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Jessup Moot Court 2012

Das Heidelberger Jessup Team 2012 vor dem Finale in Bochum. Von oben links Benjamin Nußberger, Torsten Stirner (Student-Coach), Christopher Clerihew (Student-Coach), Johannes Fuchs (Head-Coach), Evgeniya Yushkova, Victoria Otto, Elena Kullak und Robert Pfeiffer

                      Von der Idee einer Teilnahme am Jessup International Law Moot Court Competition und insbesondere der Vorstellung begeistert, das juristische Arbeiten erstmals auf eine praktische Art und Weise zu erleben, bewarben sich auch im Juli des Jahres 2011 Jurastudenten der Universität Heidelberg für einen Platz im Heidelberger Team. Dies erforderte, im Rahmen des Vorstellungsgesprächs einen fünfzehnminütigen Vortrag in englischer Sprache zu einem beliebigen völkerrechtlichen Thema zu halten. Das Interview wurde von unserem späteren „Head Coach“ Johannes Fuchs, zu diesem Zeitpunkt wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, und zwei ehemaligen Teilnehmern und späteren „Student Coaches“ geführt. Sie prüften unsere Kenntnis über das vorgestellte Thema sowie unsere Spontanität, indem uns weiterführende Fragen zu verwandten Themenkomplexen gestellt wurden. Wie wir, das Team bestehend aus Elena Kullak, Benjamin Nussberger, Victoria Otto, Robert Pfeiffer und Evgeniya Yushkova, später herausfinden sollten, war schon dies eine gute Vorbereitung auf unsere spätere Rolle als Anwälte der fiktiven Staaten Aprophe und Rantania.
 
Vorbereitung
 
Während der Semesterferien eigneten wir uns also die Grundlagen des Völkerrechts an. Im September begann mit der Veröffentlichung des Sachverhalts die Vorbereitung auf den deutschen Vorentscheid in Bochum. Auf diesen blickten wir hochmotiviert, wissend, dass von den 16 teilnehmenden Teams aus unterschiedlichen Universitäten nur die Erst- und Zweitplatzierten Deutschland beim internationalen Entscheid in Washington, D.C., vertreten würden.
 
Die Vorbereitung umfasste zwei aufeinander folgende Phasen. Zunächst hatten wir die Aufgabe, bis Anfang Januar 2012 zwei Schriftsätze zu verfassen, mit denen wir jeweils Kläger- und Beklagtenseite vertreten mussten. Im Anschluss daran begann die Vorbereitung der Plädoyers, die wir vor den Richterbänken in Bochum halten sollten.
 
Die Schriftsätze verfassten wir in einem Büro am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Die Bearbeitung der so genannten „Memorials“ erforderte eine ausführliche Behandlung verschiedenster völkerrechtlicher Thematiken, denn der Sachverhalt warf ein breites Spektrum aktueller Fragestellungen des Völkerrechts auf. Dazu gehörten etwa die Rechtmäßigkeit der Repräsentation vor dem Internationalen Gerichtshof durch eine Regierung, die durch einen Militärputsch an die Macht gekommen war, die Legitimität militärischer Interventionen, die Zurechnung solcher Interventionen zu regionalen Organisationen, die Berufung von Staaten auf ihre Immunität für Menschenrechtsverletzungen, die Vereinbarkeit von Verzichtsklauseln in Friedensverträgen mit nachträglich geschlossenen Menschenrechtspakten sowie die rechtlichen Folgen der Zerstörung von Weltkulturerbe.
 
Zum Zwecke des Schreibens waren wir auf Kläger- und Beklagtenseite aufgeteilt. Dies führte zu einem regen Austausch sowie hitzigen Diskussionen. Die enge Zusammenarbeit ließ unser Team schnell zusammenwachsen und somit kam auch gegenseitige Motivation und der Spaß am Völkerrecht nicht zu kurz. Gleichzeitig jedoch war viel Lektüre in Einzelarbeit gefordert, so dass unser Büro am Institut bald wie überflutet von Büchern, Ordnern und Urteilen verschiedener nationaler und internationaler Gerichte aussah. Die Erstellung der Memorials nahm viel Zeit in Anspruch, so dass sich unser Arbeitsrhythmus fast unmerklich von Tag zu Tag verlängerte, wir Wochenenden nur an der am Institut herrschenden Leere bemerkten und viele Nachtschichten eingelegten. Jedoch war fast tagtäglich ein Fortschritt zu erkennen, denn die Argumentationslinien wurden stringenter, die englische Terminologie präziser, die gelesenen Bücherstapel höher und völkerrechtliche Zusammenhänge und Strukturen klarer.
 
Nach einer sehr arbeitsintensiven Phase zwischen den Jahren sowie in den ersten Januartagen und   -nächten war die Abgabe der Schriftsätze gleichzeitig der Auftakt der Vorbereitung unserer Plädoyers, für die wir das schriftlich Erarbeitete straffen und in überzeugende und klare Worte packen sollten. Da während des Wettbewerbs das Vortragen eines 22-minütigen Anwaltsplädoyers vor einer dreiköpfigen Richterbank gefordert ist, die einem jederzeit Fragen stellen, galt es, deren souveräne Beantwortung zu trainieren. Zahlreiche Probeplädoyers gaben uns die Gelegenheit, aus der Kritik verschiedener Proberichter Anregungen zu gewinnen, um weiter an Rhetorik, Gestik, Mimik und Auftreten zu arbeiten.
 
 
Nationaler Vorentscheid, Bochum (15.-19. Februar 2012)
 
Im Februar fuhr unser Team an die Ruhr-Universität Bochum, welche als Sieger des Vorjahres den Wettbewerb ausrichtete. Das Los entschied, dass wir gegen die Teams aus München, Tübingen, Göttingen und Augsburg antreten sollten, jeweils zweimal mit Kläger- und Beklagtenseite. So bereiteten wir uns am Vorabend mit den Memorials der anderen Teams auf deren Argumentation vor, indem wir etwa ganze Passagen unserer Plädoyers umstellten oder auf unsere während der Memorial-Phase gemachten Recherchen zurückgriffen. In den folgenden zwei Tagen stellten wir uns aufgeregt und voller Elan den Begegnungen mit unseren Gegnern sowie den Fragen der Richter, zu denen in der Vorrunde Professoren sowie Praktiker gehörten. Da wir insbesondere Tübingen als überzeugend empfanden, gingen wir mit einem gemischten Gefühl zu dem „Announcement Dinner“ und waren schon enttäuscht, als wir nach der Nennung der ersten drei in das Viertelfinale einziehenden Teams nicht erwähnt worden waren. Dass wir schließlich doch noch erwähnt wurden, da wir vier Siegen und den meisten Einzelpunkten den ersten Platz nach der Vorrunde erreicht hatten, war für uns eine umso größere und freudigere Überraschung.
 
Das hieß, dass wir gegen den Viertplatzierten, das Team aus Trier, antreten sollten und den Vorabend mit erneuten Vorbereitungen auf den frühmorgendlichen Wettbewerbsfortgang verbrachten. Die Plädoyers waren insbesondere deshalb spannend, weil eine hochkarätig besetzte Richterbank unsere Klägerseite hörte. Dazu gehörten unter Anderen der Richter des Internationalen Gerichtshof aus Deutschland Bruno Simma, der emeritierte Professor Christian Tomuschat, der in dem Verfahren „Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy)“ vor dem Internationalen Gerichtshof Deutschland gegen Italien vertreten hatte, sowie der Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aus Liechtenstein Mark Villiger. Nach intensiven Plädoyers mit vielen hartnäckigen Nachfragen erfuhren wir lange zwanzig Minuten später, dass wir in das Finale einziehen durften.
 
Die Endrunde fand im deutschen Bergbaumuseum statt, das ein großes Publikum beherbergte. Unsere Gegner waren das Team aus Jena, von deren Plädoyers unter den Teams viel Gutes berichtet wurde. Wieder war die Richterbank mit Bruno Simma, Christian Tomuschat und Mark Villiger besetzt. Zu ihnen gesellte sich der Richter des Internationalen Gerichtshof aus Sierra Leone, Abdul Koroma, der Bundesverfassungsrichter und Völkerrechtler Andreas Paulus, die Botschafter a. D. Reinhard Hilger und Tono Eitel, der Völkrechts-Professor Oliver Dörr sowie ein Partner der Anwaltskanzlei Gleiss Lutz, Stephan Wilske. Das Team aus Jena lieferte einen sehr starken, unsere Aufregung steigernden Auftakt. Die darauffolgenden 45 Minuten, in denen wir auf die Anklage reagierten, waren spannungsgeladen mit höchst anspruchsvollen und kritischen Fragen der 9-köpfigen Richterbank. Auch auf dieses Plädoyer blicken wir mit gutem Gefühl zurück.
Während der abendlichen Preisverleihung war unsere Spannung dementsprechend groß. Die Begrüßung wurde übernommen von Bundestagspräsident Norbert Lammert trotz großen Aufsehens um den Rücktritt Christian Wulffs. Als im Anschluss das Ergebnis des Finales bekanntgegeben wurde, erfuhren wir, dass wir uns Jena geschlagen geben mussten. Das hieß jedoch durch unser Erringen des zweiten Platzes zugleich, dass unserer Reise nach Washington, D.C. nichts mehr im Wege stand. Nachdem wir eine gute Wertung unserer Memorials aufgrund von jeweils drei Strafpunkten für formelle Fehler schon nicht mehr erwartet hatten, freuten wir uns umso mehr, als uns zusätzlich der Preis für die besten Memorials verliehen wurde. Ein weiterer Grund zur Freude war, dass Robert Pfeiffer die Auszeichnung als „Best Oralist“ erhielt. Benjamin Nußberger und Evgeniya Yushkova wurden als viert- bzw. fünftbeste Sprecher des Wettbewerbs ausgezeichnet. Somit war klar, dass sich unsere Mühen der letzten Monate ausgezahlt hatten. Die Euphorie wurde auch dadurch verstärkt, dass sich viele der Richter, mit deren Publikationen wir uns während dieser Zeit beschäftigt hatten, die Zeit nahmen, sich mit uns nach der Preisverleihung auszutauschen.
 
 
Internationaler Entscheid, Wahington D.C. (25.-31. März 2012)
 
Während der Semesterferien beschäftigen wir uns neben den nun anstehenden Hausarbeiten mit weiterer Vorbereitung, um den vielen starken Gegnern mit muttersprachlichem Hintergrund gewachsen zu sein. Kurze Zeit später machten wir uns auf den Weg nach Washington, D.C., um knapp 130 Teams aus aller Welt gegenüber zu stehen. Nach einigen Eröffnungszeremonien und –reden, die uns die spannenden Erlebnisse der folgenden Woche erahnen ließen, wurden unsere gegnerischen Teams ausgelost: Wir sollten gegen die University of Colombo, Sri Lanka, die Russian Academy of Justice, Moscow, Russia, die Emory University, USA sowie die Universidad Monteávila, Venezuela antreten. Jedes dieser Teams hatte sich durch die Teilnahme an ihren jeweiligen nationalen Vorrunden für den Internationalen Ausscheid qualifiziert. Wir waren uns daher bewusst, dass dies spannende Plädoyers werden sollten. Sowohl mit ihren Schriftsätzen als auch den Plädoyers erwiesen sich die Teams in den während der nächsten drei Tage stattfindenden Begegnungen tatsächlich ausnahmslos als sehr starke Gegner.
 
Am Abend des dritten Tages wurde bekanntgegeben, dass wir drei Siege gegen die Emory University (USA), die Russian Academy of Justice (Russland) und die Universidad Monteávila (Venezuela) errungen hatten und wir damit in eine weitere Runde unter die letzten 32 Teams einziehen durften. Nun war unser Gegner die Hebrew University of Jerusalem, Israel, die weiteren Wettkämpfe wurden nach dem „Kick-Out-Prinzip“ geführt. Ein weiteres Plädoyer spannte unsere Nerven, die letztlich von der Nachricht erlöst wurden, dass wir auch diese Runde gewonnen hatten. Nun versprach es umso spannender zu werden, denn wir traten gegen das Team an, welches in der Vorrunde den ersten Platz belegt hatte, die University of Melbourne, Australia. Das umfassende Wissen und die gute Vorbereitung der Gegner zeigten sich bereits in ihren Schriftsätzen, doch umso mehr beeindruckten ihre rhetorischen Fähigkeiten. Trotz großer Anstrengung verloren wir diese Runde, welcher zu unserer Freude James Crawford als Präsident vorsaß, ein ehemaliges Mitglied der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen. Mit einem uns überaus zufrieden stimmenden 16. Platz schieden wir so aus dem Jessup 2012 aus.
 
Dies konnten wir dadurch feiern, dass wir im Folgenden am vielseitigen Rahmenprogramm des Wettbewerbs teilnahmen: Eine Reihe von Veranstaltungen, seien es der „Dress National Ball“, zu dem wir Dirndl und Lederhosen trugen oder eine „Dessert Party“, gaben uns die eifrig genutzte Gelegenheit zum interkulturellen Austausch mit den unterschiedlichsten Teilnehmern, die alle das Interesse für das Völkerrecht teilen. Zudem war es auch für uns eine Freude, am Finale als Zuschauer teilzunehmen, in dem sich die Moscow State University, Russia, gegen die Columbia University, USA, durchsetzte. Die restliche Zeit verbrachten wir damit, uns die Stadt anzusehen oder Vorträge im Rahmen des parallel stattfindenden Annual Meeting of the American Society of International Law zu hören.


 
So ging eine der wahrscheinlich denkwürdigsten Zeit unseres Studiums zu Ende, auf die wir mitsamt viel neu Erlerntem im Gepäck zurückblicken können. Dafür, dass uns dies ermöglicht wurde, möchten wir in diesem Rahmen ganz herzlich danken:
 
Dem Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD), den Anwaltskanzleien Rittershaus, Gleiss Lutz und Linklaters LLP sowie der Hans Soldan Stiftung danken wir für die großzügige finanzielle Förderung, die unserer Teilnahme am internationalen Wettbewerb in Washington D.C. ermöglicht hat.
 
Weiterhin möchten wir uns bei dem gesamten Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg sowie dessen Direktoren Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Rüdiger Wolfrum und Herrn Prof. Dr. Armin von Bogdandy für die besondere Betreuung und Unterstützung bedanken.
 
Nicht zuletzt gilt unser Dank Johannes Fuchs, der uns allzeit mit größtmöglicher Hingabe unterstützt hat sowie Christopher Clerihew und Torsten Stirner, die ebenfalls eine enorme Hilfestellung und ein jederzeit offenes Ohr boten.
 


Nach dem Achtel-Finale in Washington mit dem Team der University of Melbourne und den Richter. James Crawford in der Mitte als Präsident der Richterbank.