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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


470. STAATENIMMUNITÄT

Nr.87/1

[a] Dem hoheitlichen Staatshandeln dienende Vermögensgegenstände unterfallen dem Immunitätsschutz.

[b] Für Ansprüche gegen einen auswärtigen Staat wegen auf hoheitlichem Handeln beruhender Schadensverursachung besteht keine deutsche Gerichtsbarkeit.

[a] Assets serving the sovereign activities of a foreign state enjoy sovereign immunity.

[b] There is no jurisdiction in Germany regarding claims for damages arising out of sovereign activities of a foreign state.

Amtsgericht Bonn, Beschluß vom 29.9.1987 (9 C 362/86), NJW 1988, 1393 (ZaöRV 48 [1988], 724 f.) (s.1300[87/1])

Einleitung:

      Der Obst- und Gemüse anbauende Antragsteller erlitt Vermögensschäden, als sein Anbaugelände nach dem Reaktorunfall im ukrainischen Tschernobyl verstrahlt wurde. Er beantragte beim AG Bonn Prozeßkostenhilfe für eine Schadensersatzklage gegen die Sowjetunion. Nach Ansicht des Gerichts bot die beabsichtigte Prozeßführung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, so daß der Antrag nach §114 S.1 ZPO zurückzuweisen war. Das Amtsgericht hielt die beabsichtigte Klage für unzulässig, weil seine örtliche Zuständigkeit nicht bestehe (§23 ZPO). Die Immunität der Sowjetunion sah es dagegen nicht als Hindernis an (§20 Abs.2 GVG).

Entscheidungsauszüge:

      §23 ZPO eröffnet die Möglichkeit, gegenüber ausländischen natürlichen oder juristischen Personen, die ihren Sitz nicht im Inland haben, eine Rechtsverfolgung vorzunehmen. Voraussetzung dafür ist, daß sich im Bezirk des angerufenen Gerichts Vermögen des Anspruchsgegners befindet ... Der Antragsteller hat nur vorgetragen, daß die Antragsgegnerin mit ihrem gesamten Auslandsvermögen hafte. Offenbar unterstellt er damit, daß sich auch im Bezirk des AG Bonn Vermögen der Antragsgegnerin befindet ... Sollte er mit Auslandsvermögen das Botschaftsgebäude nebst Inventar im Sinne haben, so unterfiele dieses der Immunität der Antragsgegnerin als ausländischem Staat. Anderes könnte nur gelten, wenn der Antragsteller vorgetragen hätte, daß einzelne bestimmte Gegenstände im Rahmen der Botschaft nicht-hoheitlichem Staatshandeln dienen ... Solches hat er aber nicht vorgetragen. Er hat Bezug genommen auf einige nicht näher beschriebene Konten bei dem Postgiroamt Köln. Sollten diese nicht-hoheitlichem sowjetrussischem Staatshandeln dienen und würde der Antragsteller Entsprechendes behaupten, so wäre trotzdem die örtliche Zuständigkeit des AG Bonn nicht begründet, da sich diese Vermögenswerte nicht in dessen Bezirk befänden. Da schon aus diesem Grunde die Zuständigkeit des AG Bonn aus §23 ZPO nicht begründet ist, erübrigt sich die Entscheidung der - zweifelhaften - Frage, ob der ausländische Fiskus überhaupt im Rahmen des §23 ZPO in Frage kommt. Dies könnte auch nach Sinngehalt und Wortlaut des §23 sehr fraglich sein ...
      Die Unzulässigkeit der Klage ergibt sich aus §20 Abs.2 GVG (nur) insoweit, als der Antragsteller eine Schadensverursachung behaupten würde, die auf hoheitlichem Handeln beruhte. Für diesen Fall unterläge die UdSSR als ausländischer Staat der staatlichen Immunität, so daß die deutsche Gerichtsbarkeit für diese Ansprüche verschlossen bliebe. Seit der Entscheidung [des Bundesverfassungsgerichts] BVerfG, NJW 1963, 435 ist in der Bundesrepublik der Grundsatz der staatlichen Immunität nur noch eingeschränkt gültig. Damit wird der Entwicklung Rechnung getragen, daß Staaten immer mehr privatrechtlich handelnd am internationalen Wirtschaftsleben teilnehmen. Im Rahmen der eingeschränkten staatlichen Immunität unterliegt dieser nur noch hoheitliches Staatshandeln. Dies ist in der Staatenpraxis überwiegend anerkannt. Diese Abgrenzung nach hoheitlichem und nicht hoheitlichem Handeln findet auch bei der gerichtlichen Durchsetzung deliktischer Ersatzansprüche Anwendung. Anderenfalls würde der Grundsatz prinzipieller staatlicher Immunität ohne Beachtung bleiben. Praktisch denkbar ist deliktisches Handeln sowohl bei der Ausübung hoheitlicher wie auch bei der Ausübung nicht-hoheitlicher Tätigkeit. Je nach Zuordnung der Tätigkeitsform unterliegen die daraus resultierenden Ansprüche unterschiedlichen Haftungsnormen. Erfolgt das deliktische Handeln in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit, so greift unter bestimmten Voraussetzungen der Amtshaftungsanspruch Platz. Dieser ist sowohl in der deutschen wie auch der russischen Rechtsordnung anerkannt ... Erfolgt das Delikt während nicht-hoheitlicher Tätigkeit, so sind in beiden Rechtsordnungen diese unterschiedlichen Anspruchsnormen einschlägig. Da beide Rechtsordnungen diese unterschiedlichen Anspruchsinstitute im Rahmen von deliktischem Handeln vorsehen, ist es unzulässig, unter Mißachtung dieser Tatsache das deliktische Staatshandeln stets und immer der deutschen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen. Auch bei deliktischem Staatshandeln ist immer die Frage nach dem Charakter der Tätigkeit zu stellen. Maßstab bei der Beantwortung dieser Frage ist dabei immer das deutsche Recht, da anderenfalls der ausländische Staat die beliebige Wahlmöglichkeit zwischen beiden Handlungsformen hätte (vgl. BVerfG, NJW 1963, 1732; BGH, NJW 1979, 1101). In der Bundesrepublik wird die Energiewirtschaft durchgängig privatrechtlich betrieben, die Staatsaufgabe der Energieversorgung wird also nicht-hoheitlich erfüllt. Deliktische Ansprüche, die sich im Rahmen der russischen Energiewirtschaft ergeben, unterliegen damit grundsätzlich der deutschen Gerichtsbarkeit. Der Grundsatz der Staatenimmunität könnte insoweit nicht ins Feld geführt werden.

Hinweis:

      Die Entscheidung wurde durch das Landgericht Bonn bestätigt (Beschluß vom 14.12.1987 [5 T 184/87], NJW 1989, 1225).