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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2002

IX. Aktivitäten im Wissenstransfer

E. Interdisziplinäres Forschungsprojekt zum ethisch-rechtlichen Status des extrakorporalen Embryos

Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht beteiligt sich durch Prof. Wolfrum, Dr. Vöneky, Ref. Afsah sowie die studentischen Hilfskräfte Herrn Lichtenegger und Herrn Rau an dem Verbundprojekt zum Status des extrakorporalen Embryos, das am 1. November begonnen hat und am 31. Oktober 2003 beendet werden wird.

Die schnelle Entwicklung in den Lebenswissenschaften hat zu einem starken Ansteigen des öffentlichen Interesses an den Möglichkeiten der Präimplantationsdiagnostik (PID) und der Stammzellenforschung geführt. Die moralische Bewertung dieser Forschung hängt maßgeblich von dem Status ab, der dem Embryo außerhalb des Mutterleibes beigemessen wird. Denn obwohl die Debatte mit ähnlicher Schärfe wie die um den Schwangerschaftsabbruch geführt wird, handelt es sich aufgrund des Fortschritts in der medizinischen Forschung um eine qualitativ andere Fragestellung: Genießt der extrakorporale, d.h. der sich (noch) außerhalb des Mutterleibes befindliche Embryo bereits den vollen Schutz des Individuums (Recht auf Würde, Leben)? Oder kann man von einer abgestuften Schutzwürdigkeit des Embryos ausgehen, die es erlauben würde, das Leben des Embryos in seinem frühesten Entwicklungsstadium gegen andere Güter und somit gegen den Nutzen der PID und der Stammzellenforschung abzuwägen?

Damit hat der wissenschaftliche Fortschritt Möglichkeiten aufgeworfen, die eine rechtliche und auch ethische Regelung des Umgangs mit extrakorporalen Embryonen benötigen. Solch eine Statusbestimmung des Embryos kann weder losgelöst von gesellschaftlichen Wertvorstellungen, noch unabhängig von den neuesten Erkenntnissen in der medizinisch-biologischen Forschung erfolgen. Schließlich sind angesichts der globalen Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft, isolierte nationale Regelungen immer weniger effektiv. Jeder Versuch einer umfassenden Regelung muß daher international ausgerichtet sein, sich also eingehend mit der Rechtsvergleichung, dem Europa- und Völkerrecht befassen.

Da der Status des Embryos sowohl interdisziplinär als auch international beleuchtet werden soll, erfolgt eine enge Zusammenarbeit der folgenden Projektbeteiligten: des Zentrum für Ethik und Recht in der Medizin (ZERM) an der Universität Freiburg; des Interfakultären Zentrums für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Universität Tübingen; des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg sowie des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches und Völkerrecht in Heidelberg. Folgende Disziplinen sind damit an dem Projekt beteiligt: Molekularbiologen, Reproduktionsmediziner, Humangenetiker, Sozialwissenschaftler, Psychologen, Soziologen, Philosophen, Theologen, Medizinalethiker und Juristen verschiedener Fachgebiete.

Zu den Projektziele gehören

1. die Klärung der disziplinenspezifischen Prämissen in der Bewertung des extrakorporalen Embryos, da implizite Vorannahmen den Dialog zwischen verschiedenen Fachgruppen erschweren.

2. die Erarbeitung von Kriterien, die für die Bewertung des extrakorporalen Embryos von Bedeutung sind. Ausgangsbasis sind bisher vier Kriterien:

  • die Entstehungsart: zu unterscheiden ist zwischen in vitro Fertilisation und Klonierung;

  • die Bedeutung des Aufenthaltsraums: die Erkenntnis, daß der extrakorporale Embryo nur eine begrenzte Überlebensfähigkeit hat;

  • die Zielsetzung: wird der Embryo zu Fortpflanzungs- oder zu Therapiezwecken befruchtet?

  • die Artspezifität: die sich aufwerfenden Definitions- und Regelungsprobleme hinsichtlich einer fortschreitenden Verwischung biologischer Artgrenzen durch Chimärenbildungen, Xenotransplantationen, Hybridomzellen, etc.

3. die Vorbereitung konkreter Regelungsvorschläge zum Umgang mit Embryonen.

Der Beitrag der Rechtswissenschaften liegt zum einen in einer Analyse der verschiedenen gesetzlichen Regelungen in Deutschland; zum anderen in einer Analyse der Regelungen in anderen Ländern und im Bereich des Europa- und Völkerrechts. Im Hinblick auf das Verfahrensrecht soll insbesondere der Einfluß und Einsatz von Ethikkommissionen in der Embryonenforschung untersucht werden. Die Aufgabe des Instituts ist dabei zum einen die Untersuchung der Bedeutung von Ethikkommissionen, national, rechtsvergleichend und international; zum anderen - hinsichtlich der materiellen Regelungen - die Erarbeitung des europarechtlichen und völkerrechtlichen Teils. Die verschiedenen internationalen und europarechtlichen Konventionen, Resolutionen und Beschlüsse werden dabei in bezug auf die für das Projekt entscheidenden Fragen analysiert. Besonders intensiv wird dabei auch die Erarbeitung der UN-Konvention gegen das reproduktive Klonen verfolgt, da diese Konvention im Zusammenhang mit den Diskussionen der beteiligten Staaten die aktuelle Haltung der Staaten zu dem Status der extrakorporalen Embryos offen legt.