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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1999


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Ludger Radermacher


XIII. Europäisches Gemeinschaftsrecht

3. Unionsbürgerschaft

       66. Das VG Stuttgart äußerte sich mit Beschluß vom 10.6.1999 (9 K 2702/99 - VBlBW 2000, 86 ff.) zum Antrag eines britischen Staatsbürgers, der im Wege der einstweiligen Anordnung als wahlberechtigter Unionsbürger in das Wählerverzeichnis für die Europawahl am 13.6.1999 eingetragen werden wollte. Der Antrag blieb erfolglos. Die Frist des § 17 a Abs. 2 der Europawahlordnung119, wonach der Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis spätestens zum 34. Tag vor der Wahl bei der zuständigen Gemeindebehörde zu stellen sei, verstoße nicht gegen höherrangiges und unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht. Die geringe Wahlbeteiligung von ausländischen Unionsbürgern bei der Europawahl 1994 lasse nicht den Schluß zu, daß § 17 a Abs. 2 EuWO die Ausübung des aktiven Wahlrechts zum Europäischen Parlament unmöglich mache oder übermäßig erschwere. Für eine solche geringe Wahlbeteiligung könnten eine Reihe anderer Einflußfaktoren ausschlaggebend sein. Die Fristregelung sei durch Art. 9 der Richtlinie 93/109/EG120 gedeckt, wonach die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen haben, damit die aktiv Wahlberechtigten der Gemeinschaft rechtzeitig vor den Wahlen in das Wählerverzeichnis eingetragen werden können. Hiermit sei ausdrücklich kein einheitliches Wahlverfahren geschaffen worden. Allerdings müsse ein Mißbrauch des Wahlrechts durch doppelte Stimmabgabe ausgeschlossen werden. Die Festsetzung einer Frist erlaube es zum einen, in Zweifelsfällen im Herkunftsmitgliedstaat nachzufragen, ob der Unionsbürger dort vom Wahlrecht ausgeschlossen sei. Zum anderen könne der Antrag auf Eintragung in ein Wählerverzeichnis an den Herkunftsmitgliedstaat des Unionsbürgers zur Verhinderung der dortigen Wahlteilnahme übermittelt werden. Mit Blick auf den hierfür erforderlichen internationalen Behördenverkehr sei die Frist von 34 Tagen auch in dieser Länge nicht unangemessen. Die Regelung des § 19 Abs. 3 EuWO verstoße auch nicht gegen Art. 12 der Richtlinie 93/109/EWG. Die dort unverzüglich nach Bestimmung des Wahltages vorzunehmende Bekanntmachung der genaueren Modalitäten der Wahl für in Deutschland lebende Unionsbürger durch die Bundeswahlleiter und die Kreis- oder Stadtwahlleiter sowie die Bekanntgabe in regionalen wie überregionalen Zeitungen sei eine rechtzeitige und geeignete Information im Sinne der Richtlinie. Insbesondere seien von den am politischen Leben in Deutschland interessierten Personen die zur Erfassung dieser Information notwendigen Deutschkenntnisse zu erwarten.




      119 Europawahlordnung vom 20.3.1994, BGBl. 1994 I 958-984.

      120 Richtlinie 93/109/EG des Rates vom 6.12.1993 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Wahlen zum Europäischen Parlament für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, ABlEG 1993 L 329, 34.