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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Kerrin Schillhorn


IX. Internationaler Menschenrechtsschutz

1. Europäische Menschenrechtskonvention

f) Freizügigkeit (Art. 2 Protokoll Nr. 4 zur EMRK)

      60. Mit Urteil vom 19.3.1996 (1 C 34/93 = BVerwGE 100, 335ff. = DVBl. 1997, 165ff. = NVwZ-RR 1997, 317ff. = InfAuslR 1996, 392ff. = DÖV 1997, 161ff.) entschied das BVerwG, daß die räumliche Beschränkung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 12 Abs. 1 Satz 2 AuslG nicht gegen Art. 2 des Protokolls Nr. 4 EMRK verstoße. Antragsteller waren abgelehnte Asylbewerber, die eine Duldung erhalten hatten und von der Sozialhilfe lebten. Sie begehrten die Aufhebung der räumlichen Beschränkung ihrer Aufenthaltsbefugnis auf das Land Baden-Württemberg. Das Gericht entschied, daß die angefochtene räumliche Beschränkung sich innerhalb der Grenzen des durch § 12 Abs. 1 Satz 2 AuslG eingeräumten Ermessens halte. Zwar müsse für die räumliche Beschränkung der Aufenthaltsbefugnis ein besonderes öffentliches Interesse bestehen. Dieses sei jedoch darin zu sehen, daß eine Verlagerung von Sozialhilfelasten auf andere Bundesländer durch Binnenwanderungen vermieden werden solle. Zugleich könne durch eine derartige Regelung der mißbräuchlichen (mehrfachen) Inanspruchnahme von Sozialhilfe vorgebeugt werden. Die auf dieser Grundlage erfolgte Abwägung habe auch die privaten Interessen der Antragsteller ausreichend berücksichtigt. Außerdem sei die räumliche Beschränkung der Aufenthaltsbefugnisse der Kläger verhältnismäßig. Schließlich verstoße die Beschränkung nicht gegen Art. 2 des Protokolls Nr. 4 zur EMRK. Nach dieser Bestimmung habe jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhalte, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt der Kläger, so das Gericht, sei nur insoweit rechtmäßig i.S.d. Bestimmung des Protokolls, als sie sich in den Grenzen hielten, die ihre Aufenthaltsbefugnis vorsehe. Ihr rechtmäßiger Aufenthalt sei auf das Land Baden-Württemberg räumlich beschränkt. Auch Art. 2 des Protokolls Nr. 4 erweitere dieses Recht nicht. Darüber hinaus ergäben sich für die Kläger auch keine weitergehenden Rechte aus Art. 12 Abs. 1 und 3 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte.