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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Volker Röben


V. Wirkungen und Grenzen staatlicher Souveränität

2. Anerkennung fremder Hoheitsakte

       Die Konsequenzen des Bodenreformurteils des Bundesverfassungsgerichts1 zu den während der sowjetischen Besatzung in der DDR erfolgten Enteignungen beschäftigten die Gerichte auch im Berichtszeitraum weiter.2

       25. Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Beschluß vom 9.11.1995 (V ZB 27/94 - NJW 1996, 59199) mit der Frage nach der Eröffnung des Zivilrechtsweges wegen einer Entschädigung in einem Fall zu befassen, der eine aufgrund des Befehls Nr. 124 der sowjetischen Militär-Administration in Deutschland (SMAD)3 vom thüringischen Innenminister 1948 durchgeführte Enteignung zum Gegenstand hatte. Die Klage war darauf gestützt, daß die Enteignung damals gegen einen bereits verstorbenen Großvater stattgefunden und daher gegen den SMAD Befehl verstoßen habe. Der Bundesgerichtshof urteilte, er brauche die Frage, ob die besatzungsrechtlichen Vorschriften die Enteignung eines bereits Vorverstorbenen zuließen, nicht zu entscheiden.4 Auch wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, sei die von den deutschen Stellen verfügte Aufnahme des Grundstückes in die Enteignungsvorschläge von der Besatzungsmacht zu verantworten. Diese hätte nämlich zu jeder Zeit lenkend und korrigierend eingreifen können. Damit bestehe eine Wechselbeziehung zwischen den möglichen Mängeln der Enteignung und dieser selbst, die den rechtlichen Defekt an der Unkorrigierbarkeit des Besatzungsrechts teilnehmen lasse. Die Bundesregierung sei, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, bei der Abgabe der Gemeinsamen Erklärung davon ausgegangen, daß der Verzicht auf die Rückgängigmachung der von der Sowjetunion zu verantwortenden Enteignungen von dieser bei den Verhandlungen über den Einigungsvertrag und bei den "Zwei-plus-Vier-Verhandlungen"5 zur Vorbedingung gemacht worden sei. Sie habe deshalb, wenn sie auch kein völkerrechtliches Servitut eingegangen sei, die Bereitschaft Deutschlands erklärt, Hoheitsakte zu unterlassen, die der Bedingung zuwiderlaufen würden. Die von der Sowjetunion reklamierte absolute Bestandskraft der von ihr zu verantwortenden Enteignungen weise Fehler, gleich welcher Art sie gewesen seien, der nicht korrigierbaren Machtausübung der Militäradministration zu.

       26. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.9.1995 (7 C 28/94 - DtZ 1996, 122) beruht eine im Zuge der Bodenreform erfolgte Enteignung auch dann i.S.v. § 1 VIII lit. a) VermG auf besatzungshoheitlicher Grundlage, wenn sie eine nach den Vorschriften des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 strafrechtlich verfolgte Person betraf.

       27. Das VG Greifswald hatte sich im Urteil vom 1.6.1995 (5 A 728/94 - VIZ 1996, 223) mit der Enteignung von ausländischen Großgrundbesitzern in Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der Verordnung Nr. 19 der Landesverwaltung Mecklenburg über die Bodenreform im Land Mecklenburg vom 5.9.1945 auseinanderzusetzen. Das VG stellte fest, daß auch diese Enteignungen dem Willen der Sowjetunion entsprochen hätten und daher besatzungshoheitlich seien. Die Verordnung Nr. 19 widerspreche nicht den Gesetzen und Befehlen des alliierten Kontrollrates oder den Befehlen der sowjetischen Militärregierung. Zwar habe die Besatzungsmacht wiederholt ihren Willen bekundet, das Eigentum ausländischer Staatsbürger vor dem enteignenden Zugriff deutscher Stellen zu schützen. Der tatsächliche Geschehensablauf zeige jedoch, daß die auf der Grundlage der Verordnung Nr. 19 erfolgten Enteignungen ausländischer Staatsbürger trotz der Äußerungen der Sowjetunion in den SMAD-Befehlen6 Nr. 104 vom 4.4.1946 bzw. Nr. 154/181 vom 21.5.1946 und den sog. Dartwinschen Instruktionen vom 17.11.19477 insgesamt dem generellen Willen der Besatzungsmacht entsprochen und jedenfalls dann, wenn unter ihrer Herrschaft eine Aufteilung des enteigneten Gutes erfolgt sei, sogar ihrem ausdrücklich geäußerten Willen entsprochen hätten.

       28. Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Beschluß vom 7.12.1995 (7 B 424/95 - VITZ 1996, 208) fest, daß es offenkundig sei, daß die Sowjetunion nach Durchführung des sog. Barber-Lyaschenko-Abkommens die oberste Staatsgewalt in den von dem Abkommen erfaßten ursprünglich zur britischen Besatzungszone gehörigen Gebieten ausgeübt habe.

       29. Das OLG Karlsruhe entschied mit Beschluß vom 14.12.1995 (2 UF 176/94 - FamRZ 1996, 424), daß die Paßhoheit eines fremden Staates im Rahmen familienrechtlicher Umgangsrechtsentscheidungen zu berücksichtigen ist. Streitgegenständlich war das Umgangsrecht eines syrischen Vaters mit seinem Sohn, für den der deutschen Mutter das Sorgerecht zustand. Unabhängig davon, ob das Kind auch die syrische Staatsangehörigkeit erworben habe, sei das Umgangsrecht jedenfalls nach deutschem Recht zu beurteilen. Mit Blick auf die Paßhoheit des ausländischen Staates sowie die Ausweispflicht des Ausländers im Inland sei es unzulässig, die Ausübung des Umgangsrechts von der Hinterlegung des Passes oder Personalausweises des Umgangsberechtigten abhängig zu machen, um eine Kindesentführung ins Ausland zu verhindern. Hingegen könne das Umgangsrecht in räumlicher Hinsicht begrenzt werden.



      1 BVerfGE 84, 90, s. A. Zimmermann, Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1991, ZaöRV 53 (1993), 375.

      2 Vgl. schon Ress (Anm. 1), 487 f.

      3 Betr. Kriegs- und Naziverbrecher, s. hierzu bereits BVerwG, WM 1995, 929, 533.

      4 Dies erschien dem Gericht nach dem vom OLG beigezogenen "Rundschreiben der LK 124/126 Thüringen betreffend Verhältnis von Sequestration und Erbfall" vom 26.7.1947, Bundesarchivbestand D 03, Zentrale Deutsche Kommission für Sequestrierung und Beschlagnahme, Akten-Nrn. 147, 148, zweifelhaft.

      5 S. die Suspendierungserklärungen der Vier Mächte in bezug auf Berlin, BGBl. 1990 II, 3131; Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland (sog. Zwei-plus-Vier-Vertrag) vom 12.9.1990, BGBl. 1990 II, 1318.

      6 Abgedruckt bei Fieberg/Reichenbach, RWS-Dokumentation 7, Enteignungen und Offene Vermögensfragen in der ehem. DDR, Bd. I, Ziff. 2.4.6. a) bzw. 2.4.7.

      7 Abgedruckt ibid., Ziff. 2.4.6. a) 1.