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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Kerrin Schillhorn


IV. Staatsangehörigkeit

3. Mehrfache Staatsangehörigkeit

      21. Über die Voraussetzungen der Einbürgerung eines Iraners unter Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit hatte das BVerwG (Beschluß vom 1.10.1996 - 1 B 178/95 = InfAuslR 1997, 79f. = StAZ 1997, 282f.) zu entscheiden.25 Gegenstand des Verfahrens war der Einbürgerungsantrag eines iranischen Staatsangehörigen, der über einen Zeitraum von vier Jahren bei der iranischen Botschaft mit insgesamt fünf Schreiben um seine Entlassung aus der iranischen Staatsangehörigkeit nachgesucht hatte, ohne hierauf eine Reaktion erhalten zu haben.26 Das Gericht entschied, daß die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 AuslG, wonach die Mehrstaatigkeit hinzunehmen sei, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben könne, im vorliegenden Fall erfüllt seien. Insbesondere lägen die Voraussetzungen des § 87 AuslG vor, wenn der Heimatstaat die Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit willkürlich versage oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden habe. Maßgeblich für die Aufgabe der Staatsangehörigkeit sei das jeweils geltende Recht des Heimatstaates sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Trotz des Bestreitens der iranischen Botschaft, jemals Anträge des Betroffenen hinsichtlich der Entlassung aus der Staatsangehörigkeit erhalten zu haben, habe das Berufungsgericht im Rahmen der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, daß diese Schreiben der Botschaft tatsächlich zugegangen seien. Daß es sich hierbei lediglich um formlose Anträge zur Einleitung des Verfahrens zur Aufgabe der Staatsangehörigkeit gehandelt habe, sei insoweit unbeachtlich, als die iranische Botschaft nicht in angemessener Zeit mit der Übersendung der erforderlichen Formulare die nächste Verfahrensstufe eingeleitet habe. Der § 87 AuslG müsse dahin gehend ausgelegt werden, daß ein Heimatstaat nicht die Möglichkeit habe, die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit durch die Verweigerung der Unterlagen zu verhindern. Mithin sei in einem solchen Fall anzunehmen, daß die bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Satz 1 AuslG aufgegeben werden könne.



      25 Vgl. auch Anmerkung zu diesem Fall von Hofmann, InfAuslR 1997, 81ff.

      26 Siehe in diesem Zusammenhang auch das Urteil des VG Stuttgart vom 6.11.1996 (7 K 77/95 = InfAuslR 1997, 321ff.) zu einem vergleichbaren Sachverhalt.