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Martti Koskenniemi

Vom 29. April bis zum 2. Mai 2014 fand in Heidelberg bereits die 3. Max Planck Masterclass in International Law statt. Unter der Überschrift “Critical Studies of International Law” wurde an vier Tagen intensiv darüber diskutiert, was (internationales) Recht zu leisten vermag. Martti Koskenniemi, dessen Arbeiten im Mittelpunkt der Masterclass standen, ist bekannt für seine Analyse der Völkerrechtswissenschaft, die oft zwischen apologetischem Etatismus und utopischen Humanismus zerrissen scheint. Er prägte die für die Bewegung der „critical legal studies“ zentrale These von der Unbestimmtheit des Rechts entscheidend mit. In den letzten Jahrzehnten forderte er immer wieder gerade die wohlmeinenden Mainstream-Positionen heraus: er wendet sich gegen einen blinden Menschenrechts-Optimismus ebenso wie gegen den enthusiastischen Ruf nach Politisierung. „Go against your friends“ lautet nach eigener Aussage seine Parole. Die Diskussionen mit ihm waren dementsprechend lebhaft und abwechslungsreich.

An einem ersten Tag stand die dekonstruktivistische Arbeit Martti Koskenniemis im Zentrum: In seiner 1985 erschienenen Dissertation „From Apology to Utopia“ analysiert Koskenniemi die Spannung zwischen der Objektivität und der Konkretheit des Rechts und beschreibt anhand verschiedener Themenfelder wie Souveränität, internationalen Verträgen und Gewohnheitsrecht, wie die juristische Wissenschaft zwischen fallbezogener und systematischer Argumentation changiert. Letztlich ist die Auslegung eben eine Frage der Entscheidung und damit immer auch eine politische Wahl. Die Frage nach dem Zusammenhang von Recht und Politik bescherte den Teilnehmern und Teilnehmerinnen nun gleich am ersten Tag die Zeichnung von Wittgensteins Kaninchen-Enten-Illusion, welche die Masterclass fortan (doppelt) beäugte.

Der zweite Tag war dem vielleicht spannendsten Thema gewidmet: „Human rights are like love“ lautete die zentrale These eines Beitrags von Martti Koskenniemi, den die Teilnehmer und Teilnehmerinnen zur Vorbereitung gelesen hatten. Darüber, ob Menschenrechte (wie Liebe) sowohl notwendig als auch unmöglich sind, gab es reichlich Meinungsverschiedenheiten. Haben die Menschenrechtsabkommen eine Bedeutung? Tragen sie dazu bei, gegen Ungerechtigkeiten anzukämpfen – oder lenkt die Beschäftigung mit Menschenrechten gerade von den fundamentalen Ungerechtigkeiten ab, und schränkt die Sprache des Rechts die Möglichkeit ein, wichtige Anliegen zu formulieren? Die Diskussionen hier wollten kaum enden und zeigten deutlich, wie zentral die (oft übergangene) Frage nach der Rolle und Bedeutung des Rechtsmediums ist.

Am dritten Tag rückte die geschichtliche Perspektive auf das Recht stärker ins Zentrum. Die Rolle der Völkerrechtswissenschaft bei der Entstehung und Entwicklung des Marktkapitalismus seit Hugo Grotius wurde kontrovers diskutiert. Am letzten Tag schließlich ging es um die Tradition deutschsprachiger Völkerrechtswissenschaft, deren Spezifika und deren Stand in der Gegenwart. In seinem Aufsatz „International Law as a German Discipline“ betont Martti Koskenniemi die besondere Nähe der deutschen Rechtswissenschaft zur Philosophie und deren Leistungen bis ins 20. Jahrhundert. Über die Entwicklung seit 1945, das Verhältnis insbesondere zur amerikanischen Rechtswissenschaft, aber auch allgemeiner die Anschlussfähigkeit für andere Diskurse fanden die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in der Diskussion sowohl kritische wie auch lobende Worte.