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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Volker Röben


XIII. Europäische Gemeinschaften

7. Wettbewerbs- und Kartellrecht

       98. Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Beschluß vom 24.10.1995 (KVR 17/94 - JZ 1996, 1022) mit dem Verhältnis des deutschen zum europäischen Wettbewerbsrecht zu befassen. Gegenstand der Entscheidung war die Beschwerde der von einer Entscheidung des Bundeskartellamtes gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 GWB Betroffenen, mit dem der Betroffenen zu 2 untersagt wurde, die Kommanditanteile der Betroffenen zu 1 an der Beteiligten zu 1 zu erwerben. Alle drei Unternehmen waren hauptsächlich im Maschinenbau tätig; die Betroffene zu 2 hielt das Stammkapital der Betroffenen zu 2 zu 50, 1 %. Die Betroffene zu 1 erzielte auch einen erheblichen Außenumsatz. Der Bundesgerichtshof prüfte die Anwendung des GWB und hier vor allem die vom Kammergericht Berlin in tatrichterlicher Würdigung vorgenommene Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes. Das KG habe rechtsfehlerfrei angenommen, daß der für die Entscheidung über die Untersagung des Zusammenschlußvorhabens nach § 24 Abs. 1 GWB räumlich relevante Markt auf das Bundesgebiet beschränkt sei, obwohl die tatsächliche Marktsituation auch durch Importe und Exporte gekennzeichnet sei.1 Nach dem GWB könne der räumlich relevante Markt allenfalls so groß sein wie das Bundesgebiet. Für die Entscheidung, ob ein Zusammenschluß zu untersagen sei, komme es allein darauf an, daß im Inland eine marktbeherrschende Stellung entstehe oder verstärkt werde. Der Bundesgerichtshof stellte sodann fest, daß die Untersagung des Zusammenschlusses hier nicht dem Gemeinschaftsrecht widerspreche. Das Zusammenschlußvorhaben falle nicht in den Anwendungsbereich der Fusionskontrollverordnung Nr. 4064/89 (FKVO)2, weil ihm keine gemeinschaftsweite Bedeutung zukomme. Es sei auch nicht ersichtlich, daß die Untersagung des Zusammenschlußvorhabens die einheitliche Anwendung und die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen könne. Die nationale Kontrolle wirke vielmehr mit ihrem Zweck, eine Verschlechterung der Bedingungen für wirksamen Wettbewerb zu verhindern, im Sinne der Zielsetzungen des EG-Vertrages. Für die Beurteilung des Vorhabens sei ferner unerheblich, wie der Sachverhalt zu beurteilen wäre, wenn er allein dem Anwendungsbereich der FKVO unterfallen würde. Die Anwendung unterschiedlichen Rechts auf Fusionsvorhaben, die nach GWB und solche, die nach der FKVO zu beurteilen seien, verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die hier vorliegende Inländerdiskriminierung, die aus der weniger großzügigen Kontrolle nach dem GWB resultiere, sei durch die unterschiedlichen Rechtsetzungszuständigkeiten bedingt, die bei dem gegenwärtigen Stand der Harmonisierung des Rechts in den europäischen Mitgliedstaaten hinzunehmen seien.

       99. Das Kammergericht Berlin hat in seinem Beschluß vom 16.11.1995 (Kart 28/94 - WuW 1996, 650) die Anwendung des gemeinschaftlichen Wettbewerbrechts durch die deutschen Behörden behandelt. Die Beschwerdeführerin, der führende inländische Veranstalter von Pauschalflugreisen TUI, wendete sich gegen die Auflage des Bundeskartellamtes betr. seine sog. selektiven Exklusivverträge mit Beherbergungsunternehmen an bestimmten typischerweise von deutschen Touristen frequentierten Urlaubsorten. Das KG wies die Beschwerde im wesentlichen zurück. Das Bundeskartellamt sei zuständig. Seine grundsätzliche Befugnis zur Anwendung von Art. 85 Abs. 1 EGV folge aus Art. 9 Abs. 3 VO Nr. 17/62 i.V.m. § 47 GWB. Eine gemeinschaftliche, das Bundeskartellamt zum Vollzug von Gemeinschaftsrecht ermächtigende Delegationsnorm vermisse TUI nur deshalb, weil sie Art. 88 EGV unzutreffend auslege. Art. 88 EGV legitimiere die nationalen Behörden gemeinschaftsrechtlich zur Anwendung des EG-Wettbewerbsrechts auch nach Inkrafttreten der zu Art. 87 erlassenen Vorschriften. Eine Eingriffskompetenz des Bundeskartellamtes für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, die mit Beteiligung deutscher Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat getroffen wurden, ergebe sich aus dem im europäischen Recht allgemeingültigen Auswirkungsprinzip. Danach sei ein Staat zur Regelung von Sachverhalten außerhalb seines Territoriums ausnahmsweise dann berechtigt, wenn sich die Wettbewerbsbeschränkungen innerhalb seines Staatsgebietes auswirkten. Die Anwendung des Art. 85 Abs. 1 EGV durch eine nationale Kartellbehörde setze die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkungen auf dem inländischen Markt voraus.



      1 Vgl. Bundesgerichtshof, Beschluß vom 24.10.1995 (KVR 17/94 - BB 1996, 1901) Backofenmarkt.

      2 Vom 21.12.1989, ABl. (EG) Nr. L 257, 13.