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Solidaritätskonflikte in der Eurozone

Über das Projekt:

Eine Untersuchung am Beispiel der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa 

Das Habilitationsprojekt mit dem Arbeitstitel „Europäische Solidarität und die Rolle von Verfassungsgerichten“ befasste sich rechtsvergleichend mit der Frage, wie nationale Verfassungsgerichte Fragen transnationaler europäischer Solidarität verhandeln. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass die Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise mit einer distributiven Wende einhergeht, die sich darin ausdrückt, dass Entscheidungen auf nationaler und europäischer Ebene zur Bewältigung der genannten Krise grenzüberschreitende Verteilungseffekte haben. Die daraus entstehenden Konflikte wurden bisher vor allem vor nationalen Verfassungsgerichten ausgetragen. Der Studie liegt die Hypothese zugrunde, dass in der Sprache und den dogmatischen Figuren, die die Verfassungsgerichte bei der Bewältigung dieser Konflikte verwenden, ein bestimmtes Verständnis transnationaler europäischer Solidarität zum Ausdruck kommt. Ziel der Studie ist es, dieses Verständnis herauszuarbeiten und die jeweils zentralen dogmatischen Figuren zu identifizieren, die damit verbunden sind. Ein zweites Erkenntnisinteresse war es herauszuarbeiten, wie sich das Verhältnis von Verfassungsgerichten zu anderen Institutionen im Mehrebenensystem der EU verändert, wenn sie über Fragen europäischer Solidarität entscheiden.
 
Gegenstand der Untersuchung war die Rechtsprechung von vier europäischen Verfassungs- bzw. Höchstgerichten in Deutschland (Bundesverfassungsgericht), Spanien (Tribunal Constitucional), Irland (High Court), Portugal (Tribunal Constitucional). Die Analyse der jeweiligen Rechtsprechung zu Konflikten über Verteilungseffekte im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise wurde zunächst kontextualisiert, indem die sozio-ökonomische Ausgangslage, die politischen Debatten um die jeweiligen Konflikte, die rechtswissenschaftliche Begleitung derselben sowie die verfassungsrechtliche Ausgangslage untersucht wurden. Hierzu gehört insbesondere auch das jeweilige Europaverfassungsrecht der untersuchten nationalen Rechtsordnungen, das heißt die Rechtsnormen und dogmatischen Figuren, die das Verhältnis zwischen nationaler und supranationaler Rechtsordnung charakterisieren. Diese umfassende Kontextualisierung ermöglicht ein vertieftes Verständnis der jeweiligen Konflikte in ihrem jeweils spezifischen rechtlichen, politischen und sozialen Kontext.
 
Schließlich wurden die nationalen Verständnisse transnationaler europäischer Solidarität mit der Rechtsprechung des EuGH zu Fragen europäischer Solidarität kontrastiert. Die Vermutung ist, dass der EuGH hier bislang sehr zurückhaltend agiert und keinen konsistenten Begriff europäischer Solidarität entwickelt hat. Diese dogmatische Lücke versucht die Studie zu füllen, indem sie Vorschläge macht, wie europäische Solidaritätskonflikte prozedural eingefangen werden können. Dabei geht es um die politische Inklusion aller beteiligten Akteure. Es wird vorgeschlagen, dass dies sowohl durch eine horizontale Öffnung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung als auch durch supranationale demokratische Standards an die jeweiligen Entscheidungsprozesse geschehen kann.

Habilitandin


Betreuer