Lehrer nicht ungleich behandelt würden, wenn sie die beamtenrechtlichen Voraussetzungen erfüllten. Die Anknüpfung der besoldungsrechtlichen Regelung an eine unterschiedliche Ausbildung und unterschiedliche Ausbildungsabschlüsse sei sachlich gerechtfertigt. Eine Ungleichbehandlung nach den europarechtlichen Diskriminierungsverboten des Art. 48 Abs. 2 EGV bzw. Art. 7 I VO 1612/68118 liege schon deshalb nicht vor, weil die Ungleichbehandlung durch die unterschiedliche Ausbildung sachlich gerechtfertigt sei. Zudem könne durch ergänzende Ausbildung (§ 16 LBiG) bzw. nach nachgewiesener Berufserfahrung oder nach Anpassungsnahmen bzw. einer Eignungsprüfung (vgl. §§ 1, 3, 4 EG-RL-LehrG) eine vergütungsrechtliche Gleichstellung von EU-Ausländern erreicht werden. Ein vorgeschaltetes Gleichstellungsverfahren sei nach Art. 4 der Richtlinie 89/48/EWG europarechtskonform, da vom Antragsteller Berufserfahrung verlangt werden dürfe, wenn seine Ausbildung wie hier um mindestens ein Jahr unter der im Aufnahmestaat geforderten Ausbildungsdauer liege.

       65. Die Regelung des § 15 Abs. 5 BJagdG und die ermessenslenkenden Vorgaben für Entscheidungen nach § 15 Abs. 6 BJagdG verstoßen nach dem Urteil des VGH Mannheim vom 14.1.1999 (5 S 1357/97 - NuR 2000, 97 ff.) nicht gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Gemeinschaftsrechts. Im Fall stritten die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit der Versagung des vom Kläger - einem italienischen Staatsangehörigen mit ständigem Wohnsitz in der Bundesrepublik - beantragten Jagdscheins. Die untere Jagdbehörde lehnte die Erteilung eines Jagdscheins ab. Der VGH führte aus, daß nach § 15 Abs. 1 BJagdG Voraussetzung für die Erteilung eines Jagdscheins das Bestehen der deutschen Jagdprüfung ist. Die nach § 15 Abs. 6 zugelassenen Ausnahmen seien durch Selbstbindung der Verwaltung insofern eingeschränkt, als nur solchen Ausländern Jagdscheine ohne Ablegung einer deutschen Jägerprüfung erteilt werden könnten, die sich der mit der deutschen vergleichbaren österreichischen oder schwedischen Jägerprüfung unterzogen hätten. Die Regelung des § 15 Abs. 5 BJagdG und die ermessenslenkenden Vorgaben für Entscheidungen nach § 15 Abs. 6 BjagdG verstießen nicht gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot. Die Regelung des § 15 Abs. 5 BJagdG knüpfe nicht an die Staatsangehörigkeit der Bewerber für den Jagdschein an, sondern an das Bestehen der deutschen Jagdprüfung. Der Kläger werde insofern nicht anders behandelt als ein deutscher Staatsangehöriger, der die deutsche Jägerprüfung ebenfalls nicht vorweisen könne. Anknüpfungspunkt der ermessenslenkenden Vorschriften des § 15 Abs. 6 BJagdG sei wiederum nicht die Staatsangehörigkeit der Bewerber, sondern der Nachweis des Jägerprüfungszeugnisses aus Schweden oder Österreich. Der Anerkennung nur dieser Zeugnisse als gleichwertig liege ein sachgerechtes Kriterium zugrunde. Auch Art. 57 Abs. 1 EGV verpflichte die Mitgliedstaaten nur dann zur gegenseitigen Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen oder sonstigen Befähigungsnachweisen, wenn diese mit dem inländischen Befähigungsnachweis völlig gleichwertig seien. Der Rechtsgedanke der Gleichwertigkeit der Befähigungsnachweise sei in den Verwaltungsvorschriften umgesetzt worden.




      113 EuGH, Slg. 1995 I-4165 [4198] = NJW 1996, 579, Rdnr. 38 - Reinhard Gebhard.

      114 EuGH, Slg. 1991, I-2357 [2384] = NJW 1991, 2973 - Vlassopoulou.

      115 Richtlinie 89/48/EWG, ABlEG Nr. L 19 vom 24.1.1989, S. 16 = NVwZ 1990, 45.

      116 Richtlinie 89/87EWG des Rates vom 21.12.1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung von Hochschuldiplomen, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, ABlEG Nr. L 19 vom 24.1.1989, 16.

      117 GVBl. 250.

      118 Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft vom 15.10.1968, ABlEG L 257 vom 19.10.1968, 2-12.