Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Logo Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Sie befinden sich hier: Publikationen Archiv Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000

Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000

Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


Inhalt | Zurück | Vor

Carsten Stahn


V. Staatsangehörigkeit

4. Staatenlosigkeit

      20. Durch Beschluß vom 7.2.2000 entschied das KG Berlin (25 VA 33/97 = InfAuslR 2000, 299) im Zusammenhang mit der Befreiung vom Erfordernis der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses gegenüber dem Standesbeamten, daß Palästinenser, die keine andere Staatsangehörigkeit angenommen haben, als Staatenlose anzusehen sind. Dies gelte auch für Palästinenser, die eigentlich libanesische Staatsbürger seien, von der Republik Libanon aber nicht als eigene Staatsangehörige anerkannt würden.

      21. In seinem Urteil vom 24.5.2000 ((7 C 15/99 = VIZ 2000, 599) setzte sich das BVerwG mit der Frage auseinander, ob das während der sowjetischen Besatzungsmacht geltende Verbot der entschädigungslosen Enteignung für Vermögenswerte, die im Eigentum ausländischer natürlicher oder juristischer Personen standen, auch das Eigentum Staatenloser erfaßte. Der Kläger hatte sich darauf berufen, daß die Enteignung seines Rechtsvorgängers im Rahmen der Bodenreform gegen die Ausländerschutzbestimmungen der sowjetischen Besatzungsmacht, insbesondere die Proklamation Nr. 2 der Oberbefehlshaber der Besatzungsstreitkräfte vom 20.9.194531 verstoßen habe, welche auch Staatenlose schütze. Das BVerwG wies diese Argumentation zurück. Es sah keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, daß der ehemalige Eigentümer als Staatenloser unter das Schutzversprechen der sowjetischen Besatzungsmacht für ausländisches Eigentum gefallen war. Zwar sei einzuräumen, daß Abschnitt III Nr. 9 der Proklamation vom 20.9.1945, worin dem deutschen Volk die Verpflichtung auferlegt wird, "alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit, den Unterhalt und die Wohlfahrt von Personen, die nicht deutsche Staatsbürger sind sowie deren Eigentum und des Eigentums fremder Staaten zu gewährleisten", die Auslegung zulasse, mit den "nicht deutschen Staatsbürgern" seien auch Staatenlose gemeint. Jedoch sei eine solche Auslegung nicht zwingend, denn zahlreiche andere Bestimmungen der Proklamation, insbesondere Abschnitt III Nr. 5 und Abschnitt VI Nr. 19 b deuteten darauf hin, daß diese lediglich das Verhältnis Deutschlands zu anderen Staaten und deren Angehörigen regeln wollte. Die Proklamation habe nicht das Ziel verfolgt, Staatenlose in das Schutzversprechen einzubeziehen, sondern allenfalls beabsichtigt, deutsche Staatsangehörige zu schützen, die zugleich eine ausländische Staatsangehörigkeit besaßen. Auch lasse sich den Bestimmungen und Verlautbarungen der sowjetischen Besatzungsmacht nicht entnehmen, daß die Proklamation i.S. eines Schutzes für das Eigentum Staatenloser zu verstehen sei. Der für die Behandlung ausländischen Eigentums grundlegende SMAD-Befehl Nr. 104 vom 4.4.1946 spreche im Gegenteil ausdrücklich von den Bürgern ausländischer Staaten. Darüber hinaus gebiete auch der damalige Stand des Völkerrechts kein anderes Verständnis dieser Verlautbarungen. Abgesehen davon, daß Staatenlose vor dem Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.9.195432 hinsichtlich ihres Vermögens weitgehend ohne Schutz gewesen seien, sei seinerzeit selbst eine Entschädigungspflicht für die Enteignung ausländischer Staatsangehöriger nicht durchweg, insbesondere nicht von der Sowjetunion anerkannt gewesen. Soweit eine Entschädigungspflicht bejaht worden sei, habe deren Verletzung nicht zur Nichtigkeit der Enteignung geführt, sondern nur zu einem Ersatzanspruch des Heimatstaates, an dem es dem Staatenlosen gerade mangele.




      31 ABl. des Kontrollrats Nr. 1 vom 29.10.1945, 8 ff.

      32 Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.9.1954, BGBl. 1976 II, 473.