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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Kerrin Schillhorn


VII. Asylrecht

4. Familienasyl - und Drittstaatenregelung

      47. Das OVG Koblenz kam in seinem Urteil vom 29.10.1996 (7 A 12233/96 = NVwZ-Beilage 3/1997, 22ff.) zu dem Ergebnis, daß ein Asylanerkennungsanspruch i.S.d. § 26 AsylVfG 1993 nicht durch Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26 a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG 1993 ausgeschlossen sei. Gegenstand des Verfahrens waren die Asylanträge einer Familie, von der der Vater in Deutschland rechtskräftig als Asylberechtigter anerkannt worden war. Das Gericht führte aus, nach § 26 Abs. 1 AsylVfG werde der Ehegatte eines Asylberechtigten dann ebenfalls als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Ehe schon in dem Staat bestanden hatte, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wurde, der Ehegatte einen Asylantrag vor oder gleichzeitig mit dem Asylberechtigten oder unverzüglich nach der Einreise gestellt habe und die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen sei. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt. Daß ein Asylanerkennungsanspruch nach § 26 AsylVfG nicht durch die sog. Drittstaatenregelung des Art. 16 a Abs. 2 GG [vgl. 37-40] ausgeschlossen sei, folge bereits daraus, daß es sich bei der Regelung des § 26 AsylVfG um eine eigenständige, einfach gesetzliche Normierung eines Begünstigungstatbestandes handele. Dieser sei hinsichtlich seiner Voraussetzungen mit dem Asylanspruch des Art. 16 a Abs. 1 GG nicht identisch und nehme damit auch nicht an dem Ausschlußtatbestand des Art. 16 a Abs. 2 GG teil66. Unter Verweis auf bereits bestehende Rechtsprechung stellte das OVG Koblenz klar, daß es sich bei dem Familienasyl materiellrechtlich nicht um einen Asylanspruch i.S.d. Art. 16 a Abs. 1 GG handele. Vielmehr werde für das begünstigte Familienmitglied eine Rechtsstellung geschaffen, die politisch Verfolgte genössen, ohne daß eine eigene politische Verfolgung des Familienmitglieds festgestellt werden müsse. Das Schutzinteresse des Familienangehörigen sei dabei komplexer Natur. Einerseits erhalte er Schutz vor einer unterstellten politischen Verfolgung, und andererseits liege das Schutzinteresse in der Förderung der Einordnung der nahen Angehörigen in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik. Diese bestimmten nämlich während des Aufenthaltes ihr Leben in gleicher Weise wie das des Asylberechtigten. Schließlich widerspreche die Nichtanwendbarkeit der Drittstaatenregelung im Rahmen des Familienasyls nicht dem Sinn und Zweck der Drittstaatenregelung. Dieser bestehe darin, ein europäisches Gesamtsystem zu schaffen, in welchem die Schutzgewährung für Flüchtlinge mit dem Ziel einer Lastenverteilung zwischen den an einem solchen System beteiligten Staaten erstrebt werde. Dem stünde jedoch die Regelung des Familienasyls gerade nicht entgegen.



      66 Vgl. aber den Beschluß des OVG Nordrhein Westfalen vom 4.9.1996 (25 A 5830/95.A = DVBl. 1997, 192ff. = DÖV 1997, 382ff. = NVwZ-Beilage 3/1997, 21ff.), das zum gegenteiligen Ergebnis gelangte. Nach Auffassung des OVG führe das nach § 26 AsylVfG gewährte Familienasyl zur Anerkennung als Asylberechtigter, also zu derselben Rechtsstellung, die politisch Verfolgte i.S.d. Art. 16 a Abs. 1 GG erlangten. Damit fielen auch diese Ausländer unter die Drittstaatenregelung. Insbesondere gebe § 25 AsylVfG dem Bundesamt keine Handhabe, von Amts wegen quasi ungefragt dem betroffenen Personenkreis unter den in der Vorschrift normierten Voraussetzungen Asyl zu gewähren. In diesem Sinne vgl. auch Urteil des VG Schleswig vom 9.10.1996 (16 A 501/95 = NVwZ-Beilage 3/1997, 24).