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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Christiane E. Philipp


I. Völkerrecht und innerstaatliches Recht

       1. Der BGH beschäftigte sich in seinem Beschluß vom 27.10.1993 (2 ARs 164/93, Bay.VBl. 1994, 121 ff.) mit dem Gerichtsstand für Kriegsverbrechen im Bosnien-Konflikt. Hintergrund des Beschlusses war ein Schreiben des bayerischen Staatsministers für Arbeit, Familie und Sozialordnung vom Mai 1993. Mit diesem Schreiben hatte der Minister unter Hinweis darauf, daß er beim Generalbundesanwalt Strafanzeige wegen Völkermordes (§ 220a StGB) "gegen die Kriegsverbrecher im Bosnien-Konflikt" erstattet habe und bestimmte Kriegsverbrechen wie Massenvergewaltigung "über § 6 Nr. 9 StGB in Verbindung mit Art. 50 Genfer Konvention I" im Inland verfolgt werden könnten, beantragt, gemäß § 13a StPO2 ein zuständiges Gericht zu bestimmen.

       Der Bundesgerichtshof entsprach dem Antrag nicht, mit folgender Begründung: Der Antragsteller habe sich in seinem Antragschreiben vom Mai 1993 darauf beschränkt, einen Gesamtkomplex ("Kriegsverbrechen im Bosnien-Konflikt") zu benennen, der eine Vielzahl lediglich allgemein nach der Art des Verbrechens umschriebener Taten umfasse. Ein solcher Gesamtkomplex sei einer Gerichtsstandsbestimmung nicht zugänglich. Ein Gerichtsstand könne nur für einzelne Taten bestimmt werden. Auch die Strafanzeige, auf die das Antragschreiben Bezug nehme, biete keine geeignete Grundlage für die beantragte Gerichtsstandsbestimmung. Es liege außerhalb der rechtlichen Pflichten und tatsächlichen Möglichkeiten des Bundesgerichtshofes, durch eigene Vorermittlungen (Materialsammlung, Sichtung, Aufbereitung und Ordnung) nach Art einer zentralen Ermittlungsstelle einen Gesamtkomplex von Straftaten in konkret individualisierbare Einzeltaten aufzulösen, um damit erst die Grundlage für eine Gerichtsstandsbestimmung zu gewinnen.

       2. Gegenstand des Beschlusses des Landgerichtes Essen vom 28.1.1993 (7 T 522/92 = FamRZ 1994, 399 ff.) war das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989 (UNKRÜ)3. Der Vater eines nichtehelichen Kindes hatte behauptet, gemäß Art. 9 Abs. 3 UNKRÜ habe ein Kind das Recht auf regelmäßigen Kontakt zu beiden Elternteilen. Gem. Art. 25 Abs. II der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte4 genössen alle Kinder, eheliche und nichteheliche, den gleichen Schutz. Gemäß Art. 16 der Konvention über die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau5 genössen Männer und Frauen gleiche Rechte und Pflichten als Eltern, ungeachtet ihres Familienstandes, in allen ihre Kinder betreffenden Fragen. Indem das Amtsgericht mit Beschluß vom 2.7.1992 seinen Antrag auf Einräumung eines Umgangsrechtes mit der Begründung zurückgewiesen habe, alleiniger Maßstab für die Einräumung eines Umgangsrechtes sei das Wohl des Kindes und nach dem Inhalt des § 1711 Abs. 2 BGB bestehe ein Umgangsrecht des nichtehelichen Vaters nur bei Vorliegen bestimmter Tatsachen, habe das Amtsgericht bei der Auslegung des § 1711 BGB völkerrechtliche Vorgaben verletzt.

       Das Landgericht erklärte die Beschwerde für zulässig, aber unbegründet. Die UN-Kinderrechtskonvention sei auf den vorliegenden Fall schon dem Inhalt nach nicht anwendbar. Die Konvention befasse sich nicht mit der familien- und erbrechtlichen Stellung des nichtehelichen Kindes. Dem stehe der Wortlaut der Konvention, der nicht ausdrücklich zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern unterscheide, nicht entgegen. Auch Art. 2 UNKRÜ, wonach die Vertragsstaaten die in dem Übereinkommen festgestellten Rechte unabhängig von der Geburt des Kindes zu achten haben, lasse nicht den Schluß zu, daß auch Regelungen in bezug auf die familienrechtliche Stellung nichtehelicher Kinder getroffen werden sollten. Schon die Entstehungsgeschichte der UN Kinderrechtskonvention ergebe, daß diese auf Fälle der vorliegenden Art nicht anwendbar sei. Gemäß Ziff. 2 der Erklärung, die die Bundesrepublik Deutschland bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde abgegeben habe, habe die Bundesregierung darüber hinaus klargestellt, daß aus Art. 18 Abs. 1 des Übereinkommens nicht abgeleitet werden könne, daß das elterliche Sorgerecht auch bei Kindern, deren Eltern keine Ehe eingegangen seien, automatisch und ohne Berücksichtigung des Kindeswohles im Einzelfall beiden Eltern zustehe. Im Rahmen der Möglichkeit, Vorbehalte gemäß Art. 51 des Übereinkommens zu erklären, habe die Bundesregierung für die Bundesrepublik Deutschland erklärt, daß die Bestimmungen des Übereinkommens die Vorschriften des innerstaatlichen Rechtes über die familien- und erbrechtlichen Verhältnisse nichtehelicher Kinder nicht berührten. Auch die anderen von dem Beschwerdeführer zitierten völkerrechtlichen Bestimmungen gingen von der Nichtgleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder im Familien- und Erbrecht aus. Keinesfalls werde durch sie § 1711 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgehoben oder eingeschränkt.



      2 Gemäß § 13a StPO bestimmt der Bundesgerichtshof das zuständige Gericht, wenn es im Geltungsbereich der Strafprozeßordnung an einem zuständigen Gericht fehlt oder dies nicht ermittelt ist.

      3 Abgedruckt in ILM 28 (1989), 1457.

      4 GA res. 217 A (III) vom 10.12.1948.

      5 BGBl. 1985 II, 647.