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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Volker Röben


II. Staatensukzession

       6. Im Berichtszeitraum waren Fragen der Staatensukzession als Vorfragen für die Entscheidung von Zivilstreitigkeiten von deutschen Gerichten zu behandeln. Vor dem OLG Karlsruhe, Urteil vom 7.4.1995 (15 U 297/94 - RIW 1995, 772) verfolgte der Kläger Provisionsansprüche aus einem Handelsvertretervertrag. Aufgrund der Vermittlung des Klägers hatte die Beklagte mit der Fa. L, Moskau, einer Außenhandelsorganisation der UdSSR, am 8.12.1989 einen Vertrag über die Lieferung einer metallverarbeitenden Anlage, die für den Betrieb K. in Samara bestimmt war, geschlossen. Das OLG bejahte den Provisionsanspruch des Klägers. Da die Ware letztlich an K. gelangt sei, bedeute die Handlungs- und Zahlungsunfähigkeit der Fa. L lediglich eine Verzögerung der Geschäftsausführung, aber nicht eine Lösung des Zusammenhangs mit dem ursprünglichen Liefergeschäft. Hiergegen greife auch das von dem Kläger herausgestellte Argument, mit der Auflösung der Sowjetunion sei auch das im Maklervertrag bestimmte Vertragsgebiet weggefallen, nicht durch. Bei der rechtlichen Beurteilung sei vielmehr zu berücksichtigen, daß die Fa. L nach dem Außenhandelsrecht der UdSSR lediglich als Sachwalterin der eigentlichen Empfänger der Waren zwischengeschaltet war, sie selbst aber nicht mit dem ausländischen Unternehmen habe kontrahieren können und auch nicht über die hierfür erforderlichen Devisen verfügte. Infolgedessen hätten dem Unternehmen bei Vertragsschluß bei wirtschaftlicher Betrachtung als Dritte sowohl der Vertragspartner, die Fa. L in Moskau, als auch der Empfänger der Anlage, der Betrieb K., Samara, gegenübergestanden. Die vom wirtschaftlichen System der früheren Sowjetunion vorgegebene Aufspaltung der Abnehmerseite könne bei Abwicklungsstörungen infolge des Ausfalls eines der Beteiligten nicht außer Acht gelassen werden.

       7. Das OLG Hamm, Urteil vom 6.7.1994 (20 U 162/93 - IPRax 1995, 386), hatte über die Vollstreckbarkeit eines jugoslawischen Schiedsspruchs zu entscheiden. Kläger war die in eine Aktiengesellschaft umgewandelte frühere Staatshandelsfirma mit Sitz im heutigen Kroatien, die 1988 durch Klage vor dem Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Jugoslawien in Belgrad einen Schiedsspruch gegen die Beklagte mit Sitz in der Bundesrepublik erwirkt hatte und diesen nun in der Bundesrepublik vollstrecken wollte. Das OLG führte aus, es könne dahinstehen, ob mit Rücksicht auf den Zerfall des jugoslawischen "Staatenbundes" und der Gründung des Staates Kroatien das UN-Übereinkommen über die Vollstreckung von Schiedssprüchen vom 10.6.19581 im Streitfall keine Anwendung mehr finden könne. Ob Kroatien dem Vertrag beigetreten sei, sei jedenfalls unerheblich, weil der Schiedsspruch nicht in Kroatien, sondern in Belgrad, also auf dem Gebiet des heutigen Restjugoslawien ergangen sei. Der Beklagten könne nicht zugestimmt werden, wenn sie meine, mit der Gründung des Staates Kroatien sei der Schiedsvertrag erloschen und das Fortbestehen des Schiedsvertrages sei nach § 1044 ZPO Voraussetzung für die Anerkennung des Schiedsspruches. Die Schiedsgerichtsklausel sei Bestandteil eines privatrechtlichen Vertrages. Dieser werde durch staatliche Umwälzungen nicht berührt. Die Vollstreckbarkeit eines rechtskräftigen Schiedsspruches könne nicht davon abhängen, ob der Staat, in dem eine Partei ihren Sitz habe, noch in der bisherigen Form fortbestehe.



      1 BGBl. 1961 II, 121.