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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Christiane E. Philipp


III. Wirkungen und Grenzen staatlicher Souveränität

2. Anerkennung fremder Hoheitsakte

       9. Gegenstand des Beschlusses des Bundesgerichtshofes vom 4.3.1993 (IX ZB 55/92 = EuZW 1993, 390 ff.) war die Frage der Bestimmtheitsanforderungen an die Vollstreckbarkeitserklärung eines ausländischen Urteils. Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens wollte ein italienisches Urteil in der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklären lassen. Dieses enthielt neben der Verurteilung zur Zahlung einer Summe in Lira auch eine Klausel über Verzugszinsen und eine Devisenschwankungsklausel. Der BGH führte aus, daß gemäß Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ14 eine ausländische Entscheidung nicht anerkannt und somit nach Art. 34 Abs. 2 EuGVÜ auch nicht für vollstreckbar erklärt werde, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, widerspreche. Der Inhalt eines ausländischen Urteils verletze die deutsche öffentliche Ordnung nur, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechtes zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und der in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellung in einem so starken Widerspruch stünde, daß es nach inländischen Vorstellungen als untragbar erschiene. Der Senat hat dies für den Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung im Sinne des § 826 BGB durch Urteilserschleichung angenommen (vgl. dazu BGH, NJW-RR 1987, 377 = WM 1986, 1370). Umstände von solchem Gewicht habe die Schuldnerin hier zwar nicht dartun können, dennoch rüge sie zutreffend die fehlende Konkretisierung des zu vollstreckenden Titels. Zwar gestatte das deutsche Recht den Zwangsvollstreckungsorganen, gewisse Unklarheiten im Vollstreckungstitel durch eigene Auslegung auszuräumen und künftig eintretende Veränderungen, etwa das Auflaufen weiterer Zinsen, selbst zu berücksichtigen. Diese Möglichkeit sei aber nach der Aufgabenverteilung im deutschen System der zivilprozessualen Rechtsverwirklichung als Ausnahme gedacht. Diese Aufgabenverteilung gelte zugleich für die Vollstreckbarkeitserklärung eines ausländischen Titels. Nicht dieser, sondern allein die inländische Entscheidung über die Vollstreckbarkeitserklärung sei maßgebliche Grundlage für die Zwangsvollstreckung in Deutschland. Sie habe daher grundsätzlich den inländischen Bestimmtheitsanforderungen zu entsprechen. Ein abschließendes sowie verbindliches, aber nicht eindeutig konkretisiertes Vollstreckungsurteil berge die Gefahr unterschiedlicher Auslegung durch die gemäß § 664 Abs. 2 ZPO jeweils zuständigen Vollstreckungsgerichte. Ob ein solches Urteil, wenn es versehentlich erlassen würde, nichtig oder noch vollstreckungsfähig wäre, brauche hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls sei es prozeßordnungswidrig und damit anfechtbar. Im Hinblick auf zukünftig anfallende Zinsen oder sonstige Zuschläge stellte der BGH fest, daß die Berechnungsgrundlagen im Entscheidungssatz so genau bezeichnet werden müßten, daß das jeweilige Vollstreckungsorgan sie sicher feststellen und zuverlässig anwenden könne.



      14 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 1989 II, 214/752 – ist in dieser Fassung am 1.12.94 in Kraft getreten.