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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2003


XI. Symposien und Tagungen

H. Tagung zum Thema "Freikirchen und Sekten in Europa"; MPG 2000+

Die dritte Tagung im Rahmen des MPG 2000+ -Projekts zur "Multireligiösität im vereinten Europa" fand in diesem Jahr vom 27. bis 29. November am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht statt. Das Projekt verfolgt das Ziel, die interdisziplinären Forschungsmöglichkeiten der Max-Planck-Gesellschaft zu nutzen und Forscher unterschiedlicher Fachrichtungen zusammen zu bringen, die sich mit Fragen der Multireligiösität beschäftigen. Neben Wissenschaftlern aus den Max-Planck-Instituten beteiligen sich auch Forscher von deutschen und ausländischen Universitäten sowie Praktiker, die mit Problemen der Multireligiösität befaßt sind.

Nachdem auf den beiden vorangegangenen Tagungen (2001 im Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt/M. und 2002 im Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle) die allgemeinen Themen "Multireligiösität im vereinten Europa" und "Koexistenz und Konflikt von Religionen" behandelt worden waren, wurde für das diesjährige Treffen der Umgang mit Freikirchen und Sekten ausgewählt. Dem interdisziplinären Ansatz des Projekts entsprechend wurde die Thematik zunächst aus rechtshistorischer und allgemein historischer Perspektive behandelt. Daran schlossen sich theologische, religionssoziologische und juristische Themen an.

Nach einer Einführung in die Thematik durch Prof. Dr. Hartmut Lehmann (Direktor am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen) stellte Prof. Dr. Barbara Dölemeyer vom Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt/M. die verschiedenen Reaktionen und Reaktionsmöglichkeiten deutscher Landesherren und Kirchenleitungen auf das Auftreten von Sekten und Freikirchen im 17. und 18. Jahrhundert dar. An dieses Referat schloß sich der Vortrag von PD Dr. Christoph Ribbat (Ruhr-Universität Bochum) an, der anhand ausgewählter Gruppierungen (u.a. der Entwicklung der Heilsarmee in Deutschland) über die Bedeutung von Freikirchen und Sekten im Kaiserreich referierte.

Den zweiten Halbtag eröffnete der Religionshistoriker Prof. Dr. Jochen-Christoph Kaiser (Universität Marburg) mit einem Beitrag zur Rolle und Entwicklung der deutschen Christen zwischen der zweiten Hälfte der 1920er Jahre und 1945. An diesen Vortrag schloß sich ein religionssoziologischer Überblick über die Situation von Sekten und Freikirchen in Deutschland an, den der Religionssoziologe PD Dr. Volkhard Krech von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e.V. (FEST) gab.

Die religionssoziologische und historische Betrachtung wurde auch am dritten Halbtag fortgesetzt. Prof. Eileen Barker (London School of Economics) referierte über religiösen Pluralismus in Europa und bezog in ihre Betrachtung insbesondere auch neuere Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa ein. Prof. William Hutchison (Harvard University, Cambridge, MA) referierte aus religionshistorischer Perspektive über religiösen Pluralismus in den USA.

Der vierte Halbtag war einer rechtsvergleichenden Perspektive gewidmet. Zunächst schilderte Dr. Altana Filos (Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht) die rechtliche Situation von Sekten und Freikirchen in Griechenland. Im Anschluß referierte Prof. Dr. Thilo Marauhn (Universität Gießen) über den Umgang von staatlichen und nicht-staatlichen Institutionen mit Sekten in der Schweiz. Ziel der beiden rechtsvergleichenden Referate war es ebenso wie schon bei den religionssoziologischen Themen des Vortags, aus der Auseinandersetzung mit Erfahrungen in anderen Systemen Schlüsse für die Situation in Europa im allgemeinen und in Deutschland im besonderen zu ziehen.

Am letzten Halbtag stand noch ein Referat von Thomas Gandow, Pfarrer für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg auf dem Programm, in dem kirchliche Positionen zu Sekten und anderen Religionsgemeinschaften vorgetragen und die Konzeption des von der VELKD herausgegebenen "Handbuch religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen" dargestellt wurden. Abschließend erörterte Dr. Christian Walter (Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht) in rechtsvergleichender Sicht verschiedene Fälle, in denen Rechtsstreitigkeiten von Sekten zu einer Veränderung und Modernisierung der traditionellen Staat-Kirche-Beziehungen beigetragen haben.

Nach der übereinstimmenden Einschätzung der Teilnehmer war der interdisziplinäre Ansatz der Tagung, gerade bei einem so vielschichtigen Thema wie dem des Umgangs mit kleineren und neuen Religionsgemeinschaften, sehr fruchtbar. Die Beiträge sollen - wie diejenigen der Vorjahre - in einem Sammelband veröffentlicht werden.