Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law Logo Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law

You are here: Publications Archive 2003

Tätigkeitsbericht für das Jahr 2003


II. Abgeschlossene Forschungsvorhaben

D. Vereinte Nationen

2. Irak - eine Krise auch für das System der kollektiven Sicherheit

Der Artikel von Prof. Wolfrum in dem Max Planck Yearbook of United Nations Law Vol. 7 (2003) mit dem Titel "The Attack of September 11, 2001, the Wars Against the Taliban and Iraq: Is There a Need to Reconsider International Law on the Recourse to Force and the Rules of Armed Conflict?" ist gewissermaßen die Fortsetzung des Artikels "The Status of the Taliban: Their Obligations and Rights under International Law", der in Vol. 6 des Yearbooks erschienen ist. Mit dieser Frage hat sich explizit auch Prof. Frowein in seinem Artikel "Ist das Völkerrecht tot?" in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 23. Juli 2003 beschäftigt.

Auch wenn der Krieg gegen die Taliban und die Beurteilung ihrer Stellung aus völkerrechtlicher Sicht im gegenwärtigen Artikel eine Rolle spielen ist der Focus hier deutlich ein anderer.

Der Krieg gegen die Taliban und dann gegen den Irak bilden im jetzigen Artikel, wobei hier auch der erste Irak-Krieg, ebenso wie das militärische Eingreifen im früheren Jugoslawien mitberücksichtigt werden, gewissermaßen den Hintergrund für die eigentlich zentralen Fragen:

Zum einen: Wo sind die Grenzen des international geltenden Gewaltverbots zu ziehen? Haben sich Inhalt und Anwendungsbereich dieses Prinzips durch den 11. September und die militärischen Reaktionen hierauf verändert respektive verschoben? Besteht hier vielleicht sogar die Notwendigkeit einer Neuorientierung im Rahmen des Völkerrechtes? Deuten die Aktionen der USA und ihrer Verbündeter und die Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf dieses Vorgehen bereits auf veränderte Muster oder Strukturen im Bereich des Gewaltverbots hin?

Zum anderen die Frage nach dem geltenden humanitären Völkerrecht. Welche Normen sind in dem jeweiligen Konflikt und der Zeit danach eigentlich anwendbar, wobei hier die Problemkomplexe der Behandlung der Kriegsgefangenen und die mit einer Okkupation zusammenhängenden rechtlichen Fragen im Vordergrund stehen. Sind die derzeit geltenden Regelungen ausreichend oder bedarf es in diesem Bereich möglicherweise einer neu vorzunehmenden Interpretation. Sowohl das ius ad bellum als auch das ius in bello stehen gewissermaßen auf dem Prüfstand.

Nach einer eingehenden Analyse des Gewaltverbotes, einschließlich der damit zusammenhängenden Fragen der humanitären Intervention und Fragen der präventiven oder antizipatorischen Selbstverteidigung, sowie des humanitären Völkerrechts in seiner gegenwärtigen Ausprägung, kommt der Autor zu den folgenden Schlußfolgerungen:

1. Gerade die vorgebrachten Rechtfertigungen der Vereinigten Staaten und ihrer militärischen Verbündeten in Bezug auf die kriegerischen Akte belegten deutlich, daß man im Hinblick auf das Gewaltverbot versucht, diese Akte mit dem geltenden Recht zu rechtfertigen, ohne dabei neue rechtliche Konstruktionen zu benutzen.

Das Völkerrecht insgesamt und das Gewaltverbot speziell werden damit nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Dem Versuch der Vereinigten Staaten den Einsatz gegen den Irak als Selbstverteidigung zu deklarieren, steht der Autor kritisch gegenüber. Ebenso verneint er die Möglichkeit, ihn auf Sicherheitsratsresolutionen zu stützen. Auch die Figur der Humanitären Intervention als Rechtfertigungsgrund, greift nicht.

Allerdings habe man zunehmend damit zu rechnen, daß Staaten versuchen werden sich effektiv gegen den internationalen Terrorismus, sowie die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu schützen. Das Institut der präventiven Selbstverteidigung greift hier nicht. Der Autor weist aber auf bestehende Sicherheitslücken in diesem Bereich hin.

2. Das humanitäre Völkerrecht ist nicht nur in den gegenwärtigen Konflikten nicht voll zur Anwendbarkeit gelangt, sondern bedarf auch dringend der Weiterbildung. Hieran hat auch das zweite Genfer Zusatzprotokoll wenig geändert.

Zukünftige Kodifikationen in diesem Bereich müßten versuchen, eine Balance zu finden zwischen den humanitären Nöten einerseits und dem berechtigten Interesse des kriegsführenden Staates und seiner Sicherheitsinteressen anderseits. Eine Aufgabe die sicherlich eine große Herausforderungen für eine Neukodifizierung darstellen wird.