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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Lars-Jörgen Geburtig


VI. Organe des diplomatischen und konsularischen Verkehrs

       29. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich in seinem Beschluß vom 10.6.1997 (2 BvR 1516/96 - BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50 = NStZ 1998, 144 = EuGRZ 1997, 436) mit Fragen der diplomatischen Immunität in einem Fall auseinanderzusetzen, in dem es um die strafrechtliche Verfolgung eines in der DDR akkreditierten Botschafters eines ausländischen Staates wegen seiner Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag in Berlin (West) im Jahre 1983 ging. Das den Tatverdacht begründende Verhalten sei bereits zur Zeit der Begehung 1983 für die Bundesrepublik Deutschland eine Inlandstat i.S. von §§ 3,9 StGB gewesen. Nach diesen Vorschriften sei die Beihilfe u.a. dann nach bundesdeutschem Recht strafbar, wenn die Haupttat im Inland begangen wurde. Eine Inlandstat habe hier vorgelegen, weil der Erfolg des Sprengstoffanschlags im Westteil Berlins eingetreten sei und auch die Tathandlung dort begangen worden sei. Die Behörden der Bundesrepublik Deutschland seien also bereits vor der Vereinigung zur Strafverfolgung nach bundesdeutschem Recht befugt gewesen. Das BVerfG untersuchte sodann, ob der Beschwerdeführer nach Art. 39 Abs. 2 Satz 2 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18.4.196136 diplomatische Immunität genießt. Nach dieser Vorschrift bleibt die Immunität in bezug auf die von der betroffenen Person in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit als Mitglied der Mission vorgenommenen Handlungen auch nach Beendigung der dienstlichen Tätigkeit bestehen. Zunächst führt das BVerfG aus, daß die Anforderungen des Art. 39 Abs. 2 Satz 2 WÜD für eine fortwirkende Immunität erfüllt seien, da der Beschwerdeführer in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit als Mitglied der Mission und innerhalb seiner Verantwortungssphäre als Botschafter gehandelt habe. Ungeschriebene Ausnahmen von der fortwirkenden Immunität bestünden nicht, da die diplomatische Immunität von strafrechtlicher Verfolgung auch für besonders gravierende Rechtsverstöße grundsätzlich keine Ausnahmen kenne. Soweit in Art. 7 der Charta des Internationalen Militärgerichtshofs in Nürnberg und ihm folgend in Art. 7 Abs. 2 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs für Jugoslawien sowie in Art. 6 Abs. 2 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs für Ruanda bestimmt sei, daß die offizielle Stellung von Angeklagten sie nicht von Verantwortlichkeit freistelle oder strafmindernd wirke, betreffe dies nur die Staatenimmunität und die unmittelbar aus ihr fließende Immunität von staatlichen Organen, nicht aber die diplomatische Immunität. Einem Schluß von der Staatenimmunität auf die diplomatische Immunität ratione materiae stehe das personale Element jeder diplomatischen Immunität entgegen, das nicht den Entsendestaat, sondern den Diplomaten als handelndes Organ persönlich schütze. Trotzdem genieße der Beschwerdeführer im vorliegenden Falle keine diplomatische Immunität von strafrechtlicher Verfolgung, da es weder eine allgemeine Regelung des Völkerrechts gebe, nach der die fortwirkende Immunität auch gegenüber Drittstaaten wirke, noch eine allgemeine Regel des Völkerrechts gelte, nach der die zunächst nur die DDR verpflichtende Immunität im Wege der Staatennachfolge nunmehr auch von der Bundesrepublik Deutschland zu beachten wäre. Zur Begründung des Nichtbestehens einer allgemeinen Regel des Völkerrechts, nach der die in Art. 39 Abs. 2 Satz 2 WÜD kodifizierte, fortwirkende Immunität über die Bestimmungen dieses Abkommens hinaus erga omnes, also auch gegenüber Drittstaaten wirke, führt das BVerfG aus, daß diplomatische Immunität allein im Empfangsstaat wirkt. Drittstaaten würden der Tätigkeit des Diplomaten nicht zustimmen. Über diesen Grundsatz herrsche seit frühester Zeit Einigkeit. Er werde bestätigt durch die in Art. 40 WÜD geregelten Ausnahmen. Diese Sonderregeln wären nicht notwendig, wenn die diplomatische Immunität erga omnes gälte. Dieser Grundsatz werde durch die gerichtliche Staatenpraxis bestätigt, die Diplomaten in Drittstaaten keine Immunität gewähre. Weitere Bestätigung finde dies in Art. 12 Abs. 2 des Lateranvertrages vom 11.2.1929, der für die territoriale Besonderheit des Vatikans ausdrücklich vorsehe, daß den beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomaten völkerrechtliche Vorrechte und Immunitäten auch in Italien zukommen. Wirkte die Immunität auch schon nach allgemeinem Völkerrecht erga omnes, so wäre eine solche ausdrückliche Vereinbarung nicht notwendig. An der begrenzten Wirkung der Immunität ändere sich auch zum Zeitpunkt der Beendigung der Mission nichts. Es widerspräche dem in Art. 39 Abs. 2 WÜD zum Ausdruck kommenden Gedanken des diplomatischen Immunitätsrechts, mit Beendigung der Mission weltweit Immunitäten neu entstehen zu lassen. Die fortwirkende funktionelle Immunität könne nicht weiterreichen als die zuvor bestehende persönliche. In bezug auf die Feststellung, daß die auf die ehemalige DDR beschränkte Pflicht, die fortwirkende Immunität des Beschwerdeführers nach Art. 39 Abs. 2 Satz 2 WÜD zu beachten, nicht im Wege der völkerrechtlichen Staatennachfolge auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist, führt das BVerfG zunächst aus, daß diese Frage nicht durch Art. 12 EinigungsV beantwortet wird. Art. 12 EinigungsV betreffe die Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge der DDR. Da aber das WÜD über diplomatische Beziehungen von vornherein sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in der DDR in Kraft gewesen sei37 und deshalb auch nach der Wiedervereinigung uneingeschränkt für die gesamte Bundesrepublik Deutschland fortgelte38, stelle sich das von Art. 12 EinigungsV geregelte Problem der Staatensukzession in völkerrechtliche Verträge nicht. Vielmehr gehe es um den Übergang einer nur den Vorgängerstaat bindenden, einzelnen Pflicht - hier der Pflicht, die fortwirkende Immunität des Beschwerdeführers zu beachten -, die aber auf einer sowohl Vorgänger- als auch Nachfolgestaat verpflichtenden Klausel in einem multilateralen Vertrag beruhe. Für eine solchermaßen speziell gelagerte Nachfolgefrage sei keine Staatenpraxis erkennbar. Eine völkergewohnheitsrechtliche Regel, nach der die Pflicht der DDR, die fortwirkende Immunität des Beschwerdeführers zu beachten, übergegangen wäre, finde somit keinen Rückhalt in der allgemeinen Staatenpraxis. Dies bestätige Art. 12 EinigungsV, der selbst für völkerrechtliche Verträge der DDR und nicht nur für Einzelverbindlichkeiten davon ausgehe, daß keine generelle völkerrechtliche Pflicht zur Übernahme besteht, sondern eine Verhandlungslösung im Einzelfall anzustreben ist. Daß die zunächst völkerrechtsgemäße, strafrechtliche Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Bundesrepublik Deutschland nicht durch die Wiedervereinigung nach dem Recht der Staatensukzession völkerrechtswidrig geworden ist, werde rechtlich bestätigt durch eine Abwägung der beteiligten Interessen im Hinblick auf den Zweck der fortwirkenden Immunität. Der Sinn des Art. 39 Abs. 2 Satz 2 WÜD spreche nicht für einen Pflichtübergang im Wege der Staatennachfolge. Die Begrenzung des räumlichen Geltungsbereichs der Vorschrift beruhe auf den mangelnden Schutzmöglichkeiten von Drittstaaten über Agrément, persona non grata- Verfahren und Schließung der Mission. Die Bundesrepublik befinde sich insofern in keiner von anderen Drittstaaten abweichenden Lage. Sie habe den Beschwerdeführer nicht als Diplomaten aufgenommen. Vor allem habe sie auch mit dem Untergang der DDR nicht deren frühere Zustimmung, insbesondere in Form des Agrément, übernommen. Mit der Vereinigung Deutschlands sei die DDR als Staat untergegangen, so daß mit ihr auch ihre diplomatischen Beziehungen zu anderen Staaten und damit die früheren Akkreditierungen erloschen. Die diplomatischen Missionen in der DDR seien mit dem Beitritt nicht zu Missionen der jeweiligen Drittstaaten in der Bundesrepublik Deutschland geworden. Gegen diese Praxis seien Proteste ausländischer Staaten nicht bekannt. Habe die Bundesrepublik Deutschland also selbst bei zur Zeit der Vereinigung noch bestehenden Missionen das Agrément der DDR nicht übernommen, so scheide eine rückwirkende Übernahme der Zustimmung zu allen jemals vorher in der DDR akkreditierten Diplomaten erst recht aus.

       30. In seinem Urteil vom 20.11.1997 (2 AZR 631/96 - MDR 1998, 543 = NZA 1998, 813) stellte das Bundesarbeitsgericht fest, daß ausländische Staaten in Bestandsschutzstreitigkeiten mit an ihren diplomatischen Vertretungen in Deutschland nach privatem Recht beschäftigten Ortskräften, die keine hoheitlichen Aufgaben zu erfüllen haben, der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen. Der als Aufzugsmonteur bei der US-Botschaft in Bonn beschäftigte Kläger wehrte sich gegen eine Änderungskündigung seines unbefristeten in ein jährlich zu erneuerndes Arbeitsverhältnis. Hierzu führte das Gericht aus, daß in bezug auf ihre nicht hoheitliche Betätigung auch ausländische Staaten der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen. Danach sei vorliegend die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben. Der völkerrechtliche Grundsatz ne impediatur legatio stehe dem unter Berücksichtigung der von dem Kläger geschuldeten Arbeitsleistung nicht entgegen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers unterliege deutschem Kündigungsrecht. Dies ergebe sich zum einen aus einer insoweit eindeutigen Rechtswahl i.S.v. Art. 27 Abs. 1 Satz 3 zweite Alternative EGBGB. Im übrigen würde gemäß Art. 30 Abs. 1 EGBGB selbst bei genereller Vereinbarung der Geltung amerikanischen Rechts das zwingende deutsche Kündigungsrecht als Arbeitnehmerschutzrecht anwendbar bleiben, weil Art. 30 Abs. 2 EGBGB vorliegend nicht zur Anwendbarkeit amerikanischen Rechts führen würde. Die Kündigung sei gemäß § 2, § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt, weil es keinen sachlichen Grund für die Änderungskündigung darstelle, daß das ausländische Haushaltsrecht des Arbeitgebers nur noch Stellen für eine befristete Beschäftigung vorsieht. Die Kündigung sei damit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam. Ein Eingriff in die Souveränität der Vereinigten Staaten von Amerika sei mit dieser Entscheidung nicht verbunden, da sie sich bei der Eingehung von Arbeitsverhältnissen der Mittel des Privatrechts bedienten und damit in Kauf nähmen, daß die Arbeitsverhältnisse deutscher Ortskräfte anhand von Art. 30 EGBGB und letztlich anhand des deutschen Kündigungs- und Befristungsrechts beurteilt werden.

       31. Der Bundesfinanzhof bestätigte in seinem Urteil vom 13.11.1996 (I R 119/95, NV - DStRE 1997, 945) seine Rechtsprechung, wonach im Inland ansässige ausländische Konsulatsbeamte der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Die Regelung in Art. 49 Abs. 1 WÜK zur Exterritorialität von Konsularbeamten bewirke, daß sie hinsichtlich ausländischer Einkünfte nicht der Rechtsordnung (Steuerhoheit) des Aufnahmestaates unterliegen. Sie seien kraft völkerrechtlicher Fiktion im Inland nicht "ständig ansässig" i.S. von Art. 71 Abs. 1 WÜK und seien daher wie beschränkt Steuerpflichtige zu behandeln. Eine ständige Ansässigkeit nehme die Verwaltungspraxis nur dann an, wenn der Leiter der konsularischen Mission eine entsprechende Mitteilung an das Auswärtige Amt macht. Diese Praxis sei nicht zu beanstanden, da sie sowohl die Interessen des Entsendestaates als auch des Konsulatsbeamten selbst berücksichtige. Mangels einer entsprechenden Mitteilung im vorliegenden Fall kam eine Zusammenveranlagung des Konsulatsbeamten mit seiner deutschen Ehefrau wegen der beschränkten Steuerpflicht des Ehemannes nicht in Betracht.

      



      36 BGBl. II 1964, 959, im folgenden: WÜD.
      37 BGBl. II 1964, 959; GBl. DDR II 1973, 29.
      38 Zu solchen Konstellationen S. Oeter, German Unification and State Succession, ZaöRV 51 (1991), 349 (368).