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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2003

Tätigkeitsbericht für das Jahr 2003


II. Abgeschlossene Forschungsvorhaben

E. Internationales Wirtschafts- und Umweltrecht

3. Das Biosafety-Protokoll und seine Auswirkungen auf das Regime der Welthandelsorganisation (Dissertation)

Ziel der Arbeit von Markus Böckenförde ist die umfassende Darstellung und rechtliche Würdigung des Biosafety-Protokolls sowie seiner Auswirkungen auf das Welthandelssystem der WTO. Der erste Teil enthält eine Einführung in die "Grüne Gentechnik", ihre Grundlagen, Chance und Risiken (Kapitel I); der zweite Teil behandelt das Biosafety- Protokoll, seine Entstehung, Inhalte und Einbindung in das internationale Regelungsgeflecht (Kapitel II). Im Anschluß daran wird die Vereinbarkeit des Handels mit GMOs nach den Vorgaben des Biosafety-Protokolls mit den Vorschriften des WTO/GATT-Systems überprüft, um darauf aufbauend Gedanken für eine gemeinsame Koexistenz abzuleiten, die von den bisherigen Lösungsansätzen Abstand nimmt und eine Lösungsoption aus der Struktur des WTO/GATT-Systems heraus aufzeigt (Kapitel III).

Die Diskussion um das Für und Wider der "Grünen Gentechnik" bei Agrarmassegütern wird seit Jahren kontrovers geführt. Adressat der gegenwärtigen Produkte und ihrer neuen Eigenschaften sind die Landwirte. Für den Endverbraucher entsteht bisher kein zusätzlicher, unmittelbarer Kaufanreiz. Naheliegend war es daher, die Einführung der GMOs in die bisherigen Produktionsketten unscheinbar erfolgen zu lassen. Hiergegen regte sich Widerstand. Auseinandersetzungen im Rahmen der Grünen Gentechnik waren somit zumeist zugespitzt auf die Kontroverse über eine Kennzeichnungspflicht von gentechnisch veränderten Ernteprodukten bzw. der daraus hergestellten Waren.

Aus Sicht des Umweltschutzes bedeutsamer ist die Frage nach den potentiellen Risiken für die biologische Vielfalt, die bei der Freisetzung von GMOs in die Umwelt entstehen können. Geregelt werden sie auf internationaler Ebene im Biosafety-Protokoll, das am 11. September 2003 in Kraft getreten ist. Obgleich der Schwerpunkt dieses Abkommens darin liegt, den sicheren grenzüberschreitenden Verkehr von GMOs zu gewährleisten und es mithin Regeln über den internationalen Handel mit diesen Produkten enthält, ist es kein weiteres Nebenabkommen innerhalb der WTO. Das Protokoll entspringt vielmehr einer Vorschrift aus dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) und ist so als umweltvölkerrechtlicher Vertrag ausgestaltet. Inhaltlich bewegt es sich inmitten der kontroversen Schnittstelle von Handel und Umwelt und konnte wegen dieser Brisanz erst nach jahrelangem Verhandlungsmarathon im Januar 2000 verabschiedet werden. Auch wenn das Biosafety-Protokoll nicht das erste umweltvölkerrechtliche Abkommen ist, das sich an dieser Schnittstelle befindet, betritt es dennoch neue Dimensionen: Sein Inhalt ist nicht die Regelung weithin be- oder zumindest erkannter Gefahren, sondern lediglich potentieller - im Realisierungsfalle allerdings kaum kontrollierbarer - Risiken für die biologische Vielfalt. Damit verkörpert das Protokoll als Ganzes bereits den Gedanken der Vorsorge. Diese Risiken betreffen zudem mit gentechnisch veränderten Organismen ein Handelsgut, das im Bereich der Zukunftstechnologien angesiedelt ist, deren Ausweitung und Entwicklung bevorsteht und von vielen Staaten vorangetrieben wird. Regelungsgegenstand ist mithin ein wirtschaftlicher Hoffnungsträger und nicht eine Substanz, deren Ausbringung in die Umwelt reduziert oder gänzlich abgeschafft werden soll (Halone, gefährliche Abfälle, persistente organische Schadstoffe etc.) bzw. deren Anwendung in den Industrieländern bereits verboten ist.

Obgleich die Diskussion über das Spannungsverhältnis von handelsrechtlichen Abkommen und umweltvölkerrechtlichen Verträgen seit längerem kontrovers diskutiert wird, ist bis vor kurzem eine nationale Maßnahme, die sich auf ein Umweltabkommen stützen konnte, nicht Gegenstand eines Streitbeilegungsverfahrens vor der WTO geworden. Im Mai 2003 leiteten jedoch die USA, Kanada und Argentinien ein WTO-Streitbeilegungsverfahren gegen die EG ein, das sich gegen das de facto-Moratorium der EG bezüglich der Zulassung gentechnisch veränderten Saatguts wendet.